DMEXCO Interview: Zukunft der Digitalvermarkter:innen
Was meistern Digitalvermarkter:innen? Wo geht die Reise hin? Rasmus Giese, CEO United Internet Media, liefert dir Insights.
Werbung heute und die Rolle der Digitalvermarkter:innen
Unglaublich, aber wahr: Noch im letzten Jahrhundert wurden Werbeplakate teils per Hand gemalt. Doch das hat sich nach dem raschen digitalen Wandel und der fortlaufenden Technisierung unserer Gesellschaft grundlegend geändert. Werbeslogans auf Leinen und Papier sind heute automatisierten, digitalen Anzeigenformaten gewichen – optimiert auf jegliche Endgeräte, vom Smartphone in der Hosentasche bis zum Smart TV im Wohnzimmer.
Werbung ist heute omnipräsent und wichtiger denn je. Brands müssen in herausfordernden Zeiten gegenüber verunsicherten Konsument:innen Vertrauen in die Marke schaffen und im Gespräch bleiben. Werbung sollte heute in jedem Fall authentisch bleiben, Glaubwürdigkeit vermitteln und unterhaltsam sein, weiß der Online-Vermarkterkreis im BVDW (OVK): Werbung helfe den Menschen, auf aktuelle Angebote und Aktionen aufmerksam zu werden und einen Überblick zu erhalten. Dem stimmt der überwiegende Teil der Verbraucher:innen zu: Bei der Trendstudie „Handelsmarken, Herstellermarken, Markenwerbung“ des OVK gaben 71 Prozent – also mehr als zwei Drittel – der befragten Konsument:innen an, dass Werbung auch in Krisenzeiten wichtig sei, um auf aktuelle Angebote und Aktionen hinzuweisen. Für über 80 Prozent der Studienteilnehmer:innen muss Werbung einen guten Überblick über aktuelle Angebote liefern und Vertrauen sowie Authentizität vermitteln.
Was Digitalvermarkter:innen heute leisten
Die geforderten Messages sind also überdeutlich. Es bleibt jedoch die Frage, wie Brands ihre Botschaften erfolgreich zu den Menschen bringen. Hierbei tragen Digitalvermarkter:innen eine Schlüsselfunktion: Sie bilden das Bindeglied zwischen Marken, die ihre Botschaften verbreiten möchten, und dem Zugang zu reichweitenstarken Werbeplätzen. So stellen Digitalvermarkter:innen ihren Kund:innen heute vielfältige Möglichkeiten bereit, ein passgenaues, zielgruppenspezifisches Targeting über das jeweilige Vermarktungsportfolio zu realisieren. Technologie spielt da eine wesentliche Rolle – Stichwort AdTech.
Das automatisierte Werbeanzeigengeschäft via Programmatic Advertising und die Nutzung von Demand-Side- und Supply-Side-Plattformen zeigen deutlich, wie weit sich die Werbewirtschaft vom klassischen Werbeplakat entfernt hat. Sogar die Plakate selbst, die heute in der Außenwerbung Einsatz finden, bestehen zunehmend aus Acrylglas und Bytes anstatt Zellstoff und Druckerfarbe. So experimentiert beispielsweise der Multichannel-Vermarkter Ströer derzeit mit neuen ressourcenschonenden, LED-basierten Roadside-Screens.
Digitalvermarktung: Zwischen technischer Innovation und regulatorischer Hürden
Das sind beeindruckende Entwicklungen, die Digitalvermarkter:innen nicht zuletzt zu technischen Innovator:innen machen. Allerdings ist der Fortschritt an neue Herausforderungen geknüpft. Datenschutzrechtliche Aspekte sind einzubeziehen und mit neuen Technologien in Einklang zu bringen. So steht die Post-Cookie-Ära für Digitalvermarkter:innen seit mehreren Jahren als wesentliches Thema auf der Agenda. First-Party-Datenstrategien und Cookie-Alternativen sind gefragt und werden von führenden Digitalvermarkter:innen unter anderem mit ID-basierten Lösungen beantwortet.
Was für Digitalvermarkter:innen derzeit und in Zukunft zählt: CEO Rasmus Giese gibt Auskunft
Die Zukunft der Digitalvermarktung ist geprägt von neuen Technologien, Kooperationen und einer zunehmend schnelleren und komplexeren Werbewelt – ganz zu schweigen von den Entwicklungen rund um KI in der Werbung sowie den Potenzialen des Web3. Erforderlich sind neue Konzepte und Standards, die effiziente und rechtssichere Strukturen und Handlungsräume schaffen und es Publisher:innen ermöglichen, sich von Wettbewerber:innen abzuheben. Für wertvollen Input aus der Praxis haben wir für dich Rasmus Giese, CEO des führenden Multichannel-Vermarkters United Internet Media, befragt:
Rasmus Giese, welche Entwicklungen der letzten Jahre bei der Digitalvermarktung stechen besonders heraus? Wie geht die Anpassung an die Digitalisierung voran?
