Digital Female Leadership: Wo stehen wir?
Wie steht es um Female Leadership? Beseitigen digitale Transformation und Corona den Frauenmangel in Führungspositionen von allein? Wir interviewen die erfolgreichen Female Digital Leaders Sigrid Dalberg-Krajewski und Tatjana Biallas.
Female Digital Leaders: Sichtbar, weil rar?
Betrachtet man die Zahlen des jüngsten Female Founders Monitor 2020 stellt man fest, dass die Geschlechterverteilung in Gründerteams der IKT-Branche relativ einseitig ausfällt:
Um die Diversität in Gründungsteams ist es also momentan nicht besonders gut bestellt. Männerteams dominieren vor allem den IT- und Deep-Tech-Bereich, während Gründungen von Frauen sich im Onlinehandel konzentrieren.
Doch es geht nicht nur um Gründerinnen. In der aktuellen Debatte um mehr Sichtbarkeit von Frauen werden zahlreiche Beispiele erfolgreicher Digital Female Leaders ins Licht der Öffentlichkeit gestellt und als inspirierende Positivbeispiele in Szene gesetzt. Zu Recht. Schließlich es geht darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Frauen in der Digitalbranche viel bewegen können, und darum, die junge Generation zu motivieren, sich für entsprechende Berufsfelder zu begeistern. Genau darauf zielen Veranstaltungen wie der von Tijen Onaran und dem Netzwerk Global Digital Women initiierte Digital Female Leader Award (DFLA) ab.
In unserer Wahrnehmung sind sie daher längst präsent, die weiblichen treibenden Köpfe in der Digitalbranche, ganz gleich, ob sie in Startups, der Medienbranche oder Konzernen tätig sind. Die Awareness ist hoch, die Anzahl Female Digital Leaders weiterhin gering.
Wie schätzen erfolgreiche Frauen in der Digitalwirtschaft die Situation aus ihrer Perspektive ein? Was wurde erreicht und wo soll der Weg hinführen? Diese Fragen haben wir Sigrid Dalberg-Krajewski, Director of Global Corporate Communications bei Delivery Hero, gestellt.
“What is evident for most industries still holds true for the digital economy: there is not enough diversity in terms of gender. We have a great opportunity to improve, especially when it comes to women in leadership. We should move towards a place where as a woman, or another minority, you’re no longer the ‘only’ in the room, but part of the norm.”
Werden es Digitalisierung und New Work schon richten?
Ist die Digitalisierung vielleicht selbst der Schlüssel zu mehr Gleichberechtigung? Die digitale Transformation verändert die Arbeitswelt grundlegend und nachhaltig. Bieten diese Veränderungen durch New Work und Arbeit 4.0 eine Chance für Frauen, Führungsrollen in der Digitalwirtschaft zu erobern und Digital Leader zu werden? Für Sigrid Dalberg-Krajewski eröffnet vor allem die Möglichkeit, ortsungebundenen und flexiblen Arbeitens bislang verbaute Horizonte:
“When you can offer more flexibility to plan your work/life balance, I believe that we will be able to secure more women in leadership positions. This needs to be complemented by a targeted effort of hiring more women across the scope, enhancing equitable systems, and growing inclusive behavior.”
Der Wandel in Arbeitsweisen und Arbeitskultur allein wird es also nicht richten. Es bedarf nach Dalberg-Krajewskis Erfahrung dennoch aktiver Anstrengungen zur Etablierung von Regularien und Verhaltensweisen, um Frauen den Zugang zu Führungspositionen zu erleichtern.
Auch für Tatjana Biallas, Managing Director International bei der gofeminin.de GmbH, ist es vor allem der Wandel in der Arbeitskultur, zuletzt verstärkt durch die besonderen Bedingungen und den Brennglas-Effekt der Corona-Pandemie, der jungen Frauen vermehrt die Möglichkeit bietet, private und professionelle Rollen gleichzeitig ausfüllen zu können:
“The last months have taught us that working from home can be very efficient and I am hoping that this understanding is going to lead more employers to support flexible working, which young women will benefit from as soon as they reach a certain point in their career where they do want to stay in their leadership position as well as manage their family and be a mum.”
In der Tat sind es vor allem ungenügende Vereinbarkeit von Job und Familie und ungünstige Arbeitszeiten zentrale Faktoren, die Frauen die Tür zu Führungsetagen in der ITK-Branche noch immer verbauen. Dies gab eine Befragung des Digitalverbands Bitkom in 504 ITK-Unternehmen 2019. Unseren Blick auf die ernüchternde Realität sollten also hervorgehobene Positivbeispiele, Veranstaltungen wie der Female Leadership Award und die medienwirksamen und inspirierenden Beispiele von weiblichen Führungsfiguren in der Digitalbranche nicht verschleiern.
Diversität und Gleichberechtigung in Führungspositionen herzustellen ist beileibe kein Selbstläufer und nicht mit einer Hauruck-Aktion zu erzwingen. Es gibt viel zu tun! Digital Female Leaders sind momentan, inmitten der digitalen Transformation, noch immer eine Rarität.
