Was Influencer und Unternehmen wirklich dürfen

Medienanwalt Christian Solmecke erklärt, worauf Unternehmen bei ihrem Social-Media-Auftritt achten müssen und welche Fragen immer noch nicht klar geregelt sind.

Christian Solmecke
Christian Solmecke ist Rechtsanwalt für Medienrecht und IT-Recht und Partner der Kanzlei Wilder Beuger Solmecke

Wer als Unternehmen Social Media betreibt, wird über kurz oder lang auf eine Vielzahl von rechtlichen Unklarheiten treffen und einigen Sachverhalten begegnen, bei denen sich selbst deutsche Gerichte uneinig sind, wie die geltenden Gesetze auszulegen sind. Es geht dabei um Markenrecht, um Urheberrecht und allzu oft auch um den Vorwurf unlauterer Werbung. So hat kürzlich mal wieder ein Urteil um die Werbekennzeichnungspflicht bei Influencer-Posts für Schlagzeilen gesorgt. Wir haben daher mit Rechtsanwalt Christian Solmecke von der auf Medienrecht spezialisierten Kanzlei WBS Law gesprochen und ihn gefragt, was Unternehmen beachten müssen, um rechtlich mit dem Social-Media-Auftritt auf der sicheren Seite zu sein.

 

DMEXCO: Unternehmen verwenden in ihren Social-Media-Auftritten eine Vielzahl von Fotos – teilweise eigene Produktbilder, teils aber auch Stockmaterial. Wie kennzeichnet man dabei überhaupt korrekt die Urheberschaft, so dass diese auch im Posting zu sehen ist?

 

Christian Solmecke: Es ist natürlich möglich, mit selbst erstellten Bildern zu arbeiten. Wenn man einen externen Fotografen beauftragt, sollte man darauf achten, sich die Nutzungsrechte für Social Media einräumen zu lassen und eine Regelung über die Urhebernennung zu treffen. Möchte man dagegen Stockfotos nutzen, muss man darauf achten, dass man auch eine Social Media-Version des Bildes gekauft hat. Diese gesonderten Versionen erkennt man tatsächlich daran, dass die Urheberangabe auch im Facebook-Vorschaubild noch erkennbar ist. Darüber hinaus ist diese Lizenz dadurch gekennzeichnet, dass der Fotograf explizit die Nutzung in Social Media erlaubt hat.

 

DMEXCO: Was ist bei Meinungsäußerungen und Bewertungen, etwa in einem Forum oder auf der Facebook-Seite, zu beachten? Haftet ein Unternehmen oder ein Shopbetreiber da beispielsweise für Aussagen von unbedarften Nutzern oder fällt das grundsätzlich unter das Recht auf freie Meinungsäußerung?

 

Christian Solmecke: Hier gilt das „notice-and-takedown“-Verfahren. Der Betreiber eines Shops haftet also zunächst nicht für solche Kommentare und muss die Kommentarspalte oder die Bewertungen auch nicht initiativ auf Rechtsverletzungen hin überprüfen. Allerdings muss er zeitnah reagieren, sobald ihm eine Rechtsverletzung gemeldet wurde. Dann muss er einen entsprechenden Kommentar prüfen und löschen. Tut er dies nicht, kann er selbst auf Löschung abgemahnt oder verklagt werden und muss dann gegebenenfalls die Abmahn- und Gerichtskosten zahlen. Allerdings haftet der Betreiber nicht als Täter einer rechtsverletzenden Äußerung, solange er sie sich nicht zu Eigen macht, also etwa dem Nutzer öffentlich Recht gibt.

 

DMEXCO: Worauf kommt es bei der Werbekennzeichnung von Content in sozialen Medien an? Sicherlich muss ja nicht jeder Post des Unternehmens entsprechende Hinweise tragen, aber wie ist das mit Botschaften, die von Influencern kommen?

 

Christian Solmecke: Das lässt sich auch nach dem aktuellen Gerichtsurteil um Cathy Hummels zumindest dann nicht immer pauschal sagen, besonders wenn man als grundsätzlich gewerblich tätiger Influencer für ein Posting keine Gegenleistung erhalten hat. Nach dem Tenor einiger Gerichtsentscheidungen wäre es für Influencer empfehlenswert, jede Erwähnung oder Verlinkung von Markennamen, Unternehmen, Produkten, anderen Influencern oder Orten grundsätzlich als Werbung zu kennzeichnen. Die Gerichte urteilen, dass Influencer letztlich immer gewerblich agieren und die Nutzer auch darüber aufgeklärt werden müssen. Folgt man nun der Ansicht des LG München I, so kann man als sehr populärer Influencer (in dem Fall Cathy Hummels) zumindest dann auf eine Kennzeichnung verzichten, wenn man für den Beitrag keine Gegenleistung erhalten hat. Denn die Nutzer wüssten um die Gewerblichkeit des Accounts. Das Kammergericht Berlin schließlich hat geurteilt, dass man sich über jeden einzelnen Post Gedanken machen muss, um zu entscheiden, ob die Erwähnung oder Verlinkung etwa eines Unternehmens nun in einem redaktionellen Zusammenhang mit dem Inhalt des Postings stehen oder nicht.