Rasmus Giese: Die Digitalisierung des Alltags und die Internet-Nutzung nehmen weiterhin zu. Gerade die Verlagerung hin zum E-Commerce hat für Digitalvermarkter:innen ein enormes Potenzial – insbesondere für Umfelder, die eng mit dem Online-Handel verknüpft sind wie das E-Mail-Postfach. Die Inbox spielt im digitalen Kaufprozess praktisch immer eine Rolle: Neun von zehn Befragten in Deutschland, Österreich und der Schweiz verwenden im Lauf der Customer Journey ihre E-Mail-Adresse – das belegt unsere Studie „E-Mail Cross Generations“. Jeder der einzelnen Touchpoints verzeichnet während des Kaufprozesses eine hohe Nutzungsintensität: 90 Prozent der Befragten werden über E-Mails wie Newsletter auf neue Produkte aufmerksam gemacht. 91 Prozent nutzen die E-Mail für die Registrierung und 94 Prozent zur Paketverfolgung. Für den Handel besonders wichtig: 73 Prozent der Befragten kaufen Produkte, die in einer E-Mail beworben werden. Für diese enge Verknüpfung von E-Mail und Digital Commerce bieten WEB.DE und GMX mit dem Intelligenten Postfach dazu passende smarte Services. Ebenfalls passgenau entwickelt United Internet Media neue Werbeformate im Bereich Commerce Media, um die Customer Journey zu beschleunigen und mehr Abverkäufe zu fördern.
Vor welchen Hürden und Hindernissen steht die Branche aktuell? Welche Problemlösungen müssen Publisher:innen noch finden?
Rasmus Giese: Die größte Herausforderung unserer Branche ist seit Jahren das Schwinden der Third Party Cookies: Das Ende im Jahr 2024 rückt bei Chrome immer mehr in Sichtweite. Manche Marktteilnehmenden scheuen noch die anfangs größere Komplexität der neuen Landschaft ohne Nutzung von Third-Party-Daten. Die Post-Cookie-Ära verändert insbesondere das datengetriebene Targeting innerhalb des programmatischen Segments. Mittelfristig werden diejenigen Unternehmen profitieren, die über First-Party-Daten und alternative Identifier verfügen oder entsprechende Kooperationen eingegangen sind.
Welche Erfolgsmodelle existieren bereits? Gibt es international gesehen Best Cases, von denen Digitalvermarkter:innen lernen sollten?
Rasmus Giese: Mit der European netID Foundation wurde ein unabhängiger, offener und sicherer Standard als Alternative zu den Walled Gardens der US-Plattformen vorgestellt. Mittlerweile verzeichnet die hierzulande führende ID-Lösung über 14 Millionen Nutzer:innen. Die Zahl wird weiter steigen, denn immer mehr Internet-Angebote integrieren den ID-Standard. Über hundert Unternehmen zählen zu den Partnern aus allen Segmenten.
„Die Post-Cookie-Ära verändert insbesondere das datengetriebene Targeting innerhalb des programmatischen Segments. Mittelfristig werden diejenigen Unternehmen profitieren, die über First-Party-Daten und alternative Identifier verfügen oder entsprechende Kooperationen eingegangen sind.“
Welche Leistungen der Publisher:innen sind bei Unternehmen besonders nachgefragt?
Rasmus Giese: Die wichtigsten Faktoren für Werbetreibende bleiben Reichweite, Targeting-Kompetenz und Qualität der Daten. Mit 38 Millionen aktiven Nutzerinnen und Nutzern gehört United Internet Media zu den größten Digitalvermarktern im DACH-Raum. Dank des Logins verfügen wir zudem über wertvolle First-Party-Beziehungen mit höchster Datenqualität. In Kombination mit eigener Technikkompetenz und mit über 300 Zielgruppenmerkmalen erreicht unser Targeting eine überdurchschnittliche Treffgenauigkeit. Gepaart mit wirksamen Ad-Formaten setzen wir bei der Kampagnenaussteuerung verstärkt auf Künstliche Intelligenz. Dabei nutzen wir gezielt Informationen, die sich aus dem Verhalten der Nutzer:innen ableiten lassen. Hochrechnungen auf große Zielgruppen werden dank KI noch besser und treffsicherer. KI wird ein immer wichtigerer Faktor für die digitale Vermarktung.
Auch beim Fokusthema Nachhaltigkeit kann United Internet Media punkten: Seit 2018 laufen die Rechenzentren von WEB.DE und GMX bereits ausschließlich mit Ökostrom. Unsere Nachhaltigkeitsmaßnahmen umfassen weitere Punkte wie Energieeffizienz in der Servernutzung, Wiederaufbereitung und Recycling elektronischer Endgeräte, aber auch soziale Verantwortung wie beispielsweise Diversity und Inklusion sowie nachhaltige Personalarbeit.
Welche Rolle spielen ID-Systeme wie netID angesichts des geplanten Endes der Third-Party-Cookies?
Rasmus Giese: Das Schwinden der Third Party Cookies wird mit dem Abschalten auf Chrome seinen finalen Höhepunkt Ende 2024 haben. Deshalb spielen alternative ID-Systeme eine zunehmend wichtige Rolle. Einer der vielversprechendsten Ansätze, die Addressability sicherzustellen, ist die ID-Lösung von netID. Die European netID Foundation erweitert laufend ihre technologischen Angebote. Das ständig wachsende Netzwerk liefert zudem mehr Möglichkeiten für vermarktungsübergreifende Kampagnen. Cases mit verschiedenen Partnern zeigen, dass netID bereits heute bei der Kontaktdosierung besser funktioniert als Third Party Cookies.
Alternative Lösungen auf Basis von First-Party-Daten und alternativen Identifiern sind da: Jetzt liegt es an den Werbekund:innen, Agenturen, Publisher:innen und Dienstleister:innen die Vorteile zu nutzen.