DMEXCO Interview: So lief die DFB-Marketing-Kampagne zur EM 2024

„Fußballzeit ist die beste Zeit“ – unter diesem Motto facht der Deutsche Fußball Bund (DFB) seit Monaten die Stimmung für die EM in Deutschland an. Im Interview gibt Holger Merk Einblicke und Zahlen zum Erfolg der Marketing-Kampagne.

Holger Merk (DFB) im Interview über seine „Fußballzeit“-Kampagne
Bild: © DFB_Mitarbeiterinnen-Shooting

„Fußballzeit ist die beste Zeit“: Anstoß bei der DMEXCO 2023

Die Marketing-Kampagne des DFB unter dem Slogan „Fußballzeit ist die beste Zeit“ ist vielen Besucher:innen der DMEXCO 2023 bereits bekannt. Schließlich stellte Dr. Holger Blask, Vorsitzender der Geschäftsführung der DFB GmbH & Co. KG, sie im September in einer Präsentation auf der Center Stage einem großen Publikum vor. Damals befand sich die Kampagne noch in den Kinderschuhen. Mehr als ein halbes Jahr später und am sprichwörtlichen Vorabend der Fußball-Europameisterschaft 2024 sprechen wir nun mit Holger Merk. Vom Senior Head of Brand & Marketing Services der DFB GmbH & Co. KG wollen wir wissen, welche Besonderheiten mit dem Sportmarketing einhergehen, welchen Stellenwert TikTok für das Marketing des DFB einnimmt und was die Zahlen über den Erfolg der Marketing-Kampagne aussagen.

Holger Merk, ihr habt mit der Marketing-Kampagne „Fußballzeit ist die beste Zeit“ versucht, die gesamte Fußballgemeinschaft für die EM zu mobilisieren. Habt ihr dieses Ziel erreicht?

Holger Merk: Es ist uns nicht gelungen, dieses hehre Ziel zu erreichen – so ehrlich müssen wir sein. Alle 40 Millionen Fußballbegeisterte in Deutschland mit einer einzigen Kampagne und über so einen Zeitraum zu vereinen, ist aber auch nicht machbar. Deswegen haben wir uns Etappenziele gesetzt, wen wir wie und wo erreichen wollen. Diese Zahlen sprechen für sich: Über unsere verschiedenen Plattformen wie Stadion, TV, Social Media und die diversen Online-Formate verzeichnen wir in Summe eine Sichtbarkeit von 1,9 Milliarden Brutto-Kontakten. Nicht alle davon sind sicherlich nachhaltig. Doch wir haben auch über 100 Millionen Social-Media-Kontakte mit Engagements getrackt. Von daher sind wir bei allen Fußballinteressierten auf jeden Fall relevant und haben dort – und das ist für uns sehr wichtig – eine positive Note hinterlassen. Wir können sagen, dass die Kampagne positiv bewertet wird. Wir haben uns zudem das Ziel gesetzt, über 25 Prozent der Vereine in Deutschland zu erreichen und auf die Kampagne aufmerksam zu machen und dieses Ziel auch erfüllt.

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1,9 Milliarden
Brutto-Kontakte
100 Millionen
Social-Media-Kontakte mit Engagements
25 Prozent
der Vereine in Deutschland erreicht

Für große Aufmerksamkeit sorgte zudem die unkonventionelle Verkündung des EM-Kaders der Nationalmannschaft über verschiedene Kanäle. Hat sich dies auch auf die „Fußballzeit ist die beste Zeit“-Kampagne ausgewirkt?

Holger Merk: Wir haben definitiv einen Abstrahleffekt gemerkt, weil unsere Assets im DFB-Kosmos zusätzliche Aufmerksamkeit erhalten haben. Dabei war die Kader-Bekanntgabe selbst losgelöst von unserer Kampagne. Mit „Fußballzeit ist die beste Zeit“ arbeiten wir unter der Dachmarke und versuchen, alle DFB-Marken zu vereinen. Die Kader-Bekanntgabe war eine Stand-alone-Maßnahme der Nationalmannschaft, hat aber positiv auf die Dachmarke eingewirkt.

Der DFB richtet sich an alle Fußballinteressierten. Wie geht ihr mit einer derart großen Zielgruppe um?

Holger Merk: Wir haben in Deutschland das Kulturgut Fußball, zu dem jede:r einen individuellen Zugang hat – vom Amateur-Spiel über aktiven Sport bis zum Fan-Sein von Vereinsmannschaften oder der Nationalmannschaft. Da hat jede:r einen persönlichen, individuellen Zugang. Dementsprechend schwierig ist es, alle Menschen zu erreichen – und doch versuchen wir genau das. Über verschiedene Medien und Formaten wollen wir Fußballinteressierte erreichen. Denn in allen Gesellschaftsschichten zu jeder Zeit – sei es bei einem Konzert, im Beruf oder auf einer Tüte bei der Bäckerei –, überall kannst du mit Fußball in Kontakt kommen. Deshalb ist Fußball ein Kulturgut und ein Stück weit auch die Nationalmannschaft.

Welche Strategie verfolgt der DFB, um den Wettbewerb um die Zeit der Menschen zu gewinnen?

Holger Merk: Zu den größten Herausforderungen einer Marketing-Kampagne gehören nicht nur die Inhalte, sondern vor allem auch die Frage, wo und wie ich diese mit Blick auf eine Zielgruppe platziere. Aufgrund des heutigen Medienkonsumverhaltens gibt es unendliche Möglichkeiten, seinen Alltag zu verbringen. Von daher bewegen wir uns auf die Fußballfans zu und kontaktieren sie dort, wo sie sich aufhalten. Dabei lässt sich beispielsweise ein Unterschied zwischen jüngeren und älteren Fans erkennen. Letztere gucken noch gerne 90 Minuten Fußball im Stadion oder vor dem Fernseher. Unsere jüngere Zielgruppe erreichen wir mit einer Highlight-Show oder mit Blicken hinter die Kulissen oftmals besser.

Das bedeutet: Wir müssen dort stattfinden, wo sich unsere Zielgruppe aufhält, und den Inhalt so ausspielen, dass er eine Wirkung und einen Pull-Effekt erzielt. Wenn uns das gelingt, haben wir unsere Arbeit gut gemacht.

Es muss sehr anspruchsvoll sein, so die breite Zielgruppe zu erreichen.

Holger Merk: Das ist es definitiv. Wir haben uns aber auch die Frage gestellt, ob wir wirklich zu jedem Zeitpunkt mit jeder Marketing-Maßnahme jede Zielgruppe gleichzeitig erreichen müssen. Die Antwort lautet ganz klar: Nein. Deshalb macht es mehr Sinn, sich Zielgruppen herauszusuchen, die als Multiplikatoren wirken und in andere Gruppen hineinwirken. Eine 100-prozentige Gewähr, alle zu erreichen, gibt es natürlich trotzdem nicht.

Auf welche Zielgruppen als Multiplikatoren habt ihr euch bei eurer Marketing-Kampagne fokussiert?

Holger Merk: Für die „Fußballzeit“-Kampagne haben wir Botschafter:innen aus anderen Branchen für uns gewinnen können, die mit uns über ihre persönliche Fußballzeit sprechen. Dabei sieht man schon, dass es sich um einen Querschnitt aus Kultur, Entertainment, Sport und Politik handelt. Zudem haben wir die Plattform YouTube gewählt, weil Content dort von Jung und Alt konsumiert wird. Wir haben uns zudem auf Influencer:innen konzentriert – wie Elias, der für uns in der „Fußballzeit“ gesprochen hat –, die für bestimmte Zielgruppen relevant sind. Das ist Peter Schilling sicherlich für eine ältere Generation, auch durch den neuen Hype um sein Lied „Major Tom“. Das ist aber auch Sophia Thomalla, die ein sehr starker Fußball-Nerd ist. Das ist Laura Wontorra, die uns dankenswerterweise als Gastgeberin mit ihrer Fußballkompetenz spannende Geschichten hereinholt.

Das zeichnet unsere Herangehensweise aus: Wir reden über persönliche Fußballzeit-Momente, zu denen viele Menschen Bezugspunkte haben können, und kommen so unserem Ziel ein Stück weit näher.

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Welche Rolle spielt dabei TikTok, um junge Menschen anzusprechen?

Holger Merk: TikTok spielt eine große Rolle und ist ein Partner von uns geworden. Das liegt sicherlich auch daran, dass TikTok erkannt hat, was wir an Inhalten zu bieten haben – mit der Europameisterschaft und darüber hinaus. Junge Menschen setzen sich nämlich zum einen mit Fußball auf der großen Bühne auseinander. Zum anderen wollen sie sich auch selbst in Szene setzen und eigene Challenges und TikToks produzieren. Als Dachverband DFB sind wir ein bisschen der Hüter des Grals, wenn es um Fußball geht, und haben auch bei der jungen Zielgruppe ein Standing. Daher ergibt die Partnerschaft mit TikTok Sinn. Man sieht aber auch, dass wir auf der Plattform vor allem Leitplanken bieten und versuchen, den Fußball in erster Linie durch die Nutzer:innen zu zeigen. Interaktion und Community Management sind auf TikTok sehr wichtig.

Wir wollen niemandem etwas überstülpen, sondern idealerweise einen persönlichen, individuellen Bezug zum Fußball einfangen.

In der heutigen Fußballlandschaft gibt es neue Formate wie die „Baller League“. Wie ist euer Blick darauf – seht ihr das als Konkurrenz oder Inspiration?

