Health Tokens: Wie Krypto den Gesundheitsmarkt aufmischt

Eine DMEXCO Kolumne von Thilo Kölzer, COO der DocCheck AG, über das disruptive Potenzial von Health Tokens im Gesundheitsmarkt.

Kolumnist Thilo Kölzer über Health Tokens im Gesundheitsmarkt.
Bild: © Thilo Kölzer

Zwischen Blockchains und Blutwerten – Können Bitcoin und Co. dem Gesundheitsmarkt eine Vitaminspritze verpassen?

In den letzten Monaten fiel es selbst Nichtinteressierten schwer, nichts von Bitcoin und Co. zu hören oder zu lesen. Bitcoin, die erste und größte Kryptowährung, hat vor ein paar Wochen mal wieder das nächste All Time High erklommen und inzwischen eine Marktkapitalisierung von etwa zwei Billionen Euro erreicht. Zusammen mit den beiden in der Rangliste folgenden Kryptocoins auf den Plätzen zwei und drei ergibt sich eine Marktabdeckung von über 85 Prozent. Mittlerweile gibt es schon mehr als 10.000 Kryptocoins, die sich die restlichen 15 Prozent aufteilen.

Der Markt entwickelt sich gerade rasant, ist aber noch etwas unübersichtlich. Die Kryptos leben dabei mitunter von ihrem Narrativ, also der Story, die dahintersteckt – und gerade deshalb sind sie für mich aus Marketingperspektive sehr interessant. Denn ein Narrativ für ein existierendes Produkt oder einen Service zu entwickeln, gehört quasi zu den Marketing-Basics. Und wenn ein solches Narrativ das Produkt selbst definiert und zum Leben erweckt, ist das die Kunst der Marketing-Kommunikation. Viele der Kryptos erzählen also eine Geschichte über deren Vision, Einsatzzweck und geben Einblicke in die „Story behind“.

Bei Kryptos handelt es sich um Werte und Transaktionen, die durch ein dezentrales, unabhängiges und kryptografisches System (in Form einer Blockchain) abgesichert werden. Ein sehr naheliegender Nutzen von Kryptos ist die Bezahlfunktion, die es ermöglicht, Güter oder Dienstleistungen zu erwerben. Das ist im Prinzip die Vision, die hinter der Kryptowährung Bitcoin selbst steckt: dass sie wie Geld genutzt werden kann.

Für die Masse der anderen Kryptocoins gilt es jedoch, im „Krypto-Ozean“ überhaupt Gehör und Aufmerksamkeit zu finden – und da ist ein gut verständliches und vermitteltes Narrativ einer der Kernpunkte.

Gute Geschichten erzählen: Die Story hinter Health Tokens und Kryptocoins

Folgende Narrative spielen gerade eine wichtige Rolle:

  • KI: Wie fast überall ist Künstliche Intelligenz natürlich auch im Krypto-Sektor omnipräsent. KI-Technologien können Blockchain-Netzwerke verbessern, Predictive Analytics revolutionieren oder automatisierte Entscheidungsprozesse weiterentwickeln. Bekannte Coins in diesem Narrativ sind z. B. Tao, Render oder Aioz.
  • Real World Assets (RWA): Bei diesem Narrativ geht es darum, RWAs wie Immobilien zu tokenisieren, um Eigentum zu transferieren. Bekannte Coins in diesem Narrativ sind z. B. Ondo, Pendle oder Mantra.
  • Gaming: Ein drittes, derzeit nachgefragtes Narrativ sind In-Game Economies. Hier geht es um den Handel von digitalen Game Assets oder Reward-Systeme. Bekannte Coins in sind z. B. Beam oder Immutable.

Das sind nur drei Beispiele für Krypto Stories. Generell lässt sich festhalten, dass Kryptocoins überall da eingesetzt werden können, wo Transaktionen, welcher Art auch immer, stattfinden.

Blockchain und Health: Wie steht es um die Gesundheit?

Meines Erachtens ist Health als Story hinter Crypto Assets sehr geeignet, jedoch noch wenig verbreitet. Gesundheitsbezogene Transaktionen finden tagtäglich zu Tausenden statt: Austausch von Vitaldaten und diagnostischen Messwerten, Bilderzeugnisse aus bildgebenden Verfahren aller Art, Übermittlung von Arztbriefen, Befunden, Diagnosen und vieles mehr. Kryptocoins könnten dazu beitragen, die eigenen Gesundheitsdaten sicher zu verwahren und sicher zu teilen. Ich habe den Krypto Educator und Influencer Andreas Gappmaier (@kryptowelten_andi) gebeten, mir seine Einschätzung zu „Health, Science & Crypto“ zu geben:

