KI bei der Arbeit: automatisierte Anzeigenplatzierung mit Programmatic Advertising

Digital Advertising wird immer programmatischer. KI liefert im Programmatic Advertising die Daten, die es ermöglichen, jedem User zum passenden Zeitpunkt den passenden Inhalt zu präsentieren. Ist klassische Mediaplanung bald obsolet?

Von KI mit solider Datenbasis ausgestattet, werden die Ads mit Programmatic Advertising automatisch in Echtzeit ausgespielt.
Bild: © nd3000 / Adobe Stock

Betreten wir mit Programmatic Advertising Neuland?

Seit rund zehn Jahren geistert Programmatic Advertising nun schon als Trendbegriff durch die Online-Marketing-Welt in Deutschland. Eine klare Vorstellung vom grundlegenden Konzept des automatisierten Handels mit Werbeplätzen hat so mancher Marketer hierzulande allerdings noch immer nicht – und nicht jeder erfasst das gesamte Potenzial, das die Methode zur Optimierung von Online-Marketing-Kampagnen, sowohl im B2C- als auch im B2B-Umfeld, birgt.

Doch der Trend geht klar hin zur programmatischen Anzeigenplatzierung: Im Jahr 2019 wurden 65 Prozent der Ausgaben für Online-Display-Werbung und fast 50 Prozent der Werbeausgaben in Deutschland insgesamt im Rahmen programmatischer Kampagnen getätigt. Bis zum kommenden Jahr soll der Anteil auf 84,3 Prozent steigen. Damit ist Programmatic Advertising das am stärksten wachsende Segment im Display-Advertising-Markt und beschreibt einen kometenhaften Aufstieg.

Von der seit langer Zeit boomenden Beliebtheit von Programmatic Advertising in den USA profitierten vor allem die Duopolisten Facebook und Google. Die beiden Big Player verfügen über die Datenbasis und stellen die Instrumente, um zielgruppenspezifische Werbung auszuspielen. Wer also über Facebook oder die Werbedienste von Google Ads schaltet, profitiert bereits indirekt von der treibenden Kraft dahinter, der KI.

Wie funktioniert Programmatic Advertising?

Das Konzept hinter der Methode ist leicht nachvollziehbar: Über Plattformen werden Werbeflächen automatisch eingekauft und in einem Aktionsverfahren verkauft. Marketer und Werbetreibende bilden dabei die Demand-Side, die über Echtzeitgebotsverfahren (Real Time Bidding – RTB) Werbeflächen ersteigert. Diese werden von der Sell-Side, also Anbietern von Online-Werbeflächen, zur Verfügung gestellt. Das automatisierte Echtzeitauktionsverfahren von Werbeflächen über Programmatic Advertising ersetzt zunehmend den herkömmlichen, manuellen Einkauf eines spezifischen Werbeplatzes auf einer bestimmten Website.

Warum Programmatic Advertising unaufhaltsam auf dem Vormarsch ist, liegt auf der Hand: Der Einkauf einer individualisierten Werbefläche und die Ausspielung des auf das persönliche Besucherprofil abgestimmten Werbeinhalts geschieht über das Gebotsverfahren in Echtzeit. Der Abgleich, ob es sich beim Websitebesucher um eine zielgruppenrelevante Person handelt, die Versteigerung des Werbeplatzes an den Höchstbietenden und die Ausspielung der Ad geschehen völlig automatisch, während der Browser die Website lädt.

Langwierige Auswahl-, Verhandlungs- und Kaufprozesse entfallen völlig. Sämtliche Marketingaufgaben, die sich mit Planung und Ausspielung von Werbeinhalten befassen, sind in die PA-Technologie integriert. Für das RTB legen Werbetreibende vorab ein Budget fest und geben an, wie oft der Inhalt am Tag ausgespielt werden soll.

