Totgesagte leben länger: Kein Aus für Third-Party Cookies 2024
Google hat das Aus für Third-Party Cookies erneut verschoben – frühestens 2025 soll ein Nachfolgemodell für alle Nutzer:innen starten. Wir sind auf Spurensuche gegangen und haben bei Google nachgefragt, was der Grund für die erneute Verzögerung ist.
Gespannte Erwartungshaltung in der Werbebranche
Ein Prozent der Google-Chrome-Nutzer:innen hat Januar 2024 den Anfang gemacht – für diese User:innen läuft der Browser bereits ohne Third-Party Cookies. Der einschneidende Schritt schien das endgültige Ende der für Werbetreibende erfolgreichen Technologie zu besiegeln und die Cookieless Future einzuläuten. In Teilen der Branche erzeugte der Umbruch eine wahre Aufbruchstimmung, wie Eric Hall, Vorsitzender der Fokusgruppe Programmatic Advertising im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), berichtet:
„Die digitale Wirtschaft steht seit jeher für Innovationskraft, Umsetzungsgeschwindigkeit und Lösungsorientierung. Third-Party Cookies haben den Erfolg des digitalen Ökosystems fortlaufend begleitet. Trotzdem steht der 4. Januar 2024, der ‚Cookie Depreciation Day‘, in Deutschland für Aufbruch und Chance zur Neuausrichtung der digitalen Werbebranche.
Im BVDW haben wir schon sehr früh die nahenden Herausforderungen erkannt. In fast allen Gremien und in den speziell gegründeten Experten-Labs wurde frühzeitig wertvolle Vorarbeit geleistet. Den im Markt oft propagierten Appell ‚Test & Learn‘ haben wir berücksichtigt und uns intensiv ausgetauscht. Die daraus resultierenden Papiere sind Grundlage und Orientierungshilfe für die neue Zeitrechnung im digitalen Ökosystem.“
Ende April kündigte Google dann an, das endgültige Aus der Third-Party Cookies nicht mehr 2024 umsetzen zu können. Zu groß sind noch die Differenzen mit den betroffenen Parteien: also Nutzer:innen, Werbetreibenden und Behörden. Der Beginn der Post-Cookie-Ära wurde wieder einmal verschoben.
Erprobte Lösungen statt „Augen zu und durch“
Wie sieht die Welt nach dem Ende von Third-Party Cookies aus? Diese Frage stellen sich nach wie vor viele Werbetreibende und Stakeholder im Marketing. Und manche Interessengruppen hinken bei den Vorbereitungen noch hinterher – so ergab eine Umfrage von Teads im Mai 2024, dass nur 32 Prozent der Publisher:innen auf das Cookie-Aus vorbereitet sind. Es fehlt anscheinend noch die finale Antwort auf eine der Zukunftsfragen der digitalen Werbewelt
Komplett unvorbereitet auf den Technologiewandel ist die digitale Werbebranche allerdings nicht. Eric Hall hebt hervor, dass neue Lösungen ebenso erfolgreich sein können: „Wir haben schnell gelernt, dass es Alternativen für die Adressierbarkeit der Werbezielgruppe gibt. Dass sich die technischen Errungenschaften aus zwei Dekaden Produktentwicklung auch ohne Third-Party Cookies weiterführen lassen. Dass es nicht die eine Alternative gibt, sondern wir eine Vielzahl von Signalen, Identifikatoren und Daten nutzbar machen können. Interoperabilität verhalf vielen Lösungen zum Durchbruch.“
Gerade im Jahr 2024 ist die Branche laut Eric Hall mit großen Schritten in Richtung einer Zukunft ohne Third-Party Cookies gegangen:
„Auch wenn das Post-Cookie-Zeitalter vor der Tür steht, hat es schon viel früher begonnen. Schon vor langer Zeit haben sich Safari und Firefox vom Cookie verabschiedet. Und trotzdem stellt das finale Aus eine Zäsur dar. Trotz mehrfacher Verzögerung lässt sich nicht pauschal beantworten, inwieweit die deutsche Werbebranche ausreichend vorbereitet ist. Es gibt sicher Unterschiede in der ‚Readiness‘ im Ökosystem. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass das in diesem Jahr entstandene Level of Urgency von allen erkannt wurde und den Transformationsprozess dort beschleunigt, wo eventuell noch etwas Nachholbedarf besteht.“
Die DMEXCO hat gefragt, Google hat geantwortet
Angesichts bereits getesteter Systeme und einer innovativen Digitalbranche stellt sich die Frage, woran es beim Cookies-Ausstieg noch hakt. Eine Antwort auf diese Frage hat uns Lidia Schneck aus dem Privacy & Chrome Partnerships Team von Google gegeben. Sie ist für die Privacy Sandbox APIs von Chrome und Android in Nordeuropa verantwortlich.
