Neue Welt der Werbung: Das sind die Alternativen zu Third-Party Cookies

Auch Google wird künftig kein Tracking mit Third-Party Cookies mehr unterstützen. Es müssen also Alternativen her. Katharina Arntzen von Google liefert im Interview Fakten aus erster Hand.

Third-Party Cookies werden bald nicht mehr von Google Chrome unterstützt.
Bild: © abimagestudio / Adobe Stock

Third-Party Cookies: Die Welt der Werbung verändert sich

Ein regelrechter Aufschrei ging durch die Werbebranche, als Google im vergangenen Jahr bekanntgab, in Chrome künftig keine Third-Party Cookies mehr zu unterstützen. Damit wird der weltweit wichtigste Absatzkanal für Third-Party Ads wegfallen. Durch den Entschluss der Browserbetreiber, auf Third-Party Cookies zu verzichten, stehen Werbetreibende vor einer echten Herausforderung. Schließlich beruht ein großer Teil der weltweiten Ad-Kampagnen auf der Third-Party-Technologie. Steht das Werben im Web also vor dem Aus?

Nein, ganz im Gegenteil, schon jetzt sind neue Lösungen und Alternativen zum personalisierten Tracking in der Entwicklung – beispielsweise im Rahmen von Googles Maßnahmenbündel Privacy Sandbox, das Werbung und Privatsphäre in neuen Einklang bringen soll. Wir sprachen darüber mit Katharina Arntzen, Head of Ads Privacy In-Country Leads in Googles EMEA Go-to-Market-Team.

Google verzichtet ja nun wie andere Browserbetreiber auch auf Third-Party Cookies und wird keine entsprechenden Folgetechnologien mehr unterstützen. Warum, was waren die Beweggründe für diese Entscheidung?

Katharina Arntzen: Das Internet, wie wir es heute kennen – mit Informationen zu wirklich jedem Thema und in jeder Sprache auf Knopfdruck verfügbar für Milliarden von Menschen – ist ohne Werbung als seine wirtschaftliche Grundlage kaum denkbar. Es liegt auf der Hand, dass sich die digitale Werbung weiterentwickeln und auf die wachsenden Bedenken der Menschen hinsichtlich ihrer Privatsphäre und der Nutzung ihrer persönlichen Identität reagieren muss. Ansonsten setzen wir die Zukunft des freien und offenen World Wide Web aufs Spiel. Mit der Privacy Sandbox wollen wir gemeinsam mit der Branche Innovationen entwickeln, die die Privatsphäre schützen und gleichzeitig Werbetreibenden und Publishern Ergebnisse liefern.

Wir werden nach dem stufenweisen Verschwinden der Drittanbieter-Cookies keine alternativen Identifikatoren entwickeln, um Personen beim Surfen im Internet zu tracken, und wir werden diese auch nicht in unseren Produkten verwenden. Stattdessen werden unsere Web-Produkte von datenschutzfreundlichen APIs unterstützt, die individuelles Tracking verhindern und dennoch Werbetreibenden und Publishern zum Erfolg verhelfen.

"Wir sehen es als unsere Aufgabe an, ein lebendiges und offenes Ökosystem zu erhalten, in dem die Menschen auf eine breite Palette werbefinanzierter Inhalte zugreifen und darauf vertrauen können, dass ihre Privatsphäre und ihre Wahlmöglichkeiten respektiert werden."

Katharina Arntzen, Head of Ads Privacy In-Country Leads in Googles EMEA Go-to-Market-Team

Welche Auswirkungen hat das Verschwinden von Third-Party Cookies für Werbetreibende? Was sollten diese jetzt tun?

