Fight Fire with Fire? Strategien zum Überleben in der VUCA-Welt

Als VUCA-Welt werden die Bedingungen der digitalen Arbeitswelt bezeichnet, mit denen vor allem Führungskräfte zu kämpfen haben. Welche Strategien helfen, sicher durch die VUCA-Umgebung zu navigieren und den Wandel sogar aktiv zu gestalten?

Selten verläuft der Weg Richtung Zukunft in einer VUCA-Umgebung so geradlinig wie der Weg zum Future Park auf der DMEXCO 2019.
© Koelnmesse GmbH / Uwe Schinkel

Was ist die VUCA-Welt?

Ursprünglich in den 1990er Jahren geprägt, um die multilaterale politische Lage nach dem kalten Krieg zu beschreiben, wird das Akronym VUCA heute zur Charakterisierung der Situation der modernen Arbeitswelt verwendet. Diese befindet sich angesichts der Digitalisierung in einem ständigen Wandlungsprozess, der immer wieder eine Anpassung an neue Rahmenbedingungen und Gegebenheiten erfordert.

VUCA steht hierbei für:

  • Volatility (Volatilität, Flüchtigkeit): Durch die Digitalisierung erfolgen relevante Innovationen in immer kürzerer Folge, was eine beständige Kultur der Veränderung im Unternehmen erfordert. Es kommt häufiger zu unerwarteten Ereignissen, Ursache und Wirkung werden undurchschaubar. Auch das äußere Umfeld aus Kunden und Konkurrenten ist weniger konstant. Einen festen Kundenstamm gibt es kaum noch, Wettbewerber halten sich nur kurz am Markt oder orientieren sich schnell um, es herrscht ein konstanter Innovationsdruck.
  • Uncertainty (Unsicherheit): Prozesse sind aufgrund schnelllebiger Entwicklungen und der Notwendigkeit agilen Arbeitens derart dynamisch, dass sie nicht mehr bis zu ihrem Ende vorhersehbar und damit auch nicht mehr planbar sind. Persönliche Erfahrung einer Führungspersönlichkeit verliert dadurch an Relevanz. Prognosen erweisen sich immer häufiger als falsch. Investitionen, Entwicklungen und Wachstum lassen sich kaum noch planen.
  • Complexity (Komplexität): Dies bezeichnet KI-gesteuerte Prozesse, nach menschlichem Ermessen unbegreifliche Datenmengen, multilaterale Märkte und Probleme, die von einer unüberschaubaren Anzahl verschiedener Faktoren abhängen. Zusammenhänge sind aufgrund der Vielschichtigkeit von Phänomenen nur noch schwer (re)konstruierbar. Wissensressourcen sind zudem in unüberschaubarer Menge sofort verfügbar. Komplikationen und Probleme sind also immer schwerer zu erfassen und zu verstehen, Lösungsansätze erfordern umfassendes Wissen um neue Technologien, Methoden, Abläufe und Ressourcen.
  • Ambiguity (Ambiguität, Mehrdeutigkeit): Eine Ursache führt selten noch zu einer klar abschätzbaren und auf diese eine Ursache zurückführbare Wirkung. Ein Symptom kann auf viele Ursachen gleichzeitig zurückgehen, Situationen erlauben eine Interpretation und darauffolgende Handlung in mehrere Richtungen. „Best Practices“ gibt es nicht mehr und individuelle Lösungsansätze sind ein Muss. Gleichzeitig müssen sich Führungskräfte der Tatsache bewusst sein, dass ihre Entscheidungen viele verschiedene Konsequenzen nach sich ziehen können, die in dieser Form zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht abschätzbar oder gar planbar waren.

Zusammenhänge gewinnen an Komplexität, wodurch Führungskräfte nicht mehr in der Lage sind, alle Vorgänge nachvollziehen zu können. Viele Unternehmen sehen sich geradezu im permanenten Change-Prozess begriffen, stets bemüht, mit den stetigen Neuerungen der digitalen Transformation Schritt zu halten. Das Gefühl, nicht mehr wirklich die Zügel in der Hand zu halten, führt zu einer wachsenden Unsicherheit.