Google arbeitet eng mit der britischen Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde CMA und der britischen Datenschutzbehörde ICO zusammen. Welche Ergebnisse oder Maßnahmen sind daraus in den letzten Monaten entstanden und können wir tatsächlich mit einer Abschaffung der Drittanbieter-Cookies Anfang 2025 rechnen?
Lidia Schneck: „Unsere Vision für die Privacy Sandbox ist es, ein nachhaltiges Werbe-Ökosystem für das offene Web mit einem starken Schutz der Privatsphäre der Nutzer:innen zu gewährleisten. Die APIs ermöglichen Unternehmen die Auswahl und Messung von Werbung, ohne dass einzelne Nutzer:innen über Websites hinweg identifiziert oder nachverfolgt werden können und ohne auf Cookies von Drittanbietern angewiesen zu sein. Wir haben immer damit gerechnet, dass dieser Wandel eine Einigung zwischen verschiedenen Standpunkten erfordern würde. Um das zu erreichen, haben wir eng mit der CMA und der britischen Datenschutzbehörde ICO – sowie mit Interessenvertreter:innen aus der Branche – zusammengearbeitet.
Im September 2023 haben wir einen wichtigen Meilenstein erreicht und die Relevanz- und Mess-APIs der Privacy Sandbox für das Web allgemein verfügbar gemacht – das bedeutet, dass Werbeunternehmen und Entwickler:innen die Nutzung dieser neuen Technologien in ihren Produkten und Diensten skalieren können, da diese jetzt für die Mehrheit der Chrome-Nutzer:innen verfügbar sind.
Wir werden weiterhin eng mit der CMA und der ICO zusammenarbeiten und hoffen, dass wir diesen Prozess noch in diesem Jahr abschließen können. Wenn wir eine Einigung erzielen können, wollen wir Anfang nächsten Jahres mit der Abschaffung der Drittanbieter-Cookies beginnen. Updates hierzu sind unter privacysandbox.com einsehbar.
Mit Blick auf die Zukunft erwarten wir, dass sich die APIs im Laufe der Zeit durch die Nutzung und das fortlaufende Feedback aus dem Ökosystem weiterentwickeln werden. Dabei werden wir immer danach streben, Datenschutz und Nützlichkeit zu vereinen. Wir werden weiterhin mit der CMA und der ICO sowie mit anderen Datenschutz- und Wettbewerbsbehörden weltweit zusammenarbeiten, um ein Ergebnis zu erreichen, das für die Nutzer:innen und das gesamte Ökosystem funktioniert.“
Welche Empfehlung geben Sie Marketer:innen, um sich bestmöglich auf die Post-Drittanbieter-Cookie-Welt vorzubereiten?
Lidia Schneck: „Unsere Message ist ganz klar: Bereitet euch vor, analysiert die Abhängigkeiten von Drittanbieter-Cookies und setzt Pläne auf, wie ihr diese konkreten Anwendungsfälle angehen könnt. Nutzt sowohl die Privacy Sandbox als auch andere datenschutzfreundliche Tools. Wir haben hierfür eine Reihe von Leitfäden für Marketer:innen, Publisher und Ad-Tech-Anbieter erstellt, die hoffentlich für alle Beteiligten nützlich sind.
