Worauf sollte beim Influencer Marketing in Zeiten von Corona geachtet werden?
Welche Auswirkungen hat die aktuelle Situation auf das Influencer Marketing? Müssen geplante Kampagnen über Bord geworfen werden? Und wie gelingt eine glaubwürdige Krisenkommunikation? Wir haben Experten um Ihre Meinung gebeten.
Jan Nicolas König, ODALINE: Angemessenen und kreativen Content bieten
Genau wie beim Performance Marketing muss sich die Bildsprache beim Influencer Marketing der Situation anpassen. Gleiches gilt kurzfristig für die Anpassung der Budgets. Wenn ich Influencer jetzt als Vehikel brauche, um Kunden darüber zu informieren, dass es mein Produkt auch digital gibt – oder eben ohne Kontakt wie bei McDonalds Delivery. Dann ist der Kanal Influencer Marketing aktuell sehr zu empfehlen, weil die Nutzungsdauer von Feeds aktuell höher ist als vor Corona. Plus: Die Chance, Content zu produzieren gemeinsam mit Influencern ist in dieser Situation größer denn je. Die Kreativagenturen und Produktionen sind lahmgelegt. Influencer können von zu Hause Branded Content produzieren und den Marken nötigen Content liefern – mit den richtigen Briefings.
Jan Nicolas König, Co-Founder von ODALINE
Tom Nollau, Lucky Shareman: Kommunikationsstrategien durchdenken
Die aktuelle Corona-Lage hat Auswirkungen in allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens. Und natürlich auch im Influencer Marketing.
Dabei zeigt sich deutlich, dass sich Marken wie Influencer jetzt mehr denn je sehr bewusst Gedanken machen müssen, wie sie kommunizieren. Einerseits darf es ein „Weiter so“ dabei nicht geben. Denn weltfremde Alles-ist-gut-Kommunikation und plumpe Produkt-Kampagnen mit Rabatt-Codes werden von Followern, Communitys aktuell noch viel kritischer als sonst beäugt. Billig aufgezogene, klickstarke Gewinnspiele oder reine Selbstinszenierung passen nicht in die Zeit von Selbstreflexion, Solidarität und Unsicherheit.
Andererseits sollten Marken nicht zu viel zaudern oder die Kommunikation über soziale Medien oder Influencer ganz abschreiben. Nach wie vor erreicht man die jüngeren Zielgruppen über diese Kanäle so gut wie über kaum einen anderen Weg. Zudem haben diverse Umfragen der Influencer bei ihren Followern gezeigt, dass die Akzeptanz für Werbepostings generell noch hoch ist.
Was also tun, wenn man eine Kampagne geplant hat, mitten in der Umsetzung steckt oder neu planen möchte? Das ist relativ einfach: die kreative Auseinandersetzung mit der Situation suchen. Totschweigen bringt nichts, platt aufgreifen ebenso wenig. Es müssen Ideen her, wie Situation und Ziel der Kampagne in Einklang gebracht werden können. Zum Beispiel die Konzentration auf die aktuelle Solidarität, was wiederum auch positive Effekte auf das Image eines Unternehmens haben kann.
Ein weiterer Vorteil dabei: Die meisten professionellen Influencer sind diese Herausforderungen gewohnt. Es gilt, ihre Kreativität (und die der betreuenden Agentur) zu nutzen. Dann ergeben sich auch in der Krise Chancen. Denn Influencer können auch in der aktuellen Situation mit wenig Equipment und Manpower hochwertigen Content produzieren – auch aus dem eigenen Zuhause. Und können somit in Zeiten, in denen ganze Produktionszweige lahm liegen, mehr als nur eine Alternative für Markenkommunikation sein.
Tom Nollau, Geschäftsführer von Lucky Shareman
Jörn Mecher, INTERMATE Media: In Zeiten von Corona einen Mehrwert stiften
Die Entwicklung, vor der wir stehen, ist spannend und birgt Gefahren, Risiken und Umsatzeinbußen – auf der anderen Seite allerdings auch Möglichkeiten und neue Themenfelder.
Im ersten Schritt haben wir uns gefragt, wie oder ob die Community in Zeiten wie diesen überhaupt Werbung bzw. Marken-Kooperationen sehen möchte. Dafür haben wir eine Befragung in Form einer Mini-Studie veröffentlicht, bei der zehn Influencer ihre in Summe ca. 6.000.000 Follower befragt haben. Das Ergebnis: 76 Prozent wollen aktiv Marken-Kooperationen sehen und ein Stück „heile Welt“ haben.
Aber heile Welt ist nicht gleich heile Welt. Ein Influencer Post zeigt eine Momentaufnahme aus dem Leben des Influencers. Trotz Corona ist nicht jeder Moment schlecht oder von Traurigkeit definiert.
Was aber nicht geht – und das sind Einschnitte in der Kreation, im Storytelling und in der Strategie – das Leben jetzt zu zeigen, wie es mal war. Eine Chips-Firma hat ggf. eine gemeinsame Netflix-Party für eine Influencer-Kooperation vorgesehen – das geht nicht mehr. Wir weichen aus und bedienen uns der Netflix Stream Parties und verlagern alles auf ein Social-Distance-gerechtes Digitalformat.
Und genau hier liegt auch eine derzeitige Chance: Wie können Influencer entweder mit Marken- oder ohne Markenkooperation für Inspiration sorgen? Wie kann man Social Distancing so gestalten, dass es sich so nah wie möglich anfühlt? Wie gut fühlt es sich an, wenn man für seine Nachbarn, die zur Risikogruppe gehören, etwas einkaufen geht? Welche Mittel haben wir gefunden, uns als Influencer-Paar nicht nach dreiwöchiger Quarantäne an die Gurgel zu gehen?
All diese Fragestellungen hat derzeit vermutlich jeder – Influencer können Antworten an eine enorm große Gefolgschaft geben und genau hier wird es spannend für Marken. Können Marken hier als stimmiger und glaubhafter Enabler dieser Lösungen agieren? Dann wird es für die Werbungstreibenden ein großer Coup und man kann in der Kommunikation profitieren.
ABER: man darf die Situation und Krise keinesfalls ausnutzen. Man muss einen Mehrwert stiften. Dieser Mehrwert kann reine Unterhaltung und Entertainment sein – das sehen wir am Phänomen TikTok, wo die Nutzerzahlen gerade durch die Decke gehen.
Eine spannende Kampagne, die wir gerade umgesetzt haben, ist bspw. das Aufspringen auf die Handwasch-Challenge der WHO. Gemeinsam mit unserem Partner Eucerin haben wir hier Influencer aktiviert, die mit Eucerin diese Challenge antizipieren und weitere Nutzer aufrufen, es ihnen gleichzutun.
Dabei steht die Eucerin Handwaschcreme natürlich bei den Influencern als Produkt der Wahl im Badezimmer – bei den nominierten Accounts geht es aber dann wieder rein um die Challenge.
Jörn Mecher, Co-Founder & Managing Director von INTERMATE Media