Kundenzentrierung und Innovation: Design-Thinking-Beispiele
In Teil 3 unserer Serie beleuchten wir anhand der zwei Design-Thinking-Beispiele von Bosch und Airbnb, wie wandelbar und vielseitig der Kreativansatz für verschiedene Problemstellungen von Unternehmen in gegensätzlichen Ausgangslagen ist.
Was macht Design Thinking attraktiv?
Mal anders denken, anders arbeiten – Attribute, die man meist mit jungen und dynamischen Start-ups in Verbindung bringt. Doch weit gefehlt! Der Kreativansatz Design Thinking hat sich mit seinem flexiblen Framework längst für etablierte Unternehmen und Konzerne als erfolgreiches Modell zur Innovationsfindung erwiesen.
Für Außenstehende mag es kurios und sogar befremdlich wirken, wenn Mitarbeiter angestaubter Großkonzerne oder Versicherungsbetriebe beginnen, mit Legosteinen zu spielen oder Wände mit bunten Post-its zu tapezieren. Design Thinking ist aber längst in den Chefetagen alteingesessener Unternehmen angekommen und hat seine Berechtigung unter Beweis gestellt.
Die Liste namhafter Unternehmen, die stolz von Erfolgen mit Design Thinking berichten, umfasst unter anderem Bayer, BMW, SAP, Ergo, Continental, Otto, Nord LB, Swisscom, Deutsche Bank, Volkswagen, Deutsche Bahn, Siemens, Pinterest und P&G.
Die Gründe für die breite Akzeptanz des Design-Thinking-Ansatzes liegen in seinen Vorteilen selbst:
- Innovationskraft: Viele Unternehmen sehen sich unter Zugzwang, kreative und ausgefallene Lösungen zu entwickeln, um die Kundeninteressen in den Mittelpunkt der Produktentwicklung zu rücken. Genau dort setzt Design Thinking an.
- Geschwindigkeit: Der Ansatz lässt sich mit einem bunten Strauß frischer und agiler Methoden umsetzen, die dazu beitragen, jungen, dynamischen Start-ups in puncto Innovationspotenzial und -geschwindigkeit das Wasser reichen zu können.
- Flexibilität: Anders als agile Methoden bietet Design Thinking ein flexibles Framework, das mit einer Fülle unterschiedlicher Methoden für verschiedene Einsatzzwecke bestückt werden kann.
Zwei Welten: Design-Thinking-Beispiele Bosch und Airbnb
Mit Bosch und Airbnb stellen wir zwei Design-Thinking-Beispiele von Unternehmen vor, deren Ausgangslage unterschiedlicher nicht sein könnte. Einerseits der in die Jahre gekommene Gigant Bosch, der erkannt hat, dass User Experience im Mittelpunkt allen Handelns stehen sollte, und andererseits das Start-up, das zu scheitern drohte, bis es Coding und Datenorientierung zugunsten der Kundenzentrierung zurückstellte.
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Zukunftsweisender Innovationsdruck: Design Thinking am Beispiel Bosch
Was Großkonzerne dazu bewegt, sich mit dem Thema Design Thinking auseinanderzusetzen, veranschaulicht exemplarisch folgendes Zitat von Uwe Raschke, Geschäftsführer von Bosch, aus dem Jahr 2018:
„Vor fünf Jahren haben wir uns überlegt, dass wir viel stärker als in der Vergangenheit den Verwender in die Entwicklungsarbeit für unsere innovativen Produkte einbinden müssen. Und so haben wir eine Aktivität gegründet, die sich User Experience nennt. Und Design Thinking ist eine grundlegende Methode für User Experience.“
Aus diesem Zitat lässt sich Folgendes schließen:
- Die Einführung der vermeintlichen „Methode für User Experience“, Design Thinking, geschah in der Produktentwicklung bei Bosch wohl aus der reinen Notwendigkeit heraus, den Nutzerinteressen in höherem Maße als bisher gerecht werden zu müssen, um keine Kunden an die Konkurrenz zu verlieren.
- Die Einführung des Kreativansatzes erfolgte nicht organisch aus dem Eigeninteresse verschiedener an der Produktentwicklung und dem Vertrieb beteiligter Mitarbeiter, sondern wurde als separate Aktivität eingerichtet, als eine Art eigene Abteilung.
Was macht die Faszination von Design Thinking für Bosch aus?
- Innovation: Die Zusammenarbeit möglichst unterschiedlicher Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen (beispielsweise ein Ingenieur, ein Marketing-Mitarbeiter, jemand aus dem Controlling, ein Designer, ein Psychologe) führt zu innovativeren Lösungen als die Zusammenarbeit von Mitarbeitern gleicher oder ähnlicher Ausrichtung.
- Kostenersparnis: Das Prototyping und Ausspielen an den Kunden als nicht vollständig fertig entwickeltes Produkt dienen dem Ziel, ihn in die Weiterentwicklung direkt einzubeziehen. Das spart Zeit und Geld für die Veröffentlichung und nachträgliche Korrektur unpassender Produkte.
- Neue Arbeitswelten: Zusammenarbeit und kreative Arbeit bedarf anderer Raumkonzepte und Rollenkonzepte, als sie traditionelle Betriebe vorsehen. Dies erfordert und bedingt letztlich auch die Auflösung von bestehenden Hierarchien.
