Frauen im BVDW: Vier Jahre Maßnahmenpaket – was ist in dieser Zeit passiert?
„Das Missverhältnis ist offensichtlich und wir setzen uns dafür ein, dem entgegenzuwirken...". Der Bundesverband Digitale Wirtschaft e. V. hatte 2018 sein Maßnahmenpaket verabschiedet, um dieses Missverhältnis auszugleichen. Vier Jahre später lohnt sich der Blick zurück.
„Das Missverhältnis ist offensichtlich und wir setzen uns dafür ein, dem entgegenzuwirken. Ich freue mich sehr über die breite Zustimmung und Unterstützung der Mitglieder“, sagte die damalige BVDW-Vizepräsidentin Frederike Probert im Juni 2018 über das Verhältnis von Frauen und Männern in der Digitalbranche. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft e. V. hatte gerade erst sein Maßnahmenpaket verabschiedet, um dieses Missverhältnis auszugleichen.
Vier Jahre später lohnt sich der Blick zurück: Was hat sich getan? Haben die getroffenen Maßnahmen die gehofften Wirkungen erzielt? Was sind die Learnings aus den letzten Jahren? Und warum genau sind die Themen Diversifizierung und Feminisierung so wichtig? Wir haben uns mit der aktuellen BVDW-Vizepräsidentin Anke Herbener unterhalten.
Vor vier Jahren wurde vom BVDW ein Maßnahmenpaket verabschiedet. Was hat sich seitdem verändert?
Anke Herbener: Wir haben 2018 bewusst unsere Verbandssatzung mit dem Ziel angepasst, Frauen in der Digitalwirtschaft aktiv zu unterstützen, ihnen mehr Sichtbarkeit und eine Plattform zu geben. Seitdem haben wir weitere Maßnahmen erfolgreich umgesetzt. So soll beispielsweise mindestens ein Drittel der Referent:innen bei BVDW-Events heute Frauen sein. In unserer Geschäftsstelle ist der Anteil der Fachreferentinnen sogar auf zwei Drittel gestiegen.
Zudem ist es uns wichtig, dass wir den Vorsitz unserer Gremien mindestens mit einer Frau besetzen. Sehr gern auch mit mehr!
Bedeutsam ist vor allem, dass die Bereitschaft von allen da ist und darauf geachtet wird, diese „Regeln“ einzuhalten. Nur so findet kontinuierlich Veränderung statt.
BVDW-Themensetzung, Meinungsbildung und Diskussionen werden so unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Gegebenheiten und damit divers gestaltet und geführt. Davon profitiert nicht nur unser Verband, sondern wir verändern die Digitalwirtschaft.
Woran liegt es, dass der Anteil von Frauen – obwohl er wächst – noch immer so gering ist? Und wie kann das langfristig verändert werden?
Anke Herbener: Ich würde mir sehr wünschen, dass wir hier schon viel weiter wären! Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass viele Frauen sich Führungspositionen nicht direkt zutrauen und sich daher leider oft nicht aktiv darauf bewerben. Viele Männer machen das dagegen sofort und unterstützen sich aktiv bei der Besetzung von Führungspositionen.
Frauen brauchen ein genauso starkes Netzwerk, um sich – wann immer möglich – zu unterstützen, weil gewachsene Strukturen oft sehr maskulin geprägt sind.
Darum sind zunächst die Männer gefragt, denn sie besetzen nach wie vor die meisten Aufsichtsräte und Führungspositionen – entscheiden also darüber, ob Frauen in Führungspositionen kommen.
Ebenso muss in Unternehmen nachhaltig ein kultureller Wandel stattfinden, der Frauen in Führungsetagen und Aufsichtsgremien hält. Das ist ein kontinuierlicher Prozess.
Anke Herbener ist seit März 2021 CEO der TWT Digital Group und Co-CEO der Muttergesellschaft Greven Group. Vorher war sie CEO der Agentur MRM//McCANN Germany und Member of the Management Board McCANN Worldgroup. Davor hat sie 2017 die digitale Beratungsagentur Digital Changers gegründet und ist auch deren Geschäftsführerin. Seit 2019 ist Anke Herbener Vizepräsidentin beim BVDW.
Was gibt es neben der unterschiedlichen Bezahlung und dem Zugang zu Spitzenpositionen noch für Hindernisse für Frauen in Digitalberufen?
Anke Herbener: Neben den bereits genannten Aspekten zeigt sich in der Digitalbranche leider immer noch, dass weniger Frauen einen Abschluss in den technischen Berufen haben. Dabei ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, vor allem in der Tech-Szene, gegeben. Wir selbst haben in unseren Agenturen einen Frauenanteil von fast 50 Prozent. Unabhängig vom Geschlecht ist die Politik gefragt, eine Ganztagsbetreuung für Kinder sicherzustellen. Auch gibt es viele erfolgreiche Modelle, in denen Führungspositionen durch Frauen in Teilzeit umgesetzt werden. Hier sind die Unternehmen in der Verantwortung.
In Spanien wird sexistisches Marketing verboten und aktuell ein Menstruationsurlaub besprochen. Ist uns Spanien bei der Frauenförderung voraus oder nähern wir uns dem gleichen Ziel von unterschiedlichen Seiten?
Anke Herbener: Zunächst möchte ich betonen, dass der Begriff „Urlaub“ in diesem Zusammenhang ungünstig gewählt ist. Ich finde es grundsätzlich gut, dass das Thema enttabuisiert wird, und bin gespannt, wie die spanische Regierung hier in der Praxis weiter verfahren wird. Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen jedoch, dass „Urlaubstage“ allein, ohne begleitenden Diskurs, nicht ausreichen, um die Periode zu entstigmatisieren.
Zum sexistischen Marketing: Sexistische Werbung ist in Spanien schon seit 2004 verboten. Was in dem Zusammenhang diskutiert und verabschiedet wurde, ist ein Verbot von sexistischer Werbung bei Kinderspielzeug. Hierzu hat sich der Dachverband der spanischen Spielzeughersteller gegenüber der Regierung zu Regeln gegen geschlechtsspezifische Spielzeugwerbung verpflichtet. Konkret: Werbung für Spielzeug, das sich etwa auf Pflege, Hausarbeit oder Schönheit bezieht, dürfe sich nicht exklusiv an Mädchen richten, und solche, die für Tatkraft, körperliche Aktivität oder Technik steht, nicht speziell an Jungen. Ein wichtiger Schritt, um Stereotype beim Gender Marketing schon bei Kindern aufzubrechen.
Das Maßnahmenpaket zur Frauenförderung wurde 2018 beschlossen. Ist ein Update dieser Initiative geplant?
Anke Herbener: Natürlich ist das auch weiterhin ein wichtiges Thema für den BVDW. Daher haben wir letztes Jahr das „Digitale Navi“ ins Leben gerufen, ein Mentor:innenprogramm für ambitionierte Talente, die Leadership-Positionen in der Digitalwirtschaft anstreben. Wir möchten sie auf ihrem Weg unterstützen und ihnen die richtigen Kontakte und Werkzeuge an die Hand geben, damit Führungsetagen schnell, vielfältiger und selbstverständlich (auch) von Frauen besetzt werden.
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