Insight Out: Voelkel-Geschäftsführer Jurek Voelkel im Gespräch
Mutiges Marketing, das auch mal goldene Regeln bricht? Davon erzählt Jurek Voelkel, der Marketingverantwortliche und Geschäftsführer des Familienunternehmens Voelkel, in diesem Interview.

Marketing’s Boldest Voices: Jurek Voelkel über erfolgreiches Lebensmittelmarketing
Bei der DMEXCO 2025 steht Mut im Mittelpunkt. Unter dem Motto „Be Bold. Move Forward.“ trifft sich die weite Welt des Marketings. Denn nur mit diesem Mindset können Unternehmen den Herausforderungen unserer Zeit begegnen. Mut zeichnet auch das Marketing von Voelkel aus. Das Familienunternehmen besteht seit fast 90 Jahren, weil es nicht davor zurückschreckt, neue Wege zu gehen. Das berichtet Jurek Voelkel im Rahmen des Interviews für unsere Serie „Insight Out: Marketing’s Boldest Voices“.
Über Jurek Voelkel
Jurek Voelkel (34) ist neben seinem Vater und drei Brüdern einer der Geschäftsführer des größten Bio-Saftherstellers Deutschlands. Mit einem Portfolio von rund 250 Produkten erzielte der Demeter-Pionier aus dem niedersächsischen Wendland im Jahr 2024 über 140 Millionen Euro Umsatz. Seit fast 90 Jahren und mittlerweile in der vierten Generation produziert das Familienunternehmen Obst- und Gemüsesäfte in Bio- und Demeter-Qualität. Nach dem Abschluss des dualen Betriebswirtschaftsstudiums „Wirtschaft neu denken“ an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft sammelte Jurek Voelkel Erfahrung in Praxissemestern bei Huober Brezeln und Lebensbaum. Heute verantwortet er bei Voelkel die Bereiche Marketing und Vertrieb.
Was war dein bisher mutigster Marketing Move – und warum würdest du ihn (nicht) wiederholen?
Jurek Voelkel: Wir haben in diesem Jahr einen Ingwershot unter dem Namen ‚Good Shit Shot‘ auf den Markt gebracht. 10 Cent pro verkaufter Flasche gehen an Goldeimer, also an Sanitärprojekte in Entwicklungsländern. Es geht folglich darum, ‚guten Scheiß‘ zu unterstützen. Als wir das Produkt gelauncht haben, haben viele gedacht, es würde sich um einen Aprilscherz handeln. Denn wir haben mit Vorsatz eine der ältesten Regeln der Lebensmittelindustrie gebrochen. ‚Ein Wortspiel mit Fäkalien – das werden die Konsument:innen nie verstehen. Das wird auf zu viel Ablehnung stoßen im Regal.‘ Wie sich aber gezeigt hat, sind Kund:innen längst nicht so unreflektiert, wie sie gern mal dargestellt werden. Wir haben bislang eigentlich ausschließlich positives Feedback auf den bewusst provokanten Namen bekommen und viele Großkunden sind erfreulicherweise dieses durchaus riskante Experiment mitgegangen. Der Erfolg im Regal belohnt diesen Mut jetzt.
Der Good Shit Shot ist unser zweiter sogenannter ‚Impact Shot‘. Das sind Limited Editions, die Aufmerksamkeit auf aktuelle gesellschaftliche Themen lenken sollen. Sein Vorgänger war der ‚Multikulti Shot‘ zugunsten von Laut gegen Nazis. Auch der hat super funktioniert. Dieses Konzept werden wir mit unserer ‚Wärmflasche‘ zugunsten der Kältehilfen fortsetzen.
Wann bist du zuletzt einen unbequemen Schritt im Marketing gegangen – und wofür war er nötig?
