Tech in der Bildung: Warum der WWF Deutschland auf Experience Learning & VR setzt

Experience Learning mit komplexen Inhalten: Mit Virtual Reality erklärt der WWF Deutschland, wie künftig Wasserstoff gewonnen und genutzt werden kann. Damit liegt die NGO ganz weit vorne, was digitale Bildungsinhalte angeht.

Experience Learning bedeutet erfahrungsbasiertes Lernen.
Bild: WWF Deutschland

Der WWF Deutschland setzt bereits seit über zehn Jahren auf digitale Inhalte im Bildungsbereich und zählt im deutschsprachigen Raum zu den Pionieren. Wir haben uns mit Bettina Münch-Epple, Director of Education beim WWF Deutschland, über ihre bisherigen Erfahrungen unterhalten. Im Gespräch zeigt sie die Stärken von Experience Learning auf und auch, wie KI-gestütztes Lernen das E-Learning beeinflussen wird.

Der WWF Deutschland gilt als einer der Pioniere der digitalen Bildung. Wie kam es zu dieser Entscheidung, auf digitale Bildungsinhalte zu setzen?

Bettina Münch-Epple: Wir haben 2015 den ersten deutschsprachigen MOOC, einen Massive Open Online Course, zu Klimawandel und Folgen in deutscher Sprache erstellt. Wir haben innerhalb kurzer Zeit eine Reichweite von über 10.000 Teilnehmenden in diesem MOOC erzielt, weil wir im Vorfeld der Pariser Klimaverhandlungen einen Nerv der Zeit getroffen haben.

In Präsenz ist es oft schwierig, Leute an einen Ort zu bekommen. Aber im digitalen Raum kann ich aus der ganzen Welt Menschen zusammenbringen. Die Digitalisierung ermöglicht zudem den Dialog mit Menschen aus der ganzen Welt. Damals sind die MOOCs gerade aus USA nach Deutschland herübergeschwappt.

Wir haben versucht, Bildung wirklich als offenen Raum zu sehen. Ein digitales Bildungsformat bietet die besten Möglichkeiten und erlaubt es, sich zeit- und ortsunabhängig damit auseinanderzusetzen.

Was hat sich in dieser Zeit verändert? Was habt ihr inzwischen dazugelernt?

Bettina Münch-Epple: Wir können Menschen global erreichen – nicht nur in Deutschland. Wir können eine Community aufbauen, die sich über diese Fragestellungen austauscht. Aber ein reines E-Learning verändert noch nichts.

Das heißt, wir kombinieren immer das rein digitale Bildungsformat, das E-Learning mit einem Präsenzanteil. Das gibt uns die Möglichkeit, wirklich in den Dialog zu treten. Heute ist es sehr wichtig, auch mit digitalen Bildungsformaten, in den Dialog mit den Menschen zu kommen. Das heißt: Fragen aufgreifen, Expert:innen auf Augenhöhe in den Diskurs miteinbringen.

Es ist erst dieser Dialog, der ein E-Learning wirklich sehr wertvoll macht.

Ganz aktuell gibt es eine VR Experience zum Thema Wasserstoff. Wie kam es zu diesem Experience Learning und wie ist die Resonanz?

Bettina Münch-Epple: Der nächste Schritt vom reinen E-Learning ist die Weiterentwicklung zu einem Experience Learning. Gerade in diesem Kontext spielt die Virtual Reality oder auch die Augmented Reality eine sehr wichtige Rolle. Aber auch hier ist es sehr wichtig zu überlegen, in welchem Kontext ich das einsetze. Wir haben eine Virtual Reality entwickelt, in der die Energiewende gelungen ist. Also eine Welt, in der es saubere Luft gibt, viele Elektroautos fahren, indem die Power-to-X-Technologie umgesetzt ist.

Ich hoffe, dass man sich in der Bildung einfach immer wieder kritisch fragt: Wozu brauche ich das? Also, was will ich wirklich vermitteln?

All das haben wir versucht, in einer positiven Vision erlebbar und erfahrbar zu machen, und die Augmented Reality versetzt einen wirklich in diese Zukunftsvision. Das heißt, man erlebt sich selbst in diesem Raum und hat sehr immersive Erlebnisse. Das hat Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit des Erlebten

Umwelterleben und Virtual Reality ist eine schräge Kombination. Wie funktioniert das zusammen?

Bettina Münch-Epple: Die Augmented Reality oder die Virtual Reality allein besitzen keinen Selbstzweck. VR und AR können zum Selbstzweck werden, indem sie einfach uns eine Welt vorspiegeln, in die wir auch entfliehen können. Wie in der Science Fiction, in der wir zwischen Realität und virtueller Realität einfach gar nicht mehr unterscheiden können.

Die Realität wird immer heißer. Es gibt mehr Trockenheit, Dürren, weniger zu essen. Und ich gehe dann zu einem wunderbaren Dinner in meiner virtuellen Welt. Dann ist es natürlich eher kontraproduktiv. Das heißt, dann ist es ein Fluchtmoment.

Das wird natürlich kritisch, weil wir auch den direkten Bezug zu unserer Umwelt und zu uns selbst als Mensch verlieren. Ich glaube, dass wir so die Umweltprobleme noch in viel weitere Ferne rücken. Deswegen war mir wichtig, in der Power-to-X-Welt keine dystopische Welt zu zeigen, sondern eine Zukunftsvision, die jetzt motiviert, heute Entscheidungen zu fällen. Wir haben noch keine Welt, in der die Energiewende vollzogen ist. Mit einer virtuellen Welt kann ich mich da hineinversetzen und dadurch auch jetzt Motivation für meine Entscheidungen generieren. Aber es besteht die Gefahr, Welten zu erschaffen, in der ich sozusagen ein Trugbild generiere.

Nach dem Hype, den die Corona-Pandemie um die digitale Bildung entfachte, gibt es gerade eine Rückkehr zu alten Methoden zu beobachten. Warum?

Bettina Münch-Epple: Corona hat das digitale Lernen enorm beschleunigt. Und dass jetzt so eine Phase der Ermüdung einsetzt, ist auch ganz natürlich, weil wir uns heute viel weniger in Präsenz und Realität treffen.

Früher gab es Widerstände bei der digitalen Bildung. Sie könne das Präsenzlernen nie ersetzen, weil die Leute keine lange Aufmerksamkeitsspanne haben.

Während der Corona-Maßnahmen konnte man dann doch sehen, wie hochkomplexe Themen digital sehr gut aufbereitet werden können. Und es so möglich ist, komplexes Wissen in sehr kurzen Videosequenzen unterstützt durch Quiz-Fragen und Interaktionen aufzubereiten.

Man merkt aber inzwischen, dass in den reinen E-Learnings der Austausch, die Diskussion und der Dialog fehlt. Ich denke, in zehn Jahren werden wir sehr viel von diesem Experience Learning erleben, was KI-gestützt ist. Es wird stark individualisierte Lