Gen Z: So erreichst du die neue Consumer Generation

Die jüngste Konsumentengeneration stellt Marketer vor eine Herausforderung, insbesondere in Bezug auf Formate und Kanäle. Im Interview gibt uns Deutschlands jüngster Agenturchef, Charles Bahr, wichtige Insights rund um seine Generation und zeigt Möglichkeiten auf, die Generation Z zu erreichen.

Gen Z: So erreichst du die neue Consumer Generation
The Brand Disrupters – Charles Bahr bei der DMEXCO 2017

"Gen Z ist die sich am meisten unterscheidende Generation, mit der wir je gesprochen haben."

Benjamin Ruth, Geschäftsführer VICE

Als Teil der Generation Z hast du einen anderen Blickpunkt auf diese Zielgruppe. Kannst du uns Eigenschaften nennen, die euch von Millennials unterscheiden?

Für viele ist es neu, dass Millennials und Gen Z verschiedene Zielgruppen sind. Zur Generation Z gehören – aus meiner Perspektive – alle im Alter von zehn bis 23 Jahren. Sie werden aber nicht primär durch ihr Alter definiert, sondern durch ihr Mindset. Im Vergleich zu vorherigen Generationen konsumieren und interagieren sie nicht nur, sondern wollen aktiv mitgestalten und kreieren eigene Inhalte.

Dadurch ist die Generation Z die erste Generation, die an der Medienlandschaft eigenständig und unabhängig von traditionellen, linearen Medien partizipieren kann. Und dennoch ist sie „faul“: Teenager haben heutzutage keine Lust auf seitenlange Formulare oder ewige Ladezeiten. Darauf müssen Marken bei der Gestaltung von Content in 2019 extrem achten.

Mit deiner Agentur “Project Z” berätst du Unternehmen rund um Gen Z. Wie unterscheidet sich diese Generation von den Millennials? Worauf sollten Unternehmen in Sachen Marketing besonderen Wert legen?

Besonders wichtig ist aus meiner Sicht, dass die Brands sich die Zielgruppe mit an den Tisch holen – und das nicht als „Praktikanten“, sondern als aussagekräftige Impulsgeber. Daher arbeiten wir in einem Team aus Teenagern, welches Kunden berät und die Kreation neuer Kampagnenkonzepte betreut. Wir sind fest davon überzeugt, dass nur aus der Zielgruppe erstellte Konzepte, die dann von den erfahrenen Marketingexperten in unserem Team nochmal gegengeprüft und ergänzt werden, sich am Ende durchsetzen werden. Grundsätzlich gilt aber: Wer Generation Z in 2019 nicht in seinen Mediaplan als wichtige Zielgruppe integriert, wird in den kommenden Jahren massiv an Marktanteil verlieren.

Wir sind fest davon überzeugt, dass nur aus der Zielgruppe erstellte Konzepte sich am Ende durchsetzen werden.

Welche Quellen nutzt deine Agentur für die Trendrecherche und Marktbeobachtung?

Zunächst arbeiten wir mit unseren eigenen Erfahrungen und entwickeln so als Teil der Gen Z relevante Inhalte für unsere Zielgruppe.

Zudem entwickeln wir seit Mitte des Jahres ein Marktforschungs-Panel, welches uns die intensive, qualitative Befragung einer repräsentativen Masse an „Gen Z’lern“ ermöglicht. Im Gegensatz zu klassischen Marktforschungsinstrumenten setzen wir dabei allerdings nicht auf persönliche Befragungen, sondern entwickeln eine intuitive Web-Applikation, bei der Teens wie in einer „endlosen Instagram Story“ verschiedene Frageblöcke beantworten können. Die Anmeldung dazu erfolgt nicht über ein aufwendiges Formular, sondern durch einen eigens entwickelten Chatbot. So möchten wir die Absprungrate minimieren.

Das Panel ist für uns vor allem wichtig, um unseren USP nicht rein von unserem persönlichen Alter abhängig zu machen – meine Glaubwürdigkeit als Jugendlicher nimmt jeden Tag ab – denn wir brauchen immer wieder brandaktuelle Insights aus der Zielgruppe, die uns durch diese Methode zeitnah zur Verfügung stehen.

Du berätst Unternehmen auch in Recruiting-Fragen. Inwiefern ändern sich für Gen Z die traditionellen Bewerbungsprozesse? Hast du einen Top Tipp für Recruiter, die deine Generation erreichen wollen?

Ich bin ein großer Anfechter von klassischen Bewerbungsmöglichkeiten. Es sollten nicht – wie leider in Deutschland noch sehr üblich – die Formalitäten im Vordergrund stehen, sondern vielmehr das Talent. Ein kreativer Kopf, der sich auf eine Stelle als Konzeptionist oder Videoeditor bewirbt, ist vielleicht eine totale Niete in Rechtschreibung und Grammatik. Dennoch kreiert er künstlerische Meisterwerke und ist erstklassig im Storytelling – trotzdem fällt er erstmal aus dem System und der Auswahl raus.

Kurz gesagt: Es muss mehr Bewerbungsmöglichkeiten geben, die speziell auf die tatsächlich geforderten Fähigkeiten abzielen – und nicht an unserem alteingesessenen Bewerbungsprozess festhalten.

Es muss mehr Bewerbungsmöglichkeiten geben, die speziell auf die tatsächlich geforderten Fähigkeiten abzielen.

Die aktuelle Adobe “Across the Ages Studie” zeigt, dass Gen Z mit ihren Daten sicherer umgeht als die älteren Generationen. Welche Erfahrungen hast du mit dieser Zielgruppe hinsichtlich Sachen Datenschutz und privatisierter Werbung gemacht?

Aus meiner Sicht hat Datenschutz keinen hohen Stellenwert in der Gen Z. Tik Tok wird beispielsweise en masse genutzt, obwohl bekannt ist, dass alle Daten in China gespeichert werden und die chinesische Regierung an „Bytedance“, dem Entwickler der Applikation beteiligt ist.

Ein anderes Beispiel: Wenn deine Krankenkasse dir 300 Euro im Jahr dafür bietet, die Fitness-Daten deiner Apple Watch in regelmäßigen Abständen zu übertragen, ist das für Gen Z ein Benefit und keine Einschränkung. Klar gibt es immer wieder Datenschutzskandale, die auch bei jungen Menschen nicht ungehört bleiben.

Wenn ich sowieso Werbung ausgespielt bekomme, warum dann nicht direkt welche, die mich auch wirklich interessiert?

Auf Vertrauen und Transparenz wird zur Zeit großer Wert gelegt wenn es um Markenbildung und -schärfung geht. Wie steht die Gen Z dazu?

Besonders Vertrauen ist mittlerweile in Marketing und Content-Creation kein „Trend“ mehr, sondern sollte Standard sein. Gen Z möchte keine klassische Werbung sehen, sondern setzt ausschließlich auf echte, native Inhalte, die glaubwürdig und plattformgerecht kreiert werden.

Auch hier gilt: Cooler Content ist der, mit dem ich mich selbst identifizieren kann, nicht der, der von einem riesigen Team produziert wird. Marken müssen endlich erkennen, dass sie viel mutiger in der Markenbildung und der Darstellung der eigenen Werte – dem, was sie wirklich ausmacht – werden müssen.

Gen Z: Se erreichst du die neue Consumer Generation – Interview mit Charles Bahr
Charles Bahr auf der DMEXCO 2017

Werbung für die Gen Z wird oftmals mit Influencer-Werbung gleichgesetzt, wie stehst du dazu? Mit welchen Formaten sollten Marketer sich noch mehr auseinandersetzen, um die Gen Z besser zu erreichen?

Vielen Marken schütten, weil es „cool“ ist, mit Influencern zu arbeiten, sechs- oder siebenstellige Budgets in eine Kampagne, die am Ende keine messbaren Sales oder echte Brand Awareness erzielt. Uns ist die „Klammer, also die ganzheitliche Message, die um eine Kampagne gesetzt wird, sehr wichtig. Influencer sind am Ende durchaus austauschbar und machen die von uns kreierte Geschichte nur nochmal auf einer neuen Ebene anfassbar.