Holger Merk: Wir sehen das absolut nicht als Konkurrenz. Im weitesten Sinne ist es immer noch Fußball und junge Leute interessieren sich dadurch für die Sportart. Der Entertainment- und Fame-Faktor durch die mitwirkenden Persönlichkeiten und die Gaming-Elemente ist sicherlich etwas Neues gegenüber ähnlichen Spielformaten wie Futsal. Wir konzentrieren uns aber auf den organisierten Fußball. Was bei der „Baller League“ sportlich passiert, sieht man in den Stadien, auf den Amateurplätzen und in den Futsal-Hallen. Deshalb spielt das Rahmenprogramm sicher eine große Rolle für die Zuschauenden – und da können wir uns inspirieren lassen.

Habt ihr euch bei der „Fußballzeit“-Kampagne bereits von solchen neuen Formaten inspirieren lassen?

Holger Merk: Wir haben unsere Kommunikation umgestellt, lange bevor die „Baller League“ derart präsent wurde. Wir sind mit unserer Community insbesondere auf Social Media im Austausch und versuchen, sehr nah dran und authentisch zu sein. Um das umzusetzen, inszenieren wir unsere Spieler:innen auch dementsprechend. Die „Baller League“ ist in der Hinsicht keine Galaxien von uns entfernt.

Bei der DFB-Pokalübertragung mit Elias als Gastgeber haben wir ein sechsstündiges Live-Format auf Twitch geschaltet, das mit einem Millionenpublikum eine Benchmark gesetzt hat im digitalen E-Sportskosmos. Wir haben durch das Format gezeigt, dass wir sexy, crispy und cool sein können.

Kommen wir nochmal auf die bevorstehende Europameisterschaft zurück. Gibt es unterschiedliche Strategien für den Umgang mit dem Erfolg oder Misserfolg der deutschen Nationalmannschaft?

Holger Merk: Das ist eine sehr spannende Frage, weil wir vorher nur das Feld bestellen und hoffen können, dass die sportliche Leistung als Katalysator dient. Wir haben das zum Beispiel im März gesehen, als wir zum einen tolle Formate, Werbemittel und Botschaften im Markt hatten. Zum anderen hat aber auch die Nationalmannschaft zwei erfolgreiche Spiele absolviert und so dazu beigetragen, eine positive Stimmung zu erzeugen.

Wir haben dementsprechend tatsächlich abgeschichtete Strategien für das Abschneiden des DFB-Teams bei der EM. Übergeordnet haben wir aber in der Vergangenheit gelernt, nicht zu over-engineeren, sondern authentisch zu bleiben. Wir haben auch Charaktere in der sportlichen Leitung und der Mannschaft, die das absolut verstanden haben. Der Wunsch ist, dass die Maßnahmen während der EM von der Mannschaft getragen werden. Sie sollte authentisch und gerade bei der Heim-EM nah an den Fußballfans dran sein.

Wie werden sich diese Ziele in der Praxis zeigen?

Holger Merk: Das beginnt schon mit unserem Trainingslager, das bewusst in Thüringen liegt – einer Region, in der die Europameisterschaft nicht so präsent ist wie in anderen Teilen Deutschlands. Dort wollen wir uns auf das Turnier vorbereiten, aber auch die Nähe zu den Fans in der Region suchen. Wenn das Turnier beginnt, sind wir in unserem Base Camp in Herzogenaurach und konzentrieren uns auf den Sport. Die Erfolge, die wir hoffentlich feiern werden, wollen wir aber auch an die Fans herantragen.

Neben den Fans gibt es auch noch andere Stakeholder wie Sponsoren. Welche Rückmeldungen habt ihr aus dieser Richtung bekommen für die „Fußballzeit“-Kampagne?

Holger Merk: Wir sind sehr stark im B2B-Umfeld aktiv gewesen mit der Kampagne. Für uns haben wir eine erstaunlich positive Resonanz aus der Politik bekommen – viele der Kabinettsmitglieder werden in den kommenden Wochen ihre eigene „Fußballzeit“-Geschichte kommunizieren. Wir haben zudem über unsere B2B-Partnerschaften im Sponsoring und Licensing Unternehmen gewonnen, die aktiv an der Kampagne teilnehmen – vom CEO unserer Partner über Sponsoringverantwortliche bis zur Produktebene.

Es ist uns wichtig, ein Angebot zu schaffen, das neben den Fußballinteressierten auch wichtige Interessengruppen aus Politik und Wirtschaft anspricht. Dass uns das gelungen ist, bedeutet für uns, dass die „Fußballzeit“-Kampagne im Bereich B2B bereits erfolgreich ist.

Holger Merk, vielen Dank für die spannenden Einblicke hinter die Kulissen eurer Marketing-Kampagne „Fußballzeit ist die beste Zeit“!

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