Insight Out: ROSSMANN-Marketingchefin Petra Czora im Gespräch
Mut, Klarheit und messbare Wirkung: Petra Czora, Geschäftsleitung Marketing bei ROSSMANN, erklärt, wie eine rein digitale Kundenkarte zum Erfolgshebel wurde, wie POS-Inszenierung Kundenerlebnisse verstärkt und woran sie echte Transformation erkennt.

Marketing’s Boldest Voices: Entscheidungen, die Marke, Prozesse und KPIs zusammenbringen
In „Insight Out: Marketing’s Boldest Voices“ sprechen führende Köpfe darüber, wie stringente Markenführung, organisatorische Veränderungen und datenbasierte Messbarkeit in der Praxis zusammenspielen und wie daraus nachhaltige Wirkung entsteht.
Über Petra Czora
Petra Czora ist Geschäftsleitung Marketing bei der Dirk Rossmann GmbH. Als Erfinder des Drogeriemarktes in Deutschland eröffnete Dirk Roßmann 1972 den ersten „Markt für Drogeriewaren“ in Hannover. Heute zählt ROSSMANN (Firmensitz in Burgwedel bei Hannover) mit 65.500 Mitarbeiter:innen in Europa und 4.966 Filialen zu den größten Drogerieketten Europas. In den mehr als 2.311 ROSSMANN-Märkten, die es deutschlandweit gibt, kaufen täglich mehr als 1,84 Millionen Kund:innen ein.
Was war dein bisher mutigster Marketing-Move und warum würdest du ihn (nicht) wiederholen?
2013 haben wir uns intensiv mit der Frage einer Kundenkarte beschäftigt. Als einer der ersten Händler in Deutschland haben wir uns bewusst dafür entschieden, nicht dem allgemeinen Trend zu folgen und statt einer Plastikkarte eine rein digitale Lösung in Form einer App einzuführen. Abseits des großen Entwicklungsaufwands wurde deutlich, dass diese Entscheidung auch mit Folgeinvestitionen in die technische Ausstattung der Filialen verbunden ist. Handscanner hatten wir damals noch nicht. Stimmen wurden laut, ob die Einführung der App die richtige Entscheidung war, man wisse ja gar nicht, wie viele Kund:innen diese nutzen würden.
Wir haben in die App investiert, in die Filialausstattung und gleichzeitig in die Zufriedenheit unserer Kunden. 11 Mio. aktive Nutzer:innen jeden Monat sind heute der Dank für den Mut des Teams und unserer Geschäftsführung. Ja, das würde ich wiederholen. Aber nur, wenn die Konkurrenz – wie damals – noch immer in ihren alten Mustern feststeckt und uns den nötigen Vorsprung bietet, um sie ein zweites Mal zu überraschen.
Wann bist du zuletzt einen unbequemen Schritt im Marketing gegangen und wofür war er nötig?
Müssen wir nicht ständig unbequeme Schritte gehen? Ist das nicht Teil des Jobs und auch eine strategische Notwendigkeit? Nehmen wir beispielsweise Reorganisationen innerhalb des Marketings. Bei solchen Schritten trifft man immer auf Widerstände. Die üblichen “Das haben wir immer so gemacht”-Chöre, gepaart mit der Angst vor dem Unbekannten. Aber jedes Mal, wenn ich in den letzten 15 Jahren bei Rossmann eine solche Veränderung angestoßen habe, hat es zu einer besseren, einer leistungsfähigeren Organisation geführt. Nicht gleich sofort, aber in der Regel nach wenigen Monaten.
Stell dir vor, du musst dein Marketing morgen bei null neu denken, mit unbegrenztem Budget. Was würdest du als Erstes anders machen?
Ein begrenztes Budget einführen! Ernsthaft, ich glaube nicht, dass unbegrenzte Mittel uns besser machen – insbesondere nicht, wenn ich mich auf den Impact fokussiere. Aber gut, wenn es wirklich unbegrenzt wäre, würde ich den Point of Sale (POS) maximal aufwerten, inszenieren und hier für ein außergewöhnliches Shopping Erlebnis investieren.
Woran erkennst du, ob Marketing-Transformation tatsächlich etwas verändert?
In allerster Linie an den Geschäftszahlen: Können wir beispielsweise durch die App-Nutzung Frequenz und damit einhergehend den Customer Lifetime Value (CLV) steigern? Können wir Kunden zu leidenschaftlichen Fans machen, weil sie unsere Brand Story nicht nur verstehen, sondern lieben und selbst ein Teil davon sind? Aber auch an der Geschwindigkeit und Qualität unserer Entscheidungen können wir die Transformation feststellen, indem wir dank datengestützter Insights und einer agilen Arbeitsweise schneller und besser auf Marktveränderungen reagieren können.
Welche strategische Frage lässt dich mit Blick auf 2026 nicht los?
Die Frage, die mich nicht loslässt, ist gleichzeitig die Frage, die mich jeden Morgen anspornt: Wie schaffen wir es, in einer Welt, die immer schneller, lauter und digitaler wird, die menschliche Verbindung zu unseren Kunden nicht nur zu erhalten, sondern zu vertiefen und emotional aufzuladen? Wie schaffen wir Relevanz bei einer hochgradig fragmentierten und überreizten Zielgruppe? Und wie nutzen wir dabei all die Möglichkeiten, die uns KI bietet, ohne die Menschlichkeit zu verlieren? Es geht um Technologie als Verstärker der Humanität, nicht als Ersatz.
Woher kommen deine besten Ideen – wenn du mal nicht im Marketingmodus bist?
Die besten Ideen entstehen, wenn man den Kopf frei hat und die Perspektive wechselt. Mir gelingt das gut beim Beobachten der Welt, beim Reisen und Entdecken. Immer dann, wenn ich selbst Kunde bin und eine außerordentliche Brand Experience mache. Das kann ein Restaurant oder ein Fachhandel sein, wo ich sehe, wie Service, Ambiente und Qualität perfekt orchestriert sind. Oder natürlich auch im Gespräch mit Menschen, die nichts mit Marketing am Hut haben. Plötzlich sieht man Bedürfnisse, die vorher unsichtbar waren. Das sind die Momente, in denen die Magie entsteht.
Was würdest du der Marketing-Branche gerne mal klar sagen?
Dazu würde ich gerne Taylor Swift zitieren. „You need to calm down”. Ich nehme unsere Branche oft sehr aufgeregt war. Beispielsweise als ein CFO die CMO-Rolle mitübernimmt. Was regt ihr euch auf? Seid mehr Business Leader und keine Award Sammler, dann passiert das auch nicht. Unser Wert liegt nicht in der Anzahl der Kampagnen oder dem Aufwand, den wir dafür betreiben, sondern im Impact, den wir erzielen. Und zwar realen, messbaren Impact, der sich auf das Unternehmensergebnis auswirkt. Konzentrieren wir uns auf die echten Probleme unserer Kunden und unsere Geschäftsziele, anstatt zu oft uns selbst zu inszenieren.
Haltung, Daten, Wirkung: Czoras Kompass für Markenarbeit bei ROSSMANN
Digitale Kundennähe statt Plastikkarte, POS als Bühne fürs Erlebnis, Impact als Maßstab: ROSSMANN zeigt, wie Mut und Messbarkeit zusammenfinden und warum Organisation und Tempo im Marketing entscheidend sind. Wer Kundenerlebnis, CLV und agile Entscheidungswege zusammendenkt, schafft Relevanz, die über Kampagnen hinaus wirkt.
