Interview: Contextual Advertising statt Reichweiten-Gießkanne

Juan-Pablo Schmid, Chief Commercial Officer bei Bring! Labs, über die Macht des richtigen Kontexts im digitalen Marketing.

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Herr Schmid, der aktuelle Bring! Shopper Guide zeigt, dass 86 Prozent der Deutschen ihren Einkauf digital vorbereiten. Wie hat sich das Kaufverhalten in den letzten Jahren verändert?

Juan-Pablo Schmid: Das Einkaufen beginnt heute längst nicht mehr im Laden. Konsument:innen sind bewusster geworden und planen gezielt. Sie vergleichen Angebote, lassen sich von Marken inspirieren und nutzen dafür digitale Kanäle oft parallel zu klassischen Medien wie Prospekten. Interessant ist: während Händler-Apps vor allem direkt beim Einkaufen im Laden verwendet werden, spielen in der frühen Phase der Shopper Journey Retailer-agnostische Kanäle eine deutlich größere Rolle bei den Konsument:innen.

Sie sprechen in ihrem Vortrag auf der DMEXCO von einem grundlegenden Problem im digitalen Marketing, dass Reichweite mit Relevanz verwechselt wird. Können Sie das konkretisieren?

Juan-Pablo Schmid: Viele Advertiser denken noch immer: Je mehr Menschen ich erreiche, desto besser. Aber das führt zu generischen Botschaften, die im Rauschen untergehen. Contextual Advertising dreht diesen Ansatz um: Statt möglichst viele Menschen zu erreichen, liegt der Fokus darauf, die jeweiligen Kanäle mit passenden Botschaften zu bespielen und dadurch einen Mehrwert für die Konsument:innen zu schaffen.

Wo liegt der konkrete Unterschied zur herkömmlichen Werbung?

Juan-Pablo Schmid: Herkömmliche Werbung zielt primär auf Reichweite und vordefinierte Zielgruppen ab. Contextual Advertising richtet sich an Inhalt, Situation und aktueller Aufgabe aus. Oder anders gesagt: Herkömmliche Werbung optimiert „Wen erreiche ich?“, Contextual Advertising optimiert „Wann und wobei erreiche ich jemanden und mit welcher Botschaft passt es gerade am besten?“. Wenn jemand zum Beispiel eine Einkaufsliste erstellt oder durch Angebote stöbert, ist die Aufmerksamkeit und Kaufbereitschaft extrem hoch. Hier wird Werbung nicht als störend empfunden, sondern ergänzt die User Experience.

Wie wichtig ist dabei das Timing?

Juan-Pablo Schmid: Entscheidend. Es reicht nicht, nur am richtigen Ort zu sein. Der Schlüssel liegt darin, auch zur richtigen Zeit zum Kauf zu inspirieren. Nehmen Sie Rezeptinhalte: Wenn jemand nach Ideen fürs Abendessen sucht und gleichzeitig passende Produktvorschläge erhält, entsteht eine intuitive Verbindung zwischen Inspiration und Kaufentscheidung.

Ihre Daten im Report zeigen eine hohe Preissensitivität bei Konsument:innen. Wie verändert das die Anforderungen an Contextual Advertising?

Juan-Pablo Schmid: Konsument:innen streben nach guten Angeboten. Ein Angebot ist aber nicht zwingend ein großer Discount, sondern ein Gefühl. Das Gefühl, mehr zu bekommen als man bezahlt. Das bedeutet für Contextual Advertising: Es geht nicht nur um Präsenz, sondern um relevante Value-Propositions. Ein Rabatt für die eine Person, Qualitäts-Argumente für die andere. Personalisierung wird damit zum Erfolgsfaktor.

Wo sehen Sie die größten Potenziale für Marken und Händler?

Juan-Pablo Schmid: Kaufentscheidungen werden zu Hause getroffen. Konsument:innen machen heute bereits die Laden-Wahl von Angeboten abhängig. Wem es gelingt, dass seine Produkte während der Planung zu Hause ausgewählt werden, hat im Laden viel weniger Konkurrenz. Was auf der Einkaufsliste steht, landet auch im Warenkorb. Deshalb müssen Marken verstehen, wo ihre Zielgruppe im Planungsprozess steht. Geht es um Inspiration oder um konkrete Produktauswahl?

Wie gestaltet sich denn der Kaufprozess heute?

Juan-Pablo Schmid: Grundsätzlich durchlaufen Konsument:innen vier Phasen: Zunächst die unbewusste Vorbereitung, in der sich ein „Relevant Set“ von Händlern und Marken emotional verankert. Dann folgt ein auslösender Moment, der Trigger. Das kann eine Empfehlung sein oder einfach ein leerer Kühlschrank. In der dritten Phase planen sie bewusst. Einkaufslisten werden geschrieben, Angebote verglichen. Erst ganz am Schluss erfolgt der tatsächliche Kauf. Für Contextual Advertising ist entscheidend: In jeder Phase braucht es andere Botschaften und Touchpoints.

Wie messen Unternehmen den Erfolg von Contextual Advertising?

Juan-Pablo Schmid: Das ist eine der großen Herausforderungen. Klassische Kennzahlen wie Reichweite oder die Anzahl der Kontakte greifen zu kurz. Viel wichtiger sind qualitative Metriken: Wie relevant empfinden Nutzer:innen die Werbung? Werden mehr Produkte auf Einkaufslisten gesetzt? Steigt die Conversion Rate im Vergleich zu generischer Werbung? Erfolgreiche Contextual-Advertising-Kampagnen führen oft zu höheren Engagement-Raten bei geringerer Reichweite und das ist genau das Ziel.

Wie können Unternehmen kontextbasierte Werbung konkret in ihre Strategie integrieren?

Juan-Pablo Schmid: Contextual Targeting sollte Teil einer datenbasierten Gesamtstrategie sein. Unternehmen müssen verstehen: Wo befinden sich meine Kund:innen in ihrem Entscheidungsprozess? Welche Kontexte sind für meine Zielgruppe relevant? Und wie kann ich meine Botschaften so einbinden, dass sie die Customer Journey sinnvoll unterstützen? Es geht darum, fest in die Einkaufsroutine integriert zu werden, statt im Werbeumfeld unterzugehen.

Ihr Fazit für die Zukunft des digitalen Marketings?

Juan-Pablo Schmid: Die zunehmende digitale Einkaufsplanung macht kontextbezogene Platzierung wichtiger denn je. Erfolgreiche Marken werden eine effektive Brücke zwischen Markenbotschaft und realem Warenkorb schlagen. Am Ende entscheidet die Relevanz über den Erfolg – nicht die pure Reichweite. Wer das versteht, wird auch in einem zunehmend fragmentierten Medienumfeld erfolgreich sein.

Am 17. September spricht Juan-Pablo Schmid (CCO von Bring! Labs) um 15:30 Uhr über „THE CONTEXT EFFECT – Von der Inspiration bis zur Kaufentscheidung“ auf der Media Stage in Halle 8. Merk dir die Session jetzt vor!