Die KI in der Medizin wird persönlich
Eine DMEXCO Kolumne von Thilo Kölzer, COO DocCheck AG, über KI in der Medizin, Artificial Patients und Digital Twins.

KI in der Medizin – Artificial Patients und Digital Twins
Medizin ohne Big Data im Zusammenspiel mit Künstlicher Intelligenz wird es zukünftig nicht mehr geben. Und das ist eine gute Entwicklung!
Denn der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) sieht in KI in der Medizin die Chance, Krankheiten immer besser zu verstehen und immer wirksamere Therapien zu entwickeln. Heutzutage vergehen von der Idee bis zur Zulassung eines Medikaments rund 13 Jahre – im KI-Zeitalter ein undenkbarer Zeitraum! Diese Zeitspanne wird sich mithilfe von KI in der Medizin in Zukunft deutlich verkürzen. Und von präziseren Diagnosen bis hin zu personalisierten Therapieplänen werden Ärzt:innen wie Patient:innen auch in den Folgeschritten der medizinischen Behandlung enorm von KI-basierten Technologien profitieren.
KI in der Medizin beschleunigt den Fortschritt
Die Herstellung und Vermarktung von Arzneimitteln hat in jeder Phase auch mit dem Management von Informationen zu tun, denn jeden Tag erscheinen 8.000 bis 10.000 neue wissenschaftliche Publikationen. Diese vielen Daten, zum Beispiel in Form von Anwendungsstudien, müssen natürlich erst einmal verarbeitet werden. Das Auffinden der relevanten Data Snippets und deren Interpretation sind die zentralen Herausforderungen. Schließlich müssen die relevanten Erkenntnisse erkannt und didaktisch so reduziert werden, dass Dritte sie verstehen, nachvollziehen und Schlüsse daraus ziehen können.
Eine Menge Arbeit für den Menschen – aber der perfekte Anwendungsbereich für KI in der Medizin. Oder kurz: Künstliche Intelligenz bildet die Grundlage für die Gesundheitslösungen der Zukunft.
Datenvisualisierung durch KI-Patient:innen und Digital Twins
Was in der Wissenschaft, den Millionen Datenpunkten und umfangreichen Auswertungen häufig untergeht: dass diese Daten von echten Menschen erzeugt werden – nämlich von Patient:innen!
Was liegt da näher, als sie durch Menschen zu visualisieren? Und auch an dieser Stelle kommt die KI ins „Health Game“.

Die erzeugten Patient:innendaten sind echt und spiegeln die medizinische Realität wider, jedoch stehen die betroffenen Personen nicht immer für die Visualisierung zur Verfügung.
Wie wäre es also, künstliche Menschen – oder besser: Menschenmodelle – mithilfe von KI zu erzeugen und zu visualisieren, die auf echten Daten basieren und so die Realität eins zu eins widerspiegeln?
POV: Von einer seltenen Erkrankung X sind in Deutschland nur 5.000 Menschen betroffen. Nur 40 Prozent dieser Gruppe sind bislang identifiziert. Die Symptome der seltenen Erkrankung sind: leerer Blick, Gewichtsabnahme, bestimmte Veränderungen der Gesichtsform und -proportionen.
Um andere Menschen, zum Beispiel potenzielle Betroffene, auf die Erkrankung aufmerksam zu machen, wäre es sinnvoll, die bereits Erkrankten zu Wort kommen zu lassen und die Veränderungen am Menschen anschaulich sichtbar zu machen.
Der Haken daran: Aufgrund der geringen Zahl an Betroffenen wird es schwer oder sogar unmöglich sein, jemanden zu finden, auf den die Symptomatik zutrifft UND der bereit ist, sich zu äußern und vor eine Kamera zu stellen. Darüber hinaus ist es bei vielen Erkrankungen sinnvoll, sie im Zeitablauf zu betrachten, um Entwicklungen erkennen zu können oder zu beurteilen, ob eine Behandlung in einem bestimmten Zeitraum wirkt und die Symptome oder den Krankheitsverlauf lindert.
All das ist mit Menschen fast nicht zu realisieren – auch der logistische Aufwand, eine Person im Alltag und über mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg zu beobachten, übersteigt jedes Budget.
Wie kann KI in der Medizin sinnvoll helfen?
Von den real identifizierten Patient:innen liegen zigtausende Datenpunkte zur Erkrankung X vor – also Big Data. Auf Basis dieser authentischen Datenpunkte können per KI nun Bilder und Videos von Personen entwickelt werden, die zwar so aussehen, wie Betroffene der Erkrankung X aussehen müssten, in der Realität aber nicht existent sind oder zur Verfügung stehen.
KI schafft in der Medizin Sichtbarkeit für seltene Erkrankungen
Für Patient:innen ist es wichtig zu sehen und zu erkennen, ob sie zum Risikopersonenkreis gehören oder ob sie die Erkrankung schon haben könnten.
KI-Patient:innenbilder helfen so, Sichtbarkeit und Awareness für seltene Erkrankungen zu schaffen und daraus resultierend die Chancen in der Früherkennung zu verbessern.
Es gibt weitere Einsatzgebiete, in denen generative KI in der Medizin sinnvoll ist, zum Beispiel in der Dermatologie.
KI in der Dermatologie: Krankheitsverläufe besser darstellen
Sichtbare Veränderungen der Haut lassen sich durch KI sehr gut visualisieren. Auch Behandlungserfolge nach zwei, vier oder sechs Wochen lassen sich gut demonstrieren. Rosazea und Akne beispielsweise sind zwei Hauterkrankungen, die sich über viele Jahre hinziehen, unterschiedlich starke Ausprägungen haben und sich in ganz verschiedene Richtungen entwickeln können.
Mithilfe von KI lassen sich beide Erkrankungen sehr gut auf der virtuellen Haut simulieren – Veränderungen des Haut- und Erscheinungsbildes, und seien es nur Nuancen, lassen sich so realitätsgetreu darstellen.

KI in der Medizin für Schulung und Patientenaufklärung
Derartige Darstellungen am fiktiven Menschen sind nicht nur zur Aufklärung der Patient:innen, sondern auch zum Training von Fachpersonal geeignet, beispielsweise in Apotheken.
Bildgenerative KI ermöglicht es damit, in verschiedenen medizinischen Bereichen vorliegende Daten und Informationen effizient in authentische Krankheitsdarstellungen zu überführen.
KI-visualisierte Patient:innen- und Krankheitsbilder werden dabei helfen, die Behandlung Betroffener zu verbessern. Die Zukunft der Gesundheitsversorgung wird maßgeblich durch KI in der Medizin geprägt – von schnelleren Diagnosen über personalisierte Therapien bis zu innovativen Visualisierungsmöglichkeiten, die Patient:innen und Fachpersonal gleichermaßen unterstützen.
Lesetipp: Die Zukunft der Medizin ist individuell
Personalisierung in der Medizin betrifft nicht nur Therapien, sondern auch die Kommunikation. In einer weiteren DMEXCO Kolumne erklärt Thilo Kölzer, COO der DocCheck AG, warum maßgeschneiderte Ansätze, wie die CAR-T-Zell-Therapie, eine gezielte Ansprache erfordern.