Programmatische Online-Werbung bietet Werbetreibenden also eine ganze Reihe an Vorteilen:

  • Automatisierte Prozesse helfen, Investitionen effizient zu tätigen.
  • Kosten werden durch Gebotsverfahren niedrig gehalten.
  • Streuverlust ist durch datengestütztes Targeting minimal.
  • Anzeigenkauf erfolgt automatisch und ohne Zeitaufwand.
  • Reichweite ist über Werbenetzwerke weltweit immens.
  • Performance der Kampagnen ist in Echtzeit einsehbar.

Wie stützt die KI das Programmatic Advertising?

Doch welche Rolle spielt dabei KI? Künstliche Intelligenz sorgt dafür, dass mit dieser Methode des Ausspielens die gewünschte Zielgruppe erreicht wird – und dies so treffsicher, wie es selbst mit der fundiertesten Zielgruppenanalyse niemals möglich wäre. Die Programmatic-Advertising-Algorithmen arbeiten selbstverständlich umso intensiver, je mehr Nutzerdaten ihnen zur Verfügung stehen. Um die Zielgruppe mit kreativen Werbeinhalten wirklich abzuholen, bedarf es unglaublicher Datenmengen.

Ob Target Group oder einzelne Individuen im Rahmen des Retargeting – damit deine Ads an die Personen ausgespielt werden, die du erreichen möchtest, liefert die KI die Daten, die du benötigst, um zu wissen, wie und wo du diese Personen erreichen kannst. Dieser Datenbasis bedient sich auch das Programmatic System, um im Real Time Bidding das Gebot auf die passende Plattform abzugeben und so letztendlich den geeigneten Ort zum Ausspielen der Ad zu ersteigern. Ohne KI keine zielgerichtete Anzeigenplatzierung, keine zielgruppenorientierte Positionierung, hohe Streuverluste und Mehrausgaben.

Hoch entwickelte und sich stetig verbessernde Algorithmen nutzen die komplexen Datensätze, um eine Vorhersage über die Konversionsrate oder die CTR zu treffen. Diesen Vorhersagewert übersetzt ein Gebotsalgorithmus wiederum in einen konkreten Gebotspreis für eine bestimmte Werbefläche oder einen Anzeigenplatz. Der Abgleich der Gebote verschiedener Interessenten auf eine Werbefläche und die Ausspielung der Werbung des Aktionsgewinners geschehen in Echtzeit binnen 100 Millisekunden, während die Website für den Besucher lädt.

Wie effektiv ist Programmatic Advertising und welcher Daten bedient es sich?

Das programmatische Advertising-System bedient sich fünf verschiedener Datentypen. Das grundsätzliche Ziel ist es, Kampagnen optimal zu steuern und im Prozess bei Bedarf optimieren zu können, um die Lead- und Conversion-Rate signifikant zu steigern. Bei diesen Daten handelt es sich um:

  • Consumer Data: Demo-, sozio- und psychografische Daten, Browser-Cookies, die Aussagen über Käufe, Warenkorbinhalte, Websitebesuche und die Art der Weiterleitung des Users auf die Website geben
  • Contextual Data: Tageszeit zum Nutzungszeitpunkt, geografische Position des Users, Wetterlage vor Ort, um der Situation entsprechende Inhalte anzuzeigen
  • Creative Data: Vorlieben und Vorstellungen des Users, erkennbar z. B. an Designs, auf die der User bevorzugt reagiert, um ihn mit angepassten Layouts und Inhalten zu erreichen
  • Campaign Data: KPIs, die Aufschluss über die Resultate einer Kampagne geben, etwa Sichtbarkeit, Impressionen, CTR, Conversion-Rate, Übereinstimmung von Consumer und Contextual Data zur Ausspielungsrate von Inhalten
  • Cost Data: Ausgaben pro Werbekontakt, Zusammenfassung der Kosten für Daten, Programmatic System, Gebote, Ausspielung und Reporting, um die Gesamtheit aller Kostenträger zu erfassen

Die Daten, mit denen Programmatic Advertising operiert, stammen also nur teilweise aus einer Analyse persönlicher Kundendaten. Um ein umfassendes Verständnis sowohl des Verhaltens der Zielgruppe als auch der Kostentreiber der Kampagne zu erhalten, akkumuliert die Technologie selbst permanent Daten. So können gegebenenfalls auch während einer Kampagne Maßnahmen zur Optimierung ergriffen werden.

