Vom Chief Marketing Officer zum Chief Customer Officer: Die neue Rolle des CMO
Der Chief Marketing Officer scheint vom Aussterben bedroht: In vielen Unternehmen wird er gestrichen oder anders bezeichnet. Um sich behaupten zu können, muss der CMO eine neue Rolle einnehmen und ein neues Selbstverständnis entwickeln.
Hat der klassische Chief Marketing Officer ausgedient?
In den oberen Etagen bekannter Unternehmen ist sein Anblick eine wahre Rarität geworden. Im Zuge der digitalen Transformation hat sich der Fokus und damit das Anforderungsprofil an einen CMO schnell doch nachhaltig geändert. Die klassischen Fähigkeiten eines Chief Marketing Officer sind nicht mehr gefragt. Branding und Imagebuilding anhand von Kampagnen, Content Marketing, Social Media Marketing und Influencer Marketing als Kernkompetenzen verlieren an Bedeutung, da ihr wirtschaftlicher Erfolg als nachweisbarer Niederschlag für Sales schwer messbar ist.
Die Digitalisierung brachte für den Bereich Marketing vor allem zwei Aspekte mit sich:
- Die Notwendigkeit zur radikalen Orientierung und Erfolgsmessung an KPIs
- Die Schnelllebigkeit und Zersplitterung der Marketing- und Medienwelt sowie der Kommunikationskanäle und -strategien
Freunden sich so manche Unternehmen gerade erst damit an, ihren Kanon an Marketingkanälen um Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Instagram zu erweitern, haben sie den Trend um Snapchat und TikTok auch schon verschlafen. Dieses Beispiel steht exemplarisch für die Geschwindigkeit digitaler Transformation und Schnelllebigkeit von Trends, die es vielen Organisationen erschwert, Schritt zu halten. Die klassische „Zielgruppe“ reitet gefühlt längst andere Wellen, bevor die Botschaft überhaupt eine Chance hatte, anzukommen.
Bekannt sind die prominenten Beispiele von Spotify, Unilever, Johnson & Johnson, McDonald’s, Uber und temporär auch Coca-Cola, die den Posten des Chief Marketing Officer kurzerhand strichen. Will seine Rolle erhalten bleiben, ist sie gezwungen, sich neu zu erfinden. Werbung als Selbstzweck ist nicht mehr gefragt; die Orientierung an harten Zahlen ist Realität. Umsatz und Gewinn müssen stimmen. Der Schlüssel zur Lösung dieses Problems liegt – ebenso wie seine Ursache – in der Digitalisierung.
CMO heute: Chief of Big Data?
Kommunikationsstärke reicht nicht mehr. Um kritische CFOs von der Notwendigkeit zu überzeugen, Investitionen in Marketingaktivitäten vorzunehmen, ist vor allem eines gefragt: Fakten basierend auf belastbaren Daten, welche die Wirksamkeit von Maßnahmen belegen.
Dazu braucht es neben geeigneten Analyseinstrumenten möglichst viele Daten, die Aufschluss geben über:
- Soziodemografie
- Markenbeziehung
- Nutzungserfahrung
- Gewohnheiten der Mediennutzung
- Verhalten zur Informationsbeschaffung
- Kaufverhalten
- Kaufverhalten beeinflussende Touchpoints
Ziel der Arbeit mit Big Data muss sein, geeignete Kontaktpunkte mit der Marke zu definieren und eine personalisierte Customer Journey zu schaffen. Indem das Verhalten potenzieller und bestehender Kunden gemessen wird, lassen sich Prognosen ableiten. Das bedeutet, dass Erwartungen und Entscheidungen berechenbar, prognostizierbar und manipulierbar werden.
Chief Customer Officer werden, um Chief Marketing Officer zu bleiben
In der Position des Chief Marketing Officer allein den Werbeverantwortlichen zu sehen, greift ohnehin zu kurz. Nach seiner ursprünglichen Definition ist der Bereich des Marketing schließlich nicht nur dafür da, die Produkte oder Dienstleistungen schmackhaft zu machen. Vielmehr ist Marketing als holistisches Konzept einer marktorientierten Unternehmensführung zu verstehen.