Jurek Voelkel: Wir führen aktuell eine neue 0,5-Liter-Glasmehrwegflasche ein. Dafür sprechen viele Gründe. Unter anderem die Tatsache, dass es immer mehr Einpersonen-Haushalte ohne Auto gibt. Die Menschen gehen häufiger einkaufen, dafür kaufen sie weniger. Die Zeit des großen Wochenendkaufs ist zumindest im urbanen Raum vorbei. Schwere und große Flaschen sind immer unbeliebter. Das führt leider zum Beispiel zur Renaissance der Dose. Wir wollen mit der 0,5-Liter-Flasche eine umweltfreundlichere Alternative bieten.
Ein zweiter Grund sind die durch die globale Polykrise verursachten starken Preissteigerungen bei Rohwaren. Orangensaft ist keine beliebig verfügbare Billigware mehr, sondern ist weltweit zu einem raren Gut geworden. Das schlägt sich in spürbaren Preissteigerungen nieder. Anstatt Kund:innen mit einem Flaschenpreis von vier bis fünf Euro pro Liter zu verschrecken, wollen wir lieber zu bewusstem und genussvollem Konsum anregen. Lieber weniger und dafür nachhaltig konsumieren als billig und schädlich für Mensch und Natur. Wir wissen jetzt schon, dass sich viele Boulevard-Medien rein auf das Thema ‚Shrinkflation‘ stürzen werden, denn das verkauft sich nun mal gut. Das ist der saure Apfel, in den wir beißen müssen, denn wir sind überzeugt davon, dass es langfristig der richtige Weg ist.
Stell dir vor, du musst dein Marketing morgen bei null neu denken – mit unbegrenztem Budget: Was würdest du als Erstes anders machen?
Jurek Voelkel: Obwohl Voelkel in nahezu 100 Prozent aller Bioläden erhältlich ist und wir dort mit weitem Abstand Marktführer sind, ist unsere allgemeine Markenbekanntheit noch sehr ausbaufähig. Der schnellste Weg, um Markenbekanntheit aufzubauen, sind immer noch TV-Spots. So unoriginell es klingen mag, aber meine erste Maßnahme wäre daher eine große Spotkampagne auf allen Kanälen.
Woran erkennst du, ob Marketing-Transformation tatsächlich etwas verändert?
Jurek Voelkel: Eines meiner Hobbys ist, mit meinen Kindern durch Supermärkte zu schlendern. Das erspart mir viele Mafos.
Welche strategische Frage lässt dich mit Blick auf 2026 nicht los?
Jurek Voelkel: Wir verstehen unseren Kernauftrag darin, fair vergüteten Absatz für die ökologische Landwirtschaft zu schaffen. Denn nur so erreichen wir das Minimalziel von 30 Prozent Bio-Anbaufläche in Deutschland. Das dafür nötige Volumen erzielen wir nur durch mehr Wachstum im Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Mein strategisches Ziel ist, dass dies nicht auf Kosten des Bio-Fachhandels geht, sondern dass wir im LEH viele neue Fans für Bio gewinnen. Echte Fans, die dann irgendwann lustvoll die ganze Bio-Vielfalt im Bioladen entdecken.
Woher kommen deine besten Ideen – wenn du mal nicht im Marketing-Modus bist?
Jurek Voelkel: Am Steuer meines so ganz und gar nicht nachhaltigen alten Saabs und in der unfassbar schönen Natur bei uns im Wendland.
Was würdest du der Marketing-Branche gerne mal klar sagen?
Jurek Voelkel: „Erzähl mir nicht, du kannst dir kein Bio leisten!“
Mutige Marketing-Strategie für einen besonderen Purpose bei Voelkel
Goldene Marketing-Regeln brechen, einen Shitstorm voraussehen und trotzdem an der eigenen Strategie festhalten: Voelkel macht vor, wie ‚bold‘ Unternehmen auftreten können, wenn sie sich über ihren Purpose klar sind. Und der Erfolg der Marke zeigt, dass das auch bei Konsument:innen ankommt.
Du möchtest mehr mutige Stimmen hören? Dann komm am 17. und 18. September zur DMEXCO 2025 nach Köln. Hier geht’s zu deinem Ticket.
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