Warum Marken-Flagship-Stores überflüssig sind
Die meisten Brands verkaufen ihre Produkte in mittelmäßigen Webshops zum UVP. Wir zeigen warum das langfristig nicht funktionieren kann und eigentlich rausgeworfenes Geld ist.
Wenn Adidas bis zum Jahr 2020 vier Milliarden Euro Umsatz nur im Online-Handel erwirtschaften will und L’Oréal-Chef Jean-Paul Agon schon 2016 erklärte, dass E-Commerce nicht die Kirsche auf der Torte sei, sondern die Torte, dann wird auch anderen Markenherstellern der Mund wässrig. In Zeiten, in denen der Handel Brands entweder mit ruinösen Einkaufspreisen erpresst, Produkte schlecht präsentiert oder bei rückläufiger Flächenfrequenz ohnehin ums Überleben kämpft, sehen Marken im E-Commerce den direkten Weg zum Kunden. Von ihren Digital-Agenturen lassen sie sich großzügige Flagship-Stores bauen und investieren Zeit und Geld, um ihre internen Prozesse B2C-fähig zu machen – um kurze Zeit später feststellen zu müssen: So richtig lohnend ist das Direktgeschäft mit dem Kunden leider auch nicht.
Marcus Diekmann wundert das wenig. Der Gründer der Agentur Shopmacher alarmierte die Branche schon 2011 mit seinem Buch „E-Commerce lohnt sich nicht“. Anschließend wechselte er auf Kundenseite und entwickelte unter anderem für Matratzen Concord, den niederländischen Fahrradhersteller Accell und den Mittelständler Rose Bikes Digitalstrategien. Bei eigenen Projekten und als Beirat bei unterschiedlichen Herstellern und Händlern beobachtet er, dass seine These von 2011 immer noch gilt: Viele Marken wissen nicht, was sie im E-Commerce erwartet.
Der Wille ist da, aber die Kompetenz fehlt
„Wenn Hersteller eine eigene E-Commerce-Strategie umsetzen und über digitale Medien direkt an den Endkunden verkaufen wollen, müssen sie vorab sehr genau ihre Fähigkeiten überprüfen“, sagt er. Der Wille online zu verkaufen, sei inzwischen vorhanden. Doch die Skills, also das, was notwendig ist, um im Direktvertrieb erfolgreich zu sein, sei den meisten Herstellern noch immer nicht klar. Seiner Definition nach gibt es zwei Stufen von “Killerfaktoren”, die für einen erfolgreichen digitalen Direktvertrieb notwendig sind. Und nur wer Stufe I schafft, muss sich überhaupt Gedanken über Stufe II machen.
Killerfaktoren Stufe I:
- Beste Produktpolitik
- Beste Preispolitik
- Beste Reichweite
- Beste Innovationsbereitschaft
Killerfaktoren Stufe II:
- Beste Services (Customer Care, Zahlarten, Lieferkonditionen, Lieferzeiten, Umtauschrecht)
- Beste Features (beste UX, digitale Beratung, beste Suche, beste Filter, beste Konfiguratoren)
- Beste Organisation (Prozesse, Mitarbeiter)
- Flexibilität (Fehlerkultur = test, learn, build bigger)
Nur wenn Hersteller sich in Sachen Will & Skill richtig einschätzen und realistische Antworten auf den Markt haben, ergibt das digitale Direktgeschäft Sinn. Gescheitert ist man schnell. Zum Beispiel, wenn ein anderer Online-Player die Produkte des Herstellers über die eigenen Plattformen zu günstigeren Preisen und mit besserem Service bietet. „Hier entscheiden schon drei bis fünf Prozent Preisdifferenz über Erfolg oder Misserfolg“, sagt Diekmann.Trotzdem glauben viele Hersteller noch immer, dass sie allein aufgrund ihres Namens Produkte zum UVP anbieten und damit erfolgreich werden könnten.
Instagram ersetzt den Online-Flagshipstore
Ein typisches Missverständnis ist, dass Kunden von Marken ein komplettes Online-Sortiment erwarten. Für Diekmann ist das wenig relevant: „Wenn die genannten Killerfaktoren nicht erfüllt sind, ist ein solcher Online-Shop eher ein Marketing-Schaufenster mit Kauffunktion als Kundenservice und keine echte E-Commerce-Strategie“, sagt er. Das sei zwar auch eine legitime Strategie, man dürfe dann nur nicht mit relevanten Vertriebserlösen rechnen. Als Inspirationsquelle seien Webshops ohnehin nicht mehr so gefragt. Diese Rolle übernehmen mehr und mehr Plattformen wie Instagram, Facebook, YouTube oder Pinterest.
Statt in E-Commerce-Kanäle sollten Hersteller lieber wieder in Marktmacht investieren und zur Must-Have-Brand werden, die die Spielregeln gegenüber den meisten Händlern diktiert – und sie nicht von den Händlern diktiert bekommt. Wie das geht, zeigte Intel bereits vor vielen Jahren. Durch massive Investitionen in Push-Marketing direkt an den Endverbraucher ist Intel mit „Intel inside“ zu einer so bedeutenden Marke geworden, dass Händler sie einbauen mussten, ob sie wollten oder nicht.
Lieber die Händler digital unterstützen als selbst digital verkaufen
Zeitgleich müssen Marken, die langfristig erfolgreich sein wollen, in digitale Prozesse investieren. Noch immer fehlt es an gut aufbereiteten Produktdaten und an gutem Content für digitale Handelspartner. Auch die Produktverfügbarkeiten müssen sich ändern. „Schluss mit Pre-Order“, fordert Diekmann. Hersteller müssten den Handel just in time beliefern und daher massiv in Verfügbarkeiten investieren. „Das ist wie bei Apotheken. Die haben auch nur ein gewisses Sortiment vorrätig – aber alles andere ist durch die gute Logistik der Großhändler und Hersteller am selben Tag beim Kunden.“ Auch Drop-Shipment-Prozesse helfen den Händlern, Endverbraucher schneller beliefern zu können.
„Die Vision der Hersteller muss sein, der beste Unterstützer der Händler in allen digitalen Themen zu werden“
„Die Vision der Hersteller muss sein, der beste Unterstützer der Händler in allen digitalen Themen zu werden“, sagt Diekmann. Als kleinen Nebeneffekt rüste man sich so auch selber für das Direktgeschäft auf – und könne bei Bedarf den Schalter umlegen, wenn beispielsweise immer mehr Handelspartner wegbrechen.
Fazit:
Ein Online-Flagship-Store ist für Markenhersteller kein Muss. Erfolgreich wird er nur, wenn die Brands beste Produkte zu besten Preisen verkaufen und gleichzeitig eine hohe Reichweite und eine hohe Investitionsbereitschaft mitbringen. Andernfalls sollten sich Brands darauf fokussieren, zum Enabler ihrer Händler zu werden.