DMEXCO Kolumne: Die Website als Auslaufmodell?
Eine DMEXCO Kolumne von Thilo Kölzer, COO DocCheck AG
KI setzt neue Spielregeln für die Online-Suche
Wir sollten uns an den Gedanken gewöhnen, dass in absehbarer Zeit nur noch wenige die Bereitschaft haben werden, auf eine Website zu schauen oder sich über passende Search Terms Gedanken zu machen.
Warum? Weil KI-Apps wie ChatGPT und Co. schon sehr viel können und sich deren Nutzung einfach geschmeidiger anfühlt als eine Google-Suche. Parallel dazu nehmen Suchmethoden wie die Sprachsuche oder visuelle Suche eine zunehmende Rolle ein.
Wir reden hier nicht von der fernen Zukunft der Online-Suche: Schon heute ist der Zero-Click-Anteil bei Google-Suchen hoch – je nachdem, in welche Statistik man schaut, zwischen 17 Prozent und 50 Prozent. Die Wahrheit wird wohl irgendwo dazwischen liegen.
Kurz zur Erklärung: Zero-Click-Suchen sind alle Suchen, bei denen ein Weiterklicken auf die Folgeseite gar nicht mehr nötig ist, weil Google alle gesuchten Informationen bereits mundgerecht auf der Ergebnisseite (SERP) zusammengefasst hat. Dabei mag es sich vor allem um Wissensabfragen handeln, jedoch wird dieser Trend sicherlich weiter fortschreiten.
Was bedeutet das fürs Marketing?
Es werden wichtige Marketing-Touchpoints entfallen und die von Nutzer:innen eingeforderte Convenience bei der Informationsaufnahme wird weiter zunehmen. In Kombination mit KI-Sprachmodellen bedeutet dies, dass sich die Informationsvermittlung und jeweilige digitale Quelle teils völlig voneinander entkoppeln können.
Im Extremfall würde das bedeuten, dass Websites zu reinen Informationsspeichern werden, aus denen sich Crawler und Bots zwar gerne bedienen, andererseits aber ihr eigenes „Endprodukt“ daraus generieren, welches sie den User:innen schließlich in ihrem Interface servieren.
Auf den Healthcare-Bereich übertragen würde das bedeuten, dass Fragen wie „Ich habe starke Rückenschmerzen, was kann ich dagegen tun?“ oder „Von Medikament XY habe ich Ausschlag bekommen, welche Alternativen gibt es?“ nach wie vor dann gestellt werden, wenn es den Betroffenen gerade einfällt. Und natürlich macht es dabei Sinn, wenn Antworten auf derartige Fragen direkt und auf einen Blick beantwortet werden.
Jetzt wissen wir alle, dass eine medizinisch korrekte Antwort mitunter sehr tricky sein kann – von den Haftungsthemen, die dabei zum Tragen kommen, mal ganz abgesehen. Anstatt eine medizinisch fundierte Antwort zu geben, könnten KI-Developer deshalb eher dazu tendieren, „organisatorische Antworten“ oder weiterführende Ratschläge zu geben, zum Beispiel: „Bei starken Rückenschmerzen empfehle ich Dir, eine:n Spezialist:in aufzusuchen. 800 Meter von Deinem aktuellen Standort entfernt befindet sich die Praxis von Frau Dr. Antipain. Soll ich einen Termin für Dich vereinbaren?“
Auf die eigentliche Website müsste ich dann als User:in gar nicht mehr schauen. Die Bedeutung von Unternehmenswebsites würde so rapide abnehmen – allerdings auch das Vertrauen in bestimmte Informationen.
Da kann man sich in den Marketingabteilungen und -agenturen schon mal fragen: „Quo vadis SEA?“, „Quo vadis Content?“ – und vor allem „Quo vadis Customer Relations?“.
Living in a Zero Click World
Eins ist sicher: Google und auch OpenAI wollen mit ihren Produkten Geld verdienen. Wenn also eine innovative Applikation eingeführt wird, wird es im zweiten Schritt darum gehen, möglichst viele Nutzer:innen zu gewinnen, und spätestens im nächsten Schritt darum, in die Monetarisierung einzusteigen. In diesem Fall bedeutet das: neuartige Werbeformen, die in die neu entstehenden User:innen Journeys integriert werden.
Denkbar sind beispielsweise Slots für „Kontextinfos“, von wem diese Inhalte ursprünglich stammen und dass diese Inhalte vertrauenswürdig sind. Oder der Verweis auf Deep Dives und interaktive Contents. Diese Deep Dives werden zwar auch direkt im KI-Dialogfenster angeboten, aber klar werblich deklariert.
Is Content still King? Was Marketer:innen jetzt tun sollten
#1 Eine Entscheidung über den eigenen Content treffen!
Üblicherweise verfügt jede Healthcare-Organisation über genügend wertvolle Inhalte zu Medikamenten, Studien, Therapien, Wirkstoffen usw. Diese Organisationen sollten entscheiden: Möchte ich meinen Content ganz oder in Teilen „open source“ – also auch den KI-Plattformen – zur Verfügung stellen? Oder ist mein Content so exklusiv und wertvoll, dass ich ihn zum Beispiel per Log-in vor unbefugtem Zugriff von KI-Tools aller Art schützen möchte?
Vor allem im Consumer:innen-Bereich (beziehungsweise äquivalent im Healthcare-Marketing zum Beispiel Patient:innenprogramme oder Therapieinformationen) braucht es allerdings gute Argumente, weshalb man Inhalte durch einen Log-in schützt und so nicht public verfügbar macht. Während dies für Fachkreise und Fachcommunities einen üblichen, beziehungsweise durch das Heilmittelwerbegesetz häufig sogar nötigen Umgang mit Informationen darstellt, gilt es, dies je nach Inhalt separat zu bewerten.
Es ist also von Fall zu Fall eine Abwägung zu treffen: Will man Nutzer:innen online gute Inhalte zur Verfügung stellen und auch im KI-Spiel mitmischen, oder seinen „Content-Schatz“ wahren?
#2 Das Spiel geht in beide Richtungen!
So wie sich KI-Modelle für ihre Funktionalität am Online-Content bedienen, können sich Content‑Ersteller:innen an den bestehenden KI-Frameworks bedienen.
Owned Content kann genutzt werden, um daraus Owned Services wie KI-unterstütze Chatbots zu entwickeln und der eigenen Zielgruppe anzubieten – oder weitergedacht: eine eigene „Corporate KI“ zu entwickeln, die sich der LLMs (Large Language Model) der einschlägigen Anbieter bedient und eigene spezifische Inhalte hinzufügt beziehungsweise inhaltlich aufbereitet. Perspektivisch sind hier so veredelte, unternehmensspezifische KI-Feeds möglich.
Mein Fazit
Content may be copyable. Knowledge stays King.