„Health Tokens und DeSci (Decentralized Science) finde ich echt spannend, weil sie so viele Probleme in der Wissenschaft angehen. Sie machen es viel einfacher und fairer, Forschung zu finanzieren – Patient:innen können zum Beispiel direkt Projekte unterstützen, die ihnen wichtig sind. Gleichzeitig belohnen sie Forscher:innen für wirklich gute Arbeit statt für die Anzahl ihrer Publikationen oder die besten Kontakte. Und das Beste: Wissen wird viel schneller geteilt und für alle zugänglich. Das fühlt sich an wie ein Schritt in die richtige Richtung, weg von alten, starren Systemen. Das macht den Gesundheits- und Forschungsbereich deutlich transparenter, fairer und effizienter. Da Mediziner:innen und Forscher:innen nicht mehr 50 Prozent ihrer Zeit mit der Finanzierung ihrer Forschung verbringen müssen.“

Andreas Gappmaier (@kryptowelten_andi)

Den Aspekt der Decentralized Science finde auch ich sehr spannend. Denn das könnte konkret beispielsweise bedeuten, dass ein Forschungsprojekt einen eigenen Kryptocoin herausgibt mit dem Narrativ, das Forschungsvorhaben zu unterstützen (z. B. „Kampf gegen Erkrankung XY“). Alle Personen, die dieses Narrativ unterstützen wollen, können diesen Coin kaufen und unterstützen so direkt das Forschungsvorhaben. Klingt ein bisschen wie Aktienhandel an der Börse – nur dass keine Mittler wie Banken oder andere Institutionen dazwischengeschaltet sind (das ist der Kerngedanke hinter dem Begriff „Decentralized“).

Health Tokens – Chance für ein digitales Gesundheitswesen von morgen?

Werfen wir mal einen Blick in die Realität: Welche Health oder Science Tokens gibt es denn bereits?

Medibloc Health Token

Der größte Health Token ist MediBloc. Er steht aber erst auf Rang 434 der Kryptocoins nach Marktkapitalisierung (laut Ranking des Branchendienstes CoinMarketCap) – und das ist schon sehr weit hinten. Die Marktkapitalisierung von MediBloc liegt momentan bei ca. 70 Mio. Dollar. Was steckt hinter MediBloc?

„MediBloc schafft ein patientenzentriertes Ökosystem für Gesundheitsdaten, das

die Privatsphäre des Einzelnen schützen und die Zuverlässigkeit von Gesundheitsdaten maximieren kann.“

Klingt ein bisschen nach elektronischer Patientenakte – denn auch hier geht es um den sicheren Austausch sensibler, persönlicher Gesundheitsdaten.

Health Token SuperWalk

Ein anderer Health Coin ist SuperWalk. Die dazugehörige Story lautet:

„SuperWalk ist ein blockchain-basierter Move to Earn Service, der Bewegung belohnt. Coins können durch Gehen verdient werden.“

Offensichtlich also eine Mischung aus Gesundheitsförderung, Prävention und Gamification. Die Marktkapitalisierung beträgt immerhin ca. 45 Mio. Dollar.

SuperWalk wäre ein guter Anwendungsfall für eine Krankenversicherung: Bewegung wie Gehen oder Laufen wird bonifiziert durch Kryptocoins, die wiederum in reale Währungen getauscht werden können oder den Monatsbeitrag senken.

Aimedis Health Token

Ein drittes Beispiel ist Aimedis (AIMX). Ein noch sehr kleines Projekt mit gerade mal 200.000 Dollar Marktkapitalisierung, aber mit einer interessanten Vision:

Eine eHealth-Plattform zu schaffen, die auf dem Blockchain-Gedanken basiert – eine Art Medical Metaverse. Bestandteile dieses neu zu schaffenden Gesundheitsökosystems sollen sein: digitale Patientenakte, Videosprechstunden, eLearning – und sogar die erste, virtuelle Krankenhauskette. Im Prinzip geht es immer darum, Patient:innen mit Healthcare Professionals im weiteren Sinne zu vernetzen. Die Transaktionen zwischen den Akteuren werden mithilfe der eigens geschaffenen Cryptocurrency AIMX abgewickelt und laufen somit dezentral und ohne Zutun eines Staates ab.

Ob das funktioniert, wird sich zeigen. Aber der Ansatz, alle diese Themen auf Blockchain-Basis anzugehen, sichtbar und transparent für alle Stakeholder, klingt im Vergleich zu ePA und Co. fast schon revolutionär.

Faszinierend bei den Kryptocoins und Health Tokens sind also nicht nur die Narrative, sondern auch der von ihnen ausgehende disruptive Charakter. Im Falle von Aimedis bietet er die große Chance, derartig komplexe Systeme wie ein Gesundheitswesen neu zu denken und grundlegend anders zu konstruieren – und das ist doch an sich schon ein Gewinn, auch wenn ein einzelnes Projekt mal nicht reüssieren sollte.