- Im Allgemeinen empfehlen wir allen, ihr Interesse bei ihren Ad-Tech-Anbietern zu bekunden, die möglicherweise nach Testteilnehmer:innen und Early Adoptern suchen. Sie können ihr Interesse an Tests auch über die öffentlichen (GitHub) Tester:innen-Seiten für Topics, Protected Audience und Attribution Reporting
- Wenn jemand für die Funktionalität seiner Website auf Cookie-Daten von Drittanbietern angewiesen ist, kann er unseren Leitfaden zur Vorbereitung auf die Abschaffung von Drittanbieter-Cookies lesen, um herauszufinden, ob CHIPS oder Related Website Sets seine Anforderungen erfüllen können.
- Es könnte sein, dass sich andere Drittanbieter, mit denen zusammengearbeitet wird, auf Drittanbieter-Cookies für die Website-Funktionalität verlassen. In diesem Fall empfehlen wir, sich mit diesen Anbietern in Verbindung zu setzen, um ihre Pläne für die Abschaffung von Cookies von Drittanbietern zu erfahren.
Die APIs der Privacy Sandbox bieten Bausteine, die Unternehmen bei der Erreichung ihrer Geschäftsziele unterstützen und gleichzeitig die Privatsphäre der Menschen schützen sollen. Es ist wichtig zu verstehen, dass sie nicht als Eins-zu-eins-Ersatz für Drittanbieter-Cookies oder Cross-Site-Identifikatoren gedacht sind. Sinnvolle Verbesserungen für den Schutz der Privatsphäre aller Nutzer:innen zu realisieren, funktioniert nicht, wenn gleichzeitig der Anspruch besteht, dass jeder Marketingansatz von heute schlichtweg kopiert und beibehalten werden soll. Stattdessen sollte man daran arbeiten, die bestehenden Ansätze anzupassen und, wenn nötig, mit Blick auf die Geschäftsziele neue zu entwickeln. Wir sprechen hier über einen grundlegenden Wandel, der Investitionen, Arbeit und vor allem eine enge Zusammenarbeit erfordert. Aus unserer Sicht ist dieser Wandel notwendig und realisierbar.“
Welche Herausforderungen gibt es für Google aktuell?
Lidia Schneck: „Der Erfolg der Privacy Sandbox hängt wesentlich von der kollektiven Zusammenarbeit der gesamten Branche ab. Das bedeutet ganz konkret, dass Hunderte Expert:innen und Entwickler:innen sich in diversen Foren und Diskussionsrunden über das API-Design austauschen und ihr Feedback eingeben. Nachdem wir im vergangenen Januar Drittanbieter-Cookies für ein Prozent der Chrome-Nutzer:innen entfernt haben, um Ad-Tech-Tests zu ermöglichen, haben wir eine Zunahme an Rückmeldungen aus dem gesamten Ökosystem verzeichnet, da sich nochmals mehr Interessengruppen engagiert haben. Hinzu kommen Rückmeldungen seitens der Regulierungsbehörden. Das alles unter einen Hut zu bringen, ist auch für uns eine Herausforderung, aber genau auf diesen Austausch und diese Zusammenarbeit kommt es unserer Meinung nach an, um neue Standards für den Datenschutz im Internet zu schaffen.“
„Kurzum: Die Privacy Sandbox ist kein Alleingang von Google.“
Abschied von den Third-Party Cookies: Gemeinsam in die Cookieless Future
Third-Party Cookies waren jahrelang das Rückgrat der digitalen Werbewirtschaft. Nun kommt es darauf an, alternative Lösungen zu finden. Daran arbeiten aktuell zahlreiche Interessengruppen gleichzeitig – und ein Ende dieser Gruppenarbeit ist noch nicht in Sicht. Damit Google seine anvisierte Deadline für den Umstieg Anfang 2025 einhalten kann, müssen all jene ihren Beitrag leisten, die auch nach dem Cookie-Aus ein Stück vom Kuchen der Werbeplätze wollen. Ein lösungsorientiertes Vorbild kann in dieser Hinsicht die Arbeit des BVDW sein.