Allgemein sollte man einen Beitrag immer als Werbung kennzeichnen, wenn man eine Gegenleistung erhalten hat oder der Post mit Bedingungen verknüpft war. Aufgrund der strengen Rechtsprechung sollte man besser auch kennzeichnen, wenn das Produkt kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, ohne dass dies an Bedingungen geknüpft war. Auch wenn man ein Produkt zu positiv darstellt, es etwa im Mittelpunkt steht, eine werbende Sprache verwendet wird und/oder Bildmaterial, Produkt- oder Markenslogans übernommen werden, riecht das nach Werbung und der daraus resultierenden Verpflichtung zur Kennzeichnung. Wenn man über eigene Produkte oder Dienstleistungen berichtet oder auf diese verlinkt, ohne sie zu werblich anzupreisen, muss man nur dann nicht kennzeichnen, wenn man die eigene Unternehmerschaft deutlich macht, also wenn sich’s beispielsweise um den Unternehmensaccount bei Facebook oder Instagram handelt.

 

DMEXCO: Was müssen Unternehmen, die mit Influencern zusammenarbeiten denn konkret bei Kennzeichnungspflichen beachten? Haften sie mit, wenn ein in ihrem Auftrag handelnder Influencer ein „#werbung“ oder ähnliches vergisst?

 

Christian Solmecke: Tatsächlich laufen auch die Unternehmen, die Influencer beauftragen, Gefahr, kostenpflichtig abgemahnt oder mit einem Bußgeld bestraft zu werden. Denn auch sie haben dann einen Wettbewerbsverstoß begangen. Unternehmen haften für Beauftragte nämlich verschuldensunabhängig. Selbst wenn man den Influencer vertraglich verpflichtet hat, zu kennzeichnen, kann sich dessen Versehen auf den Auftraggeber auswirken. Dem Unternehmen bleibt dann nur, sich das Geld für die Abmahnung vom Influencer selbst zurückzuholen.

 

DMEXCO: Umgekehrt: Kann ich als Unternehmen einfach einen Test oder ein Video verwenden, um damit meine eigenen Produkte zu bewerben? Oder wo liegen hier Grenzen?

 

Christian Solmecke: Bei der Werbung mit Testergebnissen (etwa der Stiftung Warentest) gibt es eine Vielzahl an wettbewerbsrechtlichen Regeln zu beachten. Die Fundstelle muss korrekt angegeben werden, damit der Verbraucher den Test einsehen und überprüfen kann. Auch darf Werbung mit Testurteilen nicht irreführend sein – etwa im Hinblick auf die tatsächliche Platzierung im Vergleich zu Konkurrenten, Inhalt oder Zeitpunkt des Testes. Der Wortlaut des Testes muss außerdem identisch bleiben, es muss auch das Gesamturteil angegeben werden. Fremde (Test-)Videos darf man aus urheberrechtlicher Sicht bei sich einbetten, nicht aber herunterladen und bei sich neu hochladen oder Ausschnitte aus einem fremden Video verwenden. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht schwierig wird es natürlich, wenn man durch die Aufmachung, einen dazu gehörigen Text oder ähnliches den Anschein erweckt, als würde der Macher des Videos für die eigenen Produkte werben, obwohl tatsächlich keine vertraglichen Beziehungen bestehen.

 

DMEXCO: Die DSGVO hat bei vielen Unternehmen für Unsicherheit gesorgt. Was hat sich im Social Media-Bereich geändert und ist da etwas, über das die Unternehmen jetzt vermehrt stolpern?

 

Christian Solmecke: Das Wichtigste, was es hier bei Social Media zu beachten gilt, ist die Datenschutzerklärung. Es empfiehlt sich, die Hinweise, die jeder auf seiner Webseite hat, auch in den sozialen Medien anzulegen oder zumindest auf einen entsprechenden Abschnitt zu Social Media auf der eigenen Webseite zu verlinken. Man muss hier nicht nur über allgemeine Themen wie die Verarbeitung personenbezogener Daten über Privatnachrichten oder die Kommentarfunktionen informieren und dementsprechend alle Informationspflichten aus Artikel 13 der DSGVO erfüllen, sondern auch etwa bei Facebook-Fanpages noch Besonderes beachten: Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2018 ist klar, dass die Betreiber von Facebook-Fanpages für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten mit Facebook gemeinsam verantwortlich sind. Facebook übernimmt zwar die meisten datenschutzrechtlichen Pflichten. Als Fanpage-Betreiber muss man aber bei Facebook in der Datenschutzerklärung mit angeben, welche Daten man selbst sammelt, auf welcher Rechtsgrundlage diese personenbezogenen Daten verarbeitet werden, wer Verantwortlicher der Seite ist. Außerdem braucht es einen Hinweis darauf, welche Verantwortung Facebook für die Daten übernimmt und dass alle Nutzeranfragen, Geltendmachung von Betroffenenrechten oder Kontaktaufnahmen der Aufsichtsbehörden direkt an den Fanpage-Betreiber gerichtet werden können.

Christian Solmecke (45) hat sich als Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienrechtskanzlei Wilde Beuger Solmecke auf die Beratung der Internet und IT-Branche spezialisiert. So hat er in den vergangenen Jahren den Bereich Internetrecht/E-Commerce der Kanzlei stetig ausgebaut und betreut zahlreiche Medienschaffende, Web 2.0 Plattformen und App-Entwickler.