Katharina Arntzen: Wir sehen vier wichtige Bereiche, die Werbetreibende im Jahr 2021 fokussieren sollten:

  • Erstens: Für Brands ist es wichtig, direkte Beziehungen zu Kunden aufzubauen bzw. die Kundenbeziehung zu stärken. Eine First-Data-Strategie ist entscheidend. Wobei das Thema Datenschutz „top of mind“ sein sollte. Sprich: Es sollte klar mit Kunden kommuniziert werden, wie deren Daten genutzt und gespeichert werden.
  • Zweitens: Unternehmen sollten darauf achten, First-Party-Daten zu pflegen und mit internen Systemen zu verbinden. Laut einer von Google in Auftrag gegebenen Studie der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2020 sind gerade jene Unternehmen erfolgreicher, die ihre gesamten eigenen Datenquellen mit wichtigen Messwerten verknüpfen, statt sie nur begrenzt zu nutzen. Diese Unternehmen verdoppeln teilweise mit einer einzigen Anzeigen-Platzierung ihren Umsatzzuwachs und schneiden auch bei der Kosteneffizienz bis zu 1,5-mal besser ab.
  • Drittens: Unternehmen sollten überlegen, auf unser sogenanntes allgemeines Website-Tag zu setzen. Mit diesem Tag haben werbetreibende Unternehmen die Möglichkeit, die Genauigkeit ihrer Online-Conversion-Messungen zu verbessern, gleichzeitig werden Einblicke ermöglicht, um digitale Marketingkampagnen zu optimieren.
  • Viertens: Werbetreibende Unternehmen sollten langfristig denken und planen. Sie sollten in den Aufbau vertrauenswürdiger Kundenbeziehungen investieren, genauso wie in eine starke First-Party-Datenstrategie als auch in ein datenschutzorientiertes Online-Erlebnis.

Im Rahmen des Privacy-Sandbox-Projekts entwickelt Google ja bereits datenschutzkonforme Alternativen. Dazu gehört das sogenannte Federated Learning of Cohorts (FLoC). Wie funktioniert diese Technologie und welche Vorteile hat sie?

Katharina Arntzen: Federated Learning of Cohorts (FLoC) ist im Kern eine Open-Source-Technologie, mit der Unternehmen Menschen mit relevanten Inhalten und Anzeigen erreichen können. Dabei werden große Gruppen mit ähnlichen Interessen zu Clustern zusammengefasst. Dieser Ansatz lässt Einzelpersonen effektiv „in der Menge“ verschwinden und nutzt die geräteinterne Verarbeitung, um deren Browserverlauf zu schützen.

Der Browser verwendet die FLoC-Technologie, um festzustellen, welche Kohorte am ehesten dem aktuellen Web-Browsing-Verlauf eines Nutzers entspricht. Dabei verlässt der persönliche Browserverlauf des Nutzers weder den Browser noch sein Gerät und wird auch nicht an Dritte weitergegeben. So können Nutzer weiterhin relevante Werbung und Inhalte sehen, ohne dass sie im gesamten Web verfolgt werden müssen.

In den ersten Experimenten haben wir festgestellt, dass FLoCs eine bemerkenswert gute Leistung erbringen können ‒ wir konnten eine Verbesserung des Wiederaufrufs um 350 % und eine Verbesserung der Trefferquote um 70 % gegenüber zufälligen Clustern erzielen

FLoCs ist einer von mehreren Vorschlägen der Privacy Sandbox zum Anzeigen relevanter Inhalte und Anzeigen im Internet. Wir befinden uns noch ganz am Anfang. Chrome arbeitet mit dem Web-Ökosystem, einschließlich dem World Wide Web Consortium, zusammen und wird fortlaufend Feedback implementieren, Verbesserungen vornehmen und Fortschritte teilen. Wir hoffen, dass andere Plattformen und Browser diese neue Technologie in Zukunft als datenschutzkonformen Weg zur Unterstützung des breiteren Werbe-Ökosystems einsetzen.

Im DMEXCO-Interview: Katharina Arntzen

Katharina Arntzen ist Head of Ads Privacy In-Country Leads in Googles EMEA Go-to-Market-Team. Zusammen mit ihrer Abteilung unterstützt sie Werbetreibende, Agenturen und Verlage sich in einem verändernden Ökosystem zurechtzufinden und erfolgreich zu bleiben. Des Weiteren repräsentiert sie Google bei Branchenverbänden. Katharina ist seit elf Jahren bei Google und war unter anderem im Sales für die Google Marketing Platform in der Schweiz und Großbritannien tätig. Sie ist Referentin bei zahlreichen Konferenzen und Gastdozentin im Bereich Digital Marketing an der ESCP und Henley Business School.