Was sind die Herausforderungen der VUCA-Welt für Führungskräfte?

Jeder Mitarbeiter, vor allem aber Führungskräfte, die die Verantwortung für das Handeln von mehreren Mitarbeitern übernehmen müssen, sehen sich angesichts der Herausforderungen dieser VUCA-Welt mit den schwierigen Aufgaben konfrontiert,

  • das Unternehmen möglichst unbeschadet und erfolgreich durch diese VUCA-Situation zu führen,
  • das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen, um den konstanten Wandel aktiv in die richtigen Bahnen zu lenken und
  • den Wandel selbst mitzugestalten, um neue Maßstäbe zu setzen, an denen sich wiederum andere Unternehmen orientieren müssen.

Herkömmliche Führungskompetenzen, die mit standardisierten Lösungsmodellen, festgelegten Workflows und auf langfristigen Prognosen operieren, sind ungeeignet, um den Anforderungen im Sinne des Digital Leadership gerecht zu werden. Überkommene Linienorganisationen versagen angesichts der Dynamik der Digitalisierung. Neue, agile und flexible Lösungen sind gefragt, die sich an die individuellen Gegebenheiten und Bedürfnisse jedes Unternehmens anpassen lassen.

Harte Fakten müssen also flexibel ausgestaltbarem Framework weichen, das durch jeden Digital Leader selbst mit praktischem Handeln neu interpretiert zum Leben erweckt werden muss. Nur mit flexiblen Modellen ist es möglich, sein Handeln und Wirtschaften an neue Märkte anzupassen und somit auf veränderte Anforderungen zu reagieren. Voraussetzung ist es, sich von linearem Denken und hierarchischen Führungsmodellen zu verabschieden und Bereitschaft zu zeigen, sich permanent weiterentwickeln zu wollen. Hierfür gibt es einige vieldiskutierte Ansätze, von denen wir uns zwei näher ansehen möchten: VUCA und VOPA+.

VUCA gegen VUCA?

VUCA gegen die Herausforderungen der VUCA-Welt anzuwenden, klingt zunächst bizarr. Wie sollte Unsicherheit gegen Unsicherheit helfen können oder kann man Feuer mit Feuer bekämpfen? Die Antwort ist simpel: VUCA steht hier abkürzend für ein ganz anderes VUCA-Modell. In diesem Fall steht VUCA für einen Human-Centered-Design-Ansatz:

  • Vision(Vision): Unsichere Gegebenheiten in der Gegenwart erfordern einen Fixstern als Navigationsziel. Gerade wenn ein Unternehmen Design Thinking und Human Centered Design als strategische Antwort auf die Herausforderungen der VUCA-Welt lebt, ist eine klar formulierte Vision oder Mission des Unternehmens unerlässlich, um Sinn zu stiften, Motivation zu bieten und Identifikation mit dem Unternehmen nach innen und außen zu erzielen.
  • Understanding(Verstehen): Sind Zusammenhänge komplex, bedarf es meta-strategischer Denkweisen und Planung, um Zusammenhänge verstehbar zu machen. Hilfreich ist es dabei, das Ergebnis zu definieren und von diesem aus zu planen und notwendige Schritte rückwärts abzuleiten. Fehler, Widerstände und ablehnendes Verhalten sollten in produktive Energie umgewandelt werden. Agile Strategien und Rahmenwerke eignen sich hierfür sehr gut.
  • Clarity(Klarheit): Der Komplexität gilt es Klarheit und Einfachheit entgegenzusetzen. Die klare und verständliche Benennung von Aspekten, die im Fokus stehen sollten, sind hierbei anzuraten. Workflows und Prozesse, die zur Anwendung kommen, sollten umso transparenter und einfacher in Ursache bis Wirkung nachvollziehbar sein. Dies schafft Vertrauen und Sicherheit.
  • Agility(Agilität): Für Führungskräfte gilt es, sich kritisch mit ihrer Rolle und einem hierarchischen Rollenverständnis innerhalb des Unternehmens auseinanderzusetzen. Kompetenzen und Ressourcen der Mitarbeiter gleichberechtigt einzubeziehen, erlaubt flexibler auf verschiedene Problemstellungen zu reagieren und erhöht die Chance, passenden Input für die Lösung eines Problems und für die Steigerung der Innovationskraft zu erhalten. Agilität bedeutet in der Lage zu sein, sich verändernden Bedingungen anpassen zu können, eine produktive Fehlerkultur zu fördern und die Resilienz zu stärken.

