Experten-Tipps zur richtigen Kommunikationsstrategie in der Corona-Zeit
Wie sollen Brands in der Corona-Krise kommunizieren? Entscheider aus renommierten Agenturen geben Empfehlungen zur Kommunikationsstrategie (digitaler) Unternehmen in der Corona-Krise.
Jan Eppers, Agentur Frische Fische: Digitale Kommunikation, Geduld und Mut
„Die dringendste Änderung in der Kommunikation haben die meisten Digitalunternehmen hoffentlich bereits glücklich eingeleitet: die interne Kommunikation.“
Ganz plötzlich musste ein Konzept aus dem Boden gestampft werden, ob und wie die Mitarbeiter:innen weiter arbeiten können und das ganz individuelle Rahmenbedingungen wie mobiles Arbeitsgerät, Arbeitsorte, zu betreuende Kinder, Abstimmungen mit Lebenspartnern und noch viel mehr berücksichtigte. Und da sich die Bedingungen fortlaufend ändern – muss das jeden Tag neu geschehen. Wenigstens haben digitale Unternehmen den Vorteil, dass sie alle schon Kommunikationstools gewohnt sein sollten, die über E-Mail, schwarze Bretter und große Meetingrunden hinausgehen.
Was die externe Kommunikation anbetrifft, so ist vor allem eines gefragt: Geduld. Oder Mut. Geduld gilt in dem Fall, dass es eine langfristige Kommunikationsstrategie gibt. Diese gehört wegen einer noch so tiefgreifenden Sondersituation nicht zugunsten temporärer Taktierereien über Bord geworfen. Natürlich muss man die ausbleibenden Messe-Leads über Upsellings, Social Ads, Sales-Aktionen, Pressekampagnen kurzfristig kompensieren, es besteht aber kein Grund für Aktionismus.
Mut braucht es dann, wenn die grundsätzliche Strategie womöglich einer Überarbeitung oder zumindest signifikanter Anpassungen bedarf. Jetzt hätten viele Firmen endlich einmal die Zeit dazu, wenn das Tagesgeschäft eh lahmt. Mit der Zeit, die man sonst in eine OMR, re:publica oder Internet World Expo investiert hätte, lässt sich eine wunderbare Kommunikationsstrategie aus der Taufe heben. Wer dazu Berater braucht: Die hätten zurzeit auch Kapazitäten.
Jan Eppers, Geschäftsführer und Gründer der Agentur Frische Fische
Dr. Pascal Volz, fischerAppelt: Ad-hoc-Krisen-Kommunikation und Weitsicht
Ich habe mehrere Empfehlungen:
- Einerseits gibt es natürlich Unternehmen, die gerade jetzt ad hoc reagieren müssen. Einige unserer Kunden setzen unser „Ad hoc-Krisen-Kommunikationsmodell“ ein, mit dem auf relevanten digitalen Berichterstattungen, zum Beispiel über die eigene Marke, werblich der Beitrag der Krisenbewältigung des Unternehmens aufgezeigt wird. Eine wunderbare Methode, um sicherzugehen, dass das eigene Unternehmen jederzeit im richtigen Licht steht. Dies sollte jedes Unternehmen einsetzen, das von Corona betroffen ist – also alle.
- Dann gilt es natürlich, die Post-Corona-Phase anzugehen. In China dauerte es drei Monate zwischen dem ersten Ausbruch und der Rückkehr zum „Normalzustand“ der Bevölkerung. Als Statistiker gehe ich von einer ähnlichen Dauer in Europa aus. Danach wird der Run auf die eigenen Jahres-KPIs losgehen, um die bisherigen Quartale auszugleichen. Dieses wird uns alle viel Kraft kosten, also jetzt durchatmen und Energie tanken.
- Um China geht es in meiner dritten Empfehlung. Durch die Vielzahl an Kampagnen, die wir dort für deutsche Unternehmen umsetzen, haben wir stets engen Kontakt zu unseren chinesischen Partnern. Die Bevölkerung ist wieder im Alltag angekommen und der Konsum zieht erneut an. Vielleicht wäre es für einige heimische Unternehmen sinnvoll, jetzt den Schritt in die zweitgrößte Volkswirtschaft zu wagen. Einige Tipps haben wir unter performance.fischerappelt.de/leistungen/china-marketing zusammengefasst.
Dr. Pascal Volz, Geschäftsführer von fischerAppelt
Victoria Usher, GingerMay: Remain positive
Your marketing and communications strategy will prove an essential tool during this time of uncertainty. Studies have repeatedly shown that businesses that continue to invest in marketing during challenging times experience growth, while those that reduce or pull their marketing budgets see a decrease in sales. The key is to understand how the needs of your customers and partners have changed so that you can adapt your communications strategy to suit the new reality. Listen to customer feedback, review your existing marketing plans, and adjust them accordingly.