Die KI lernt stetig dazu, indem Sie Vorhersagemodelle und Wahrscheinlichkeitsberechnungen mit den tatsächlichen Ergebnissen der Einzelereignisse und Kampagnen abgleicht. Zukünftige Vorhersagen passt das System entsprechend an, sodass die Predictions und Ausspielgenauigkeit der Ads immer genauer und treffsicherer werden. Personalisiertes Dynamic Advertising wird so letztlich möglich: Durch Programmatic erhältst du genaue Vorhersagen, welchen Nutzer du mit welcher Botschaft in welchem Design über welchen Kanal zu welcher Zeit ideal erreichst.

Auch bezüglich der Gebotsabgabe im RTB kommt der KI eine zentrale Rolle zu: Der Gebotsalgorithmus bedient sich nicht nur des Vorhersagewertes, sondern bezieht eine Reihe von Faktoren ein, etwa Kampagnendauer, Kampagnentaktung, Statistik vorangegangener Gebote, Kostendaten oder Auktionsformat. Die KI berücksichtigt dabei stetig in Echtzeit eine Unmenge verschiedenster Daten und Informationen und ist so in der Lage, unmittelbar auf jedwede Marktveränderung zu reagieren. Die KI operiert proaktiv, systematisch und adaptiv.

Droht das Ende der klassischen Mediaplanung?

Ist angesichts des Tempos, der Datenverarbeitungskapazität und der Automatisierung durch Programmatic Advertising die klassische Mediaplanung passé und der Digitalisierung anheimgefallen? Ja, gewaltige Aufgabenbereiche wird die KI vollständig übernehmen:

Die oft liebevoll skizzierten, doch hypothetischen Personas könnten zunehmend harten Zahlen und messbaren Fakten weichen, da diese tiefe und treffsichere Erkenntnisse darüber liefern, wer jeder einzelne User tatsächlich ist und wie er sich im Detail verhält. Auch wenn dieser Wandel nicht als radikaler Schnitt zu verstehen ist: Programmatic Advertising zu praktizieren, bedeutet gleichzeitig, so manche lieb gewonnene Marketing-Praktiken, Annahmen und Theorien über Zielgruppe und Nutzerverhalten über Bord zu werfen.

Administrative und analytische Prozesse, die keine kreative Leistung erfordern, kosteten Mediaplaner bislang viel Zeit. Durch die KI lassen sie sich vollständig automatisieren. Die Vision ist also zunächst, nur strategische, administrative und wiederkehrende Prozesse der KI zu überlassen, während Marketern mehr Raum bleibt und fundiertere Informationsgrundlagen vorliegen, um kreative und hochwertige Inhalte zu entwickeln.

Ist Programmatic Advertising dem Untergang geweiht, bevor es überhaupt richtig begann?

Seit dem 25. Mai 2018 sind die Bestimmungen der DSGVO von allen EU-Staaten verbindlich anzuwenden. Vor dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung wurden von vielen Seiten düstere Szenarien heraufbeschworen: Das vollständige Ende für KI in sämtlichen Marketingaktivitäten drohe. Ein technologisches Armageddon, das das Digital Advertising zurück in die Steinzeit katapultieren würde. Es kam anders – zum Glück.

Die DSGVO versetzte dem Programmatic-Markt nicht etwa den Todesstoß, sondern sorgte dafür, dass er zunehmend an Transparenz gewann – eine durchwegs positive Tendenz. Die Nutzerzahlen und Unternehmensinvestitionen zeigen, dass vor allem seit dem Jahr 2018 das Vertrauen in die KI-gestützte Werbemethode bis zum heutigen Tag schnell gewachsen ist und auch zuvor zweifelnde Unternehmen Programmatic Advertising vermehrt als zentrales Marketinginstrument installieren und annehmen.