Katharina Arntzen, Head of Ads Privacy InC Leads in Googles EMEA Go-to-Market-Team

Kritische Stimmen meinen, dass die technischen Neuerungen zwar ein großes Plus für die Privatsphäre sind, Marketer aber gleichzeitig von Google abhängiger machen. Wie steht Google dazu?

Katharina Arntzen: In der Tat kann unsere jüngste Entscheidung, keine alternativen Identifikatoren für die Verfolgung von Personen im Web zu entwickeln, dazu führen, dass sich einige Unternehmen von unserer Plattform abwenden. Grund: Wir entwickeln Tools, die die Privatsphäre besser schützen, andere Unternehmen bieten aber weiterhin die Möglichkeit, Benutzer durch persönlich identifizierende Informationen im Web zu verfolgen. Wir sind uns bewusst, dass andere Anbieter dann möglicherweise eine Stufe der Benutzeridentität für das Ad-Tracking im Web anbieten können, die wir nicht bieten – wie beispielsweise PII-Graphen anhand persönlicher E-Mail-Adressen.

Wir glauben nicht, dass diese Lösungen den steigenden Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher in Bezug auf den Datenschutz gerecht werden und den sich schnell entwickelnden regulatorischen Beschränkungen standhalten können, und daher stellen sie keine nachhaltige langfristige Investition dar Stattdessen werden unsere Web-Produkte von datenschutzfreundlichen APIs unterstützt, die individuelles Tracking verhindern und dennoch Werbetreibenden und Publishern zum Erfolg verhelfen.

Welche weiteren Entwicklungen plant Google im Rahmen des Privacy-Sandbox-Projekts und darüber hinaus in den kommenden Jahren?

Katharina Arntzen: Die Privacy Sandbox umfasst mehrere Vorschläge für Bereiche wie Conversion, Remarketing und personalisierte Werbung. Wir sind sehr daran interessiert, uns weiterhin mit der Branche über diese Vorschläge auszutauschen und sicherzustellen, dass sie für alle funktionieren. Um das Internet für alle offen und zugänglich zu halten, müssen wir alle mehr für den Schutz der Privatsphäre tun – und das bedeutet nicht nur ein Ende der Third-Party Cookies, sondern auch jeglicher Technologie, mit der einzelne Personen beim Surfen im Internet getrackt werden. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, ein lebendiges und offenes Ökosystem zu erhalten, in dem die Menschen auf eine breite Palette werbefinanzierter Inhalte zugreifen und darauf vertrauen können, dass ihre Privatsphäre und ihre Wahlmöglichkeiten respektiert werden. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit der Branche auf diesem Weg in die Zukunft.

Tschüs, Third-Party Cookie: Auf in die neue Welt der Online-Werbung

Für Werbetreibende bleibt es also spannend. Das schrittweise Verschwinden des Third-Party Trackings erfordert einen stärkeren Fokus auf die Privatsphäre. Stärkere Kundenbeziehungen und mehr Transparenz rund um die Datennutzung werden im Mittelpunkt stehen. Statt Drittanbieter-Tracking sollten Unternehmen künftig verstärkt First-Party-Daten nutzen. Auch bei der Conversion-Analyse werden First-Party-Lösungen wie das allgemeine Website-Tag (gtag.js) relevanter.

Nicht zuletzt bleibt abzuwarten, welche Methoden des entpersonalisierten Trackings sich durchsetzen. Denn auch diesbezüglich sind noch viele regulatorische Herausforderungen zu meistern. Die ersten Tests der FLoC-Methode seit März wurden beispielsweise aus datenschutzrechtlichen Gründen noch nicht im europäischen Wirtschaftsraum durchgeführt. In Sachen Online-Werbung und Tracking gilt also: Abwarten, die Entwicklungen genau verfolgen und schon jetzt auf eigene Datenquellen, Transparenz und starke Kundenbeziehungen zu setzen.

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