While reviewing your plans, it’s important to keep an open mind and think outside the box when it comes to identifying opportunities. For example, don’t accept defeat when assessing marketing events and conferences you had planned in the near future. Inbound lead interest in virtual events has more than tripled between January 2019 and January 2020, providing a great opportunity to host a digital event and connect with your target audiences, all of whom are at home, online, and receptive to alternative solutions.
Above all, the most important advice is to remain positive. Brands can and will continue to grow in uncertain times; there are always winners.
Victoria Usher, Founder & CEO at GingerMay
Andrea Buzzi, Agentur Frau Wenk: Haltung zeigen!
„Corona zwingt zum Umdenken:
Das ist die Chance für Kommunikation, die für Menschen gemacht wird und nicht für Konsumenten.“
Die Medien kennen gerade nur ein Thema: Corona. Wenn wir in diesen Zeiten also PR oder Werbung machen wollen, müssen wir uns immer die Frage stellen: wie wirkt eine Aktion oder eine Kampagne im Umfeld dieser Berichterstattung? Diese Hausaufgaben haben Marken und Agenturen in Windeseile erledigt und ich betrachte mit Staunen und Hochachtung, wie schnell und agil sie die aktuellen Kampagnen an die emotionalen Bedürfnisse der Menschen angepasst haben.
Damit wir in den nächsten Wochen vor dem Corona „Brennpunkt“ keine unpassende Werbung von Meditonsin oder Raffaelo mehr aushalten müssen, gibt es jetzt viel zu tun. Die Unternehmen müssen sich mit ihren Dienstleistern zusammensetzen (natürlich via Videokonferenz) und überlegen, welche Botschaft und welches Produkt sie für ihre Zielgruppe in diesen Krisenzeiten haben. Wie kann ich helfen, wie kann ich Solidarität zeigen, kann ich meinen Geschäftszweck anpassen (Hier ist Eterna ein gutes Beispiel).
Dieses Out-of-the box-Denken gelingt zum Beispiel sehr gut mit Design-Thinking-Methoden. Hilfreich sind auch Daten, etwa zu Suchanfragen und Social-Media-Analysen. Da spürt man, was die Menschen bewegt.
Agil sein und online buchen
Falls Sie nach dieser Review- und Brainstorming-Phase keine Antwort auf Corona finden, sollten Sie ihre Kommunikation ganz genau auf den Prüfstand stellen. Denn jetzt gilt es, die Kundenbeziehung nicht durch Frust oder Ignoranz zu beschädigen. Haben Sie aber eine Idee oder einen zeitgemäßen Ansatz, dann schlägt jetzt die Stunde für die agilen und online-zentrierten Ansätze. Denn die Corona-Krise beschleunigt vor allem eines: die digitale Transformation – auch in der Kommunikation.
Zeigen Sie Haltung – aber echte
Jetzt ist es an den Marken, Haltung zu zeigen und sich an den Menschen in uns zu wenden und nicht an den Konsumenten und Verbraucher. Ein weiteres Stichwort in dieser Situation ist Solidarität. Was und wie möchte ich als Unternehmen dazu beitragen, die Krise zu mildern und dabei vielleicht sogar meine Dienste kostenlos anbieten, wie die Ärzte-App Siilo, oder mit dem Wettbewerb zu kooperieren, wie die Initiative „Händler helfen Händlern“.
Meinung gestalten über LinkedIn
Speziell für den Bereich PR empfehle ich den Unternehmen, sich spätestens jetzt den Online-Kanälen wie LinkedIn und Twitter zu widmen und sich dort, wo aktuell Meinung und Geschäfte gemacht werden, einen Share of Voice zu sichern.
Andrea Buzzi, CEO & Gründerin Agentur Frau Wenk
Christian Faltin, Geschäftsführer cocodibu: Fingerspitzengefühl & Haltung im Tun
Erst machen, dann reden. Erst helfen, später verkaufen. Nicht zu kommunizieren, ist die schlechteste aller Varianten. Daran werden sich Kunden nach der Krise erinnern.
Broadcasting nur, wenn man wirklich etwas Hilfreiches bieten kann. Ansonsten zuhören, in den Dialog gehen und schauen, was die eigene Community interessiert und worüber sie reden möchte. Fingerspitzengefühl in der Tonalität beweisen und Haltung im Tun. Das klingt möglicherweise alles einfach. Das ist es angesichts mancher wirtschaftlicher Rahmenbedingungen aber durchaus nicht. Nur, wer sich jetzt wegduckt, dürfte das nach dem hoffentlich baldigen Ende der Krise bitter bereuen.
Christian Faltin, Geschäftsführer cocodibu