Doch kaum hat das Datenschutz-Grundverordnungs-Gespenst seinen Schrecken verloren, droht neues Unheil: Die E-Privacy-Verordnung würde in ihrer jetzigen Form nicht nur negative Auswirkungen auf die User Experience im Internet mit sich bringen, sondern auch eine veritable Gefahr für KI-gestütztes Programmatic Advertising darstellen. Der Tod der Cookies wird prophezeit.

Seit dem Urteil des EuGH im Oktober 2019 ist klar, dass das Setzen von Cookies zunächst einer aktiven und freiwilligen Zustimmung des Nutzers bedarf. Persönlichkeitsprofilbasierte Online-Werbung ist damit bis zur Einwilligung oder dem Widerspruch des Users verboten. Für Programmatic Advertising, das auf Grundlage genau dieser Daten aufbaut, eine zentrale Frage. Im Moment ist die genaue Rechtslage allerdings in vielen Punkten noch immer schwammig, wenn nicht sogar völlig unklar. Weiterhin ohne Einwilligung erlaubt sind beispielsweise Cookies für Warenkorb, Login-Daten und Spracheinstellungen.

Bereits jetzt ist die Verwendung von Cookies allerdings eingeschränkt: Der Browser Firefox blockierte als zweiter Browser nach Safari Third-Party-Cookies vollständig. Schon bei etwa der Hälfte aller Nutzer sind heute Third-Party-Cookies nicht mehr anwendbar. Experten gehen künftig von bis zu 85 Prozent Cookie-freiem Traffic aus. An diese User wäre nur noch ein blindes Ausspielen von Werbeinhalten möglich. Viele Geschäftsmodelle, auf denen KI-gestütztes Programmatic Advertising beruht, sind von dieser Horrorvision betroffen:

  • Retargeting
  • Demand Side Platforms (DSP)
  • Sell Side Platforms (SSP)
  • Data Management Platforms (DMP)
  • Customer-Journey-Auswertungen
  • Frequency Cappings (legen fest, wie oft einem Nutzer eine bestimmte Werbung maximal angezeigt werden darf)

Schlimmstenfalls droht die Rückkehr zum Cost-per-Click-Modell. Es bleibt jedoch abzuwarten, in welcher Form und wann die E-Privacy-Verordnung letztendlich greifen wird.

Beim Entwurf und Beschluss neuer Datenschutzregeln sollte nie aus dem Blickfeld geraden, dass Programmatic Advertising einen entscheidenden Beitrag für eine positive User Experience im Netz leistet: Nutzer bekommen vermehrt für sie individuell jeweils relevante Anzeigen und Werbeinhalte ausgespielt. Sich als überzeugter Radfahrer zum hundertsten Mal einen Werbespot über die neue Mercedes-Benz A-Klasse angucken zu müssen, ist nun wirklich nicht im Sinne der Nutzerfreundlichkeit. Und für Werbetreibende bedeutet das extrem hohe Streuverluste und sinnlose Ausgaben.

Mögliche Alternativen zum Cookie, die einen Kompromiss zwischen Datenschutz und Personalisierung anstreben, stehen allerdings schon in den Startlöchern:

  • Semantisches Tartgeting: Platzieren von Werbung anhand von festgelegten Keywords
  • Digitrust Universal ID-Token: Nutzer kontrollieren über sie verfügbare Informationen und geben diese auf Wunsch an Werbetreibende frei.
  • Fingerpinting: Identifizierung des Nutzers durch eindeutige Merkmale, wie Browsernavigation, Betriebssystem, Farbtiefe, Plug-ins und Schriften.

Neue Datenschutzbestimmungen müssen nicht das Ende programmatischer Werbung bedeuten, doch sollte es dem beiderseitigen Interesse von Verbrauchern wie Unternehmen entsprechen, datengestützt personalisierte Werbung zu erhalten.