Der Chief Marketing Officer ist dafür zuständig, dass sich das gesamte Unternehmen strategisch und ganzheitlich an den Bedürfnissen und Wünschen seiner bestehenden und potenziellen Kunden orientiert und das Angebot entsprechend ausrichtet.
Im Zentrum steht also der Kunde: Radikale Kundenzentrierung (Customer Centricity), das Kennenlernen der Kundenbedürfnisse. Es ist Aufgabe des CMO, den Change-Prozess von der Produktzentriertheit zur Nutzerzentriertheit und einer unternehmensinternen nutzerzentrischen Organisation zu bewältigen. Demnach liegt auch die Kreation einer wertschöpfenden UX in seinem Tätigkeitsbereich. Dazu muss er die gesamte Customer Journey im Blick behalten, um alles auf den Kunden auszurichten:
- Produktthemen
- Vertriebsthemen
- Servicethemen
In der Praxis stehen hierfür verschiedene Mittel zur Verfügung, beispielsweise:
- Kreieren digitaler Touchpoints
- Kontinuierliche Messung und Optimierung bestehender Touchpoints
- Steigerung der Weiterempfehlungsrate
- Etablierung neuer transaktionsbasierter Geschäftsmodelle
- Einbeziehung des Kunden in den Entwicklungsprozess neuer Produkte (z.B. im Sinne des Human-Centered-Design- oder des Design-Thinking-Ansatzes)
Bedeutungsgewinn des Chief Marketing Officer mit neuem Verständnis von Marketing
Auf der Congress Stage der DMEXCO 2019 diskutierten am 11. September 2019 folgende Experten die Herausforderung bei der Rollenneudefinition des CMO angesichts technischer Weiterentwicklungen wie VR, KI, Voice, Big Data und der damit einhergehenden zunehmenden Fokussierung auf Daten im Marketing mit Moderator Florian Haller:
- Gisele Musa Gomes Papenfuss, Global Director Branding & Activation Metro
- Paige O’Neill, CMO Sitecore
- Marco Raab, CMO Escada
- Hubert Wieser, Director Central Region Nestlé Purina PetCare
Im Video kannst du mitverfolgen, wie die Diskussionsteilnehmer die technischen Veränderungen für den Wandel im Verständnis der Position des Chief Marketing Officer verantwortlich zeichnen. Zentrale Fragen, mit denen sich die Teilnehmer befassen, sind:
- Ist eine Neudefinition des Berufsbildes „Chief Marketing Officer“ notwendig?
- Welche Spitzenqualifikationen muss der Chief Marketing Officer der Zukunft mitbringen?
- Bleibt überhaupt noch Raum für Kreativität?
Dass der Chief Marketing Officer nur überleben kann, wenn er sich zum CCO, zum Chief-Kundenversteher, wandelt, lässt dabei unter anderem folgendes Zitat von Paige O’Neill, CMO von Sitecore, erkennen. Sie ist der Meinung, dass sich die Rolle weiterentwickeln und noch lange existieren wird:
„Ich denke, die Stimme des Kunden diktiert jetzt, wie Organisationen entscheiden, was wichtig ist. (...) Ich weiß, dass mein Team jetzt viel mehr Zeit damit verbringt, zu verstehen, wie unsere Kunden versuchen, mit uns zu interagieren, wie wir bei diesen Interaktionen abschneiden. Und das setzt unsere Prioritäten entsprechend, indem wir versuchen, die Erwartungen, von denen wir wissen, dass unsere Kunden sie haben, anzusprechen und sie wirklich in den Mittelpunkt unserer Strategien zu stellen.“
Rückt radikale Nutzerzentriertheit in den Fokus des Handelns des Marketing, wird der Chief Marketing Officer die zentrale Instanz für Wertschöpfung im Unternehmen und macht sich somit unverzichtbar.
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