Wo wir durchaus allerdings noch Potential in der Glaubwürdigkeit sehen, sind Youngfluencer. Youngfluencer sind junge Influencer, die sich in ihrem Alltag filmen und somit authentische Situationen aus dem Leben eines Jugendlichen darstellen. Sie kommen eher wie ein großes Geschwisterkind oder der beste Freund rüber – sind keine „Idole“ im eigentlichen Sinne.

Aber auch hier sehen wir mit der Zeit Schwierigkeiten. Ein gutes Beispiel dafür sind „Die Lochis“. Aus dem Dorf heraus angefangen wie die Kids von nebenan, fahren sie mittlerweile Mercedes-Sportwagen, fliegen Privatjet und tragen Uhren für zehntausende Euros. So haben sie sich von ihren Followern entfernt, das “Dorfjungs”-Image funktioniert nicht mehr.

Ich selbst habe Ende 2018 bewusst den Schritt gemacht, mich von meiner klassischen „Generation Z Influencer Marketing Agentur“ tubeconnect zu trennen, da wir einfach einen deutlichen Rückgang in der Glaubwürdigkeit von klassischen Influencer Marketing Maßnahmen gesehen haben.

Wo wir durchaus allerdings noch Potential in der Glaubwürdigkeit sehen, sind Youngfluencer.

Die Gen Z wird auch als Generation der “Social Media Natives” bezeichnet. Die Nutzung traditioneller journalistischer Angebote sinkt immer weiter und auch aktuelle Nachrichten bezieht die Gen Z hauptsächlich über Social Media. Was können Publisher verbessern, um die Gen Z zu erreichen und welche Kanäle eignen sich dafür?

Publisher sollten in 2019 vor allem darauf setzen, die gewollte Aufmerksamkeit der jungen Zielgruppe zu erhalten. Snapchat Discover ist aus meiner Sicht das Nummer Eins Medium in der Gen Z, wenn es um den bewussten Konsum von Nachrichten und Medieninhalten geht. Die Publisher erzielen hier große Erfolge und können mit einem Zusammenschluss aus ansprechenden und informativen Videos mit Animationen und den bereits erfassten Informationen erstklassige Interaktionsraten erzielen.

Kannst du uns Beispiele für Kampagnenerfolge geben, die du mit deiner Agentur erreicht hast?

Eines unserer spannendsten Projekte in 2018 war auf jeden Fall der „Generation Z Flagship Store“, den wir gemeinsam mit Levi’s in Rotterdam kreiert haben. Hier sind viele Ideen unserer intensiv durchgeführten Fokusgruppe mit einbezogen worden. Der Store hatte besseres Licht in den Umkleiden, Powerbanks zum Laden, eine Social Media Wall und viele weitere kleine Gadgets, die Levi’s weiterhin als Love Brand der “Upcoming Generation” dargestellt haben.

Außerdem durften wir dieses Jahr McDonald’s beim Thema Nachhaltigkeit unterstützen: Im BetterM-Store in Berlin wurden zehn Tage lang Alternativen zu Einwegplastik dargestellt. Gemeinsam mit zwei Nachhaltigkeits-Influencern und ihrer Community haben wir fünf Tage lang dargestellt, wie schwierig es eigentlich ist, als Endkonsument auf Plastik zu verzichten. Was für eine riesige Herausforderung ist es dann erst für einen Konzern wie McDonald’s?

Beide Kampagnen haben extrem gut funktioniert, da die Brands verstanden haben, dass am Ende das Branding und nicht die Performance zu einem nachhaltigen Erfolg bei den Zielgruppen geführt hat.

Fazit

Wie bei allen anderen Zielgruppen gilt auch bei der Generation Z: Es gibt kein Geheimrezept, um viel Reichweite zu erzeugen oder Sales anzukurbeln. Doch wer sich als Marke authentisch gibt und klar positioniert oder die Zielgruppe bei der Kreation von Inhalten mit einbezieht, kann viel gewinnen – und kaum etwas verlieren. Eins ist klar: wer das Gefühl hat, Teil der Marke zu sein und nicht bloß anonymer Konsument, schenkt gerne Aufmerksamkeit, ganz gleich ob Teil der Generation Z, Millennial oder Baby Boomer.