Was wir von Netflix lernen können

Der erfolgreiche Wandel von Netflix zum Streaming-Giganten ist ein lehrreiches Beispiel der digitalen Transformation.

Was wir von Netflix lernen können
Photo: Netflix

Wenn wir heute über TV-Streaming reden, kommen wir nicht an Netflix vorbei. Kein anderer Anbieter prägt die Streaming-Revolution nachhaltiger als das Unternehmen aus der kalifornischen Kleinstadt Los Gatos. Dabei fing alles mit einer heute eher unspektakulär anmutenden Idee an: 1997 startete Netflix als Online-Version einer Videothek, bei der die Kunden DVD- und Blue-ray-Filme über das Internet ausleihen konnten. Letztlich war das der Start der digitalen Transformation, die bis heute anhält. Und die war auch notwendig, denn mit dem ursprünglichen Geschäftsmodell wären das Unternehmen der Gründer Reed Hastings und Marc Rudolph schnell wieder vom Markt verschwunden. Nur zehn Jahre nach dem Start und fünf Jahre nach dem Börsengang mischte Netflix den Markt abermals auf – und zugleich sich selbst. Im Jahr 2007 durchbrach man die Schallmauer von einer Milliarde verschickter DVDs und startete mit dem ersten Streaming-Angebot gleichzeitig das Ende des eigenen Geschäftsmodells.

Transformationsfähigkeit

Heute wissen wir, dass diese mutige Entscheidung genau richtig war: Netflix ist in über 190 Ländern verfügbar und zählte im zweiten Quartal 2018 über 130 Millionen Abonnenten. Dieses Beispiel zeigt uns auch sehr deutlich, dass die digitale Transformation kein Projekt mit einem Start und einem Ende ist, sondern vielmehr ein überdauernder Prozess.

Take-Away #1: Digitale Transformation endet nie.

Pricing

Der Wettbewerb wird nicht nur über den günstigsten Preis entschieden, manchmal sind neue Preismodelle noch überzeugender. Bei Netflix gab es beispielsweise gleich zum Start keine Gebühren für eine verspätete Rücknahme. Und bereits 1999 wurde das noch heute aktuelle Flatrate-Modell eingeführt: Ein fixer Preis und man kann so viele Filme schauen, wie man möchte. Heute gibt es zudem einen kostenlosen Probemonat, bevor das Abo im Basispaket mit 7,99 Euro startet – ein Preis, der oft unter dem eines einzigen Kinobesuchs liegt. Ein Qualitätsversprechen ist zudem der Verzicht auf Knebelverträge, denn das Abo ist jederzeit kündbar.

Take-Away #2: Das All-you-can-see-Modell macht den schon niedrigen Preis nochmals attraktiver.

Exklusivität durch Eigenproduktionen

Etwa eine Milliarde US-Dollar ließ sich Netflix 2010 die Rechte am Online-Vertrieb der Filme von namhaften Studios (u.a. Paramount Pictures, Metro-Goldwyn-Mayer) kosten. Doch damit stand man immer noch in Konkurrenz zu den starken Kabelanbietern in den USA. Das änderte sich erst mit sehr erfolgreichen Eigenproduktionen wie „House of Cards“ oder „Orange is the New Black“. Heute gibt es in den USA bereits einen Begriff für die steigende Zahl derjenigen, die vom klassischen TV zum Streaming wechseln: Cord Cutter.

Take-Away #3: Exklusivität ist ein hervorragendes Verkaufsinstrument und bindet Kunden.

Personalisierung

Es gibt 33 Millionen verschiedene Netflix-Versionen“, erklärte schon 2013 Boris Evers, damals Kommunikationschef von Netflix. Gemeint ist damit, dass das gesamte Streaming-Portal personalisiert ist und jeder Nutzer seine individuelle Version für seine eigenen Vorlieben bekommt.

Take-Away #4: Personalisierung braucht individuellen Nutzen.

Predictive Analytics

Das Tracking von Nutzerdaten ist bei Konsumenten verpönt, doch Netflix generiert daraus eine so einzigartige Customer Experience, dass die Abonnenten davon direkt profitieren. Die Nutzer können mit ihrem Verhalten nicht nur ihre Empfehlungen steuern, sondern sogar zukünftige Produktionen beeinflussen: Netflix schaut sich sehr genau an, an welchen Stellen die Nutzer vor- oder zurückspulen, wo sie stoppen und wo sie aussteigen. Auch A/B-Testing spielt eine wichtige Rolle. Eine Erkenntnis war beispielsweise, dass Nutzer Serien gerne als komplette Staffeln schauen und nicht nur eine Folge pro Woche. Heute ist dieses Verhalten als Binge Watching bekannt.

Take-Away #5: In den Nutzerdaten steckt Optimierungspotenzial für die gesamte Wertschöpfungskette.

KI für mehr Streaming-Qualität

Das enorme Wachstum auf vielen verschiedenen Märkten mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Verhaltensmustern der Nutzer ist eine riesige Herausforderung für die versprochene Streaming-Qualität. Netflix setzt daher an vielen Stellen Künstliche Intelligenz ein, beispielsweise um die Netzkapazitäten zu analysieren und vorhersehbare Engpässe mit zusätzlichem Caching zu verhindern.

Take-Away #6: Qualität ist ein Versprechen, das eingehalten werden muss.

Fazit:

Netflix ist ein Unternehmen im ständigen Fluss und hat damit quasi sein Produkt (Streaming = fließend) zur Unternehmensphilosophie gemacht. Der Einsatz modernster und zum Teil selbst entwickelter Technologien dient dabei nicht vorrangig der Gewinnmaximierung, sondern der konsequenten Weiterentwicklung mit dem Ziel der bestmöglichen Kundenerfahrung. Das ist es was wir letztlich von Netflix lernen sollten: Die Customer Experience ist der Weg zum Erfolg.