Welche Fähigkeiten braucht es, um sich als Female Digital Leader durchzusetzen?
Für Sigrid Dalberg-Krajewski ist es ein Zusammenspiel von Selbstvertrauen, natürlicher Neugierde und intrinsischer Motivation, die es bereits ab jungen Jahren braucht:
“Curiosity, an urge for adventure (leaving safe Stockholm behind), and not being afraid to get off the beaten path. So often women are expected to model a certain behavior or career/family trajectory. In my book, it’s more important to find your own way than to go with someone else’s.”
Tatjana Biallas spornten kritische Stimmen und Zweifler nur noch mehr an, an ihre Fähigkeiten und an ihre Ziele zu glauben:
“From a childhood age, I was tremendously interested in books and I have enjoyed performing on stage. Inspired by my dad, I also wanted to manage a business in media and publishing. Often, I was told that my dreams are too big, or I am too eager. These kinds of comments motivated me further and encouraged me to never give up on a dream.”
Alle in der Verantwortung: Was ist zu tun?
An welchen Stellschrauben können und sollten Unternehmen einerseits sowie Politik, Gesellschaft und jeder Einzelne andererseits drehen, um Frauen bessere Rahmenbedingungen zu bieten, ihren Weg in die Female-Leadership-Rolle zu finden? Für Sigrid Dalberg-Krajewski ist nicht etwa eine festgelegte Quote, sondern ein Wandel des Mindsets und eine entsprechend gelebte Arbeits- und Führungskultur entscheidend dafür, wie gut die Chancen für weibliche Nachwuchsführungskräfte stehen:
“At Delivery Hero, we continue to hire externally to bridge the gap for female leaders in tech and throughout the business, but just as importantly, we want to empower our female employees to grow within the business and take on more leadership as well. Providing an inclusive culture will help provide space for them to grow, but as a business we also need to provide them with opportunities as well. We want to have a very diverse set of leaders because we know that diversity makes for fairer, inclusive, and innovative workplaces.“
Entwicklungsmöglichkeiten anbieten, Raum bieten und gleichzeitig Diversität im Rahmen einer inklusiven Unternehmenskultur gezielt fördern – hier liegen die To-dos für Unternehmen. Geht es nach Tatjana Biallas, bleibt modernen Digitalunternehmen ohnehin keine andere Wahl, als Führungspositionen zunehmend mit Frauen zu besetzen. Für sie regelt es der Arbeitsmarkt durch Angebot und Nachfrage:
“If a company doesn’t enable women to hold leadership positions then I believe these firms will midterm be less attractive to other skilled women to even consider the company as an exciting employer and long term these firms will have a disadvantage when it comes to access to the best talent pools and therefore might fall behind their competitors.”
Wer also wettbewerbsfähig bleiben möchte, kommt mittel- und langfristig gar nicht umhin, fähigen Frauen auf allen Ebenen Entscheidungsbefugnisse und Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen. Nach einem Hilfeschrei in Richtung Politik, etwa in Form einer verbindlichen Frauenquote, klingt das nicht.
In der Verantwortung sind ebenso die Führungsriegen in Unternehmen: Da die Gleichstellung der Geschlechter im wirtschaftlichen Interesse der Unternehmen selbst liegt, müssen auch Führungskräfte in den Unternehmen die Themen Diversity und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen vorantreiben. Dies umfasst natürlich Aspekte wie:
- Flexible Arbeitszeitmodelle
- Jobsharing
- Leichtere Rückkehr nach Mutterschutz und Elternzeit
- Unterstützung bei der Kinderbetreuung
Die Politik kann und sollte natürlich dennoch tätig werden. Es gilt, die Bedingungen für Gründerinnen zu verbessern, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern und das Bildungssystem so umzustrukturieren, dass es Mädchen für Digitalisierung und IT begeistert und sie auf konkrete Berufswege vorbereitet.
Unternehmen haben keine Wahl: Ohne Female Digital Leaders geht es nicht
Braucht ein modernes Unternehmen Female Leaders, um die digitale Transformation auf der Gewinnerseite zu verlassen? Für Sigrid Dalberg-Krajewski stellt sich diese Frage überhaupt nicht.
“We should not have to defend diversity – it is good in its own right, makes for a higher business success, and mirrors our customer base. We need to have different perspectives at the table, because not only will it provide a better product to our consumers, it will also create a better environment for all our teams.”
Die Unternehmenskultur und -struktur sollte sich an den Bedürfnissen der Zielgruppe, der potenziellen Kundschaft orientieren. Daher ist es nur logisch, sämtliche in der Zielgruppe vertretenen Ansichten, Perspektiven und Bedürfnisse auch innerhalb des Unternehmens abzubilden. So divers die Lebensrealität deiner Kunden und die Zusammensetzung deiner Zielgruppe, so divers sollte auch dein Team zusammengesetzt und aufgebaut sein – auf jeder Ebene.
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