Solch eine positive VUCA-Strategie soll also helfen, dem negativen VUCA-Modell passende Antworten entgegenzusetzen. Es ist keinesfalls als Methode zu verstehen, sondern soll als flexibel anwendbares Framework dienen.

Ist VOPA+ ein probater Ansatz in der VUCA-Welt?

Das VOPA+-Modell, auch als VOPA+-Prinzip oder VOPA+-Ansatz bezeichnet, beschreibt einen agilen und effektiven Führungsansatz im Sinne des Digital Leadership. Es wurde 2014 vom Wirtschaftswissenschaftler Dr. Willms Buhse entworfen.

Das Akronym VOPA+ steht dabei für:

  • Vernetzung: Kanäle, Ressourcen und Zuständigkeiten vernetzen, Vernetzung von Wissen Vieler zu kollektiver Intelligenz für die Erarbeitung spezifischer unternehmerischer Lösungen
  • Offenheit: Transparenter Austausch aller Informationen und Probleme unter allen Beteiligten
  • Partizipation: Klar definierter Aufgaben-, Verantwortungs- und Kompetenzbereich und Beteiligung bei relevanten Entscheidungen für jeden Mitarbeiter
  • Agilität: Autonome Arbeit fördern, Fehler in offener Fehlerkultur gemeinsam im Team analysieren
  • Plus Vertrauen: Gegenseitiges Vertrauen als Grundlage des gesamten Systems

VOPA+ verlangt letztlich einen Wandel in der Unternehmenskultur hin zu mehr Teilhabe und Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter bei gleichzeitig strikter Definition von Zuständigkeitsbereichen und Zielvorgaben. Kernelemente des VOPA+-Ansatzes sind:

  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb und zwischen Teams
  • Transparente und direkte Kommunikation
  • Wissen wird allen zugänglich gemacht und als gemeinschaftliche Ressource vernetzt
  • Autonomes Arbeiten wird gefördert, Eigenverantwortung gestärkt
  • Ziele und Zwischenziele werden klar definiert und kommuniziert
  • Ziele sind alleiniger Fokus

Damit gibt der VOPA+-Ansatz ein flexibles Framework vor, um den Wandel von hierarchischer Organisation zu vernetztem Arbeiten zu meistern. Im Gegensatz zu Ansätzen wie Design Thinking, für das eine Abkehr von hierarchischen Führungsmodellen eine Voraussetzung ist, sieht VOPA+ eine Integration von Vernetzung und Hierarchie vor. Sie gibt Führungskräften Halt und bietet allen Mitarbeitern Orientierung – genau das, was es in der VUCA-Welt am dringendsten braucht.

Was zählt wirklich in der VUCA-Welt?

Das Ziel beider Ansätze ist klar: Der Mensch soll angesichts des VUCA-Szenarios vermehrt in den Fokus rücken, Eigenverantwortlichkeit und klare Zielsetzungen sollen der drohenden Orientierungslosigkeit entgegenwirken. Aktive Mitgestaltung und Human Centered Design sind die Schlüsselbegriffe, unter denen sich die Unternehmensentwicklung in der VUCA-Welt zusammenfassen lässt.

Deine Aufgabe als Führungskraft liegt dabei nicht darin, jedem Mitarbeiter seine Verantwortlichkeit zu erklären und seine Effektivität bei der Erreichung individueller Ziele zu überwachen, sondern vielmehr, die Rahmenbedingungen immer wieder neu zu definieren, die es deinem Team erlauben, wertschöpfend und strukturiert eigenverantwortlich zu agieren. Empathie und ein Blick für Visionen statt für Details sind gefragt. Best Practice weicht Best Thinking!