Diese drei Punkte entsprechen genau den drei gleichwertigen Grundprinzipien, auf denen der Ansatz Design Thinking aufbaut:
- Team
- Prozess
- Raum
Design-Thinking-Beispiel Bosch: Begeisterung pur
Die Resultate, die Bosch mit Design Thinking erzielt hat, sind laut Raschke derartig überzeugend, dass noch mehr cross-funktionale Organisationsformen gestaltet werden. Die Akzeptanz stößt auf einhellige Zustimmung. Neubauten des Konzerns werden so errichtet, dass sie den Bedürfnissen der Zusammenarbeit flexibel zusammengesetzter Teams bestmöglich entsprechen.
Bosch zäumte das Pferd im Grunde von hinten auf: Eher in Form einer traditionellen Abteilung eingeführt, erwies sich Design Thinking binnen kürzester Zeit als so erfolgreiches Arbeitsmodell, dass es inzwischen nicht nur die Arbeitsphilosophie gänzlich durchdringt, sondern sogar die Architektur von Konzerngebäuden definiert.
Start-up, Einhorn, Global Player: Angewandtes Design Thinking am Beispiel Airbnb
2008 als kleiner Community-Marktplatz im Silicon Valley gegründet, war Airbnb noch kaum jemandem ein Begriff. Heute gibt es wohl weltweit fast niemanden, der noch nicht von der Plattform gehört hat, die rund um den Globus das Hotelgewerbe vor immense Herausforderungen stellt. Inzwischen in über 220 Ländern aktiv, mauserte sich Airbnb schnell zum Global Player, der heute als Unternehmen der Sharing Economy weiter vom Nachhaltigkeitstrend profitiert. Vor COVID-19 wurde Airbnb am Sekundärmarkt mit 35 bis 52 Milliarden Dollar bewertet, für 2020 war der Börsengang geplant.
Warum bucht hier keiner? Kundenperspektive als Schlüssel
Mitgründer Joe Gebbia gibt in einem Video von FirstRoundCapital spannende Einblicke, wie er mithilfe von Design Thinking Airbnb von einem zum Scheitern verurteilten Start-up zum Milliarden-Unternehmen transformierte.
Schlüssel zur Lösung des Problems sinkender Buchungszahlen war die radikale und unvoreingenommene Sicht aus der Kundenperspektive. Sie ließ das dreiköpfige Gründerteam erkennen, wo dringendster Verbesserungsbedarf auf ihrem Portal bestand: Die Fotoqualität der zur Buchung angebotenen Apartments und Unterkünfte war zu schlecht, als dass Kunden sich davon überzeugen ließen. Natürlich will jeder Kunde zunächst sehen, was er für sein Geld bekommt.
Konsequentes Wachstum mit konsequentem Einsatz von Design Thinking
Ohne vorher Berechnungen und Kosten-Nutzen-Prognosen zu erstellen, schritt das Team im Alleingang zur Tat, besuchte Anbieter und fertigte selbst hochwertige Fotos der Apartments an. Dies erforderte Mut, Investitionen und die Bereitschaft, von rein datenbasierter Analyse abzurücken, Berührungsängste abzulegen und ein echtes Verständnis für die Zielgruppe und ihre Bedürfnisse zu entwickeln.
Der Erfolg stellte sich unmittelbar nach dem Hochladen der besseren Fotos ein: Die Entwicklung der Buchungsanzahl kannte ab diesem Zeitpunkt nur noch eine Richtung – steil nach oben.
Design Thinking ist bei Airbnb inzwischen allgegenwärtig und äußert sich in einigen typischen Methoden:
- Kundenperspektive einnehmen: Jeder neue Mitarbeiter muss zunächst eine über das Portal gebuchte Reise antreten und von seinen Erfahrungen berichten.
- Einhalten der Design-Thinking-Phasen: Neue Entwicklungsprozesse starten allein mit einer kreativen Hypothese, während Daten und Machbarkeitsstudien zunächst keine Rolle spielen.
- Prototyping und Testing: Neue Features werden in erster Linie als Prototypen an bestimmten Stellen der Site getestet. Auf Grundlage von Kunden-Feedback werden sie optimiert, bevor sie auf die gesamte Plattform ausgeweitet werden.
Wegweiser radikale Kundenzentrierung: Design-Thinking-Beispiel für Start-ups
In der Ausgangslage von Airbnb zum Zeitpunkt der Einführung von Design Thinking fanden sich zahlreiche Start-ups wieder. Sie verfügten über ein gutes, sauber codiertes Produkt, berechneten und analysierten sämtliche performancerelevanten Parameter und KPIs, doch der Erfolg blieb dennoch aus. Warum? Weil das Produkt das erste zentrale Bedürfnis der Zielgruppe, nämlich eine Unterkunft anhand von Bildern auszusuchen, nicht erfüllen konnte.
Es handelte sich also um ein reines Content-Problem. Dieses zu erkennen erforderte einen Blick über den Tellerrand des Programmierer- und Entwicklerhorizonts hinaus und die radikale Einnahme der Kundenperspektive. Resultat: Eine Erfolgsgeschichte, die Schule machte. Die Anwendung vieler typischer Schritte des iterativen Design-Thinking-Prozesses ist inzwischen in die DNA der meisten Start-ups übergegangen, ohne dass diese sich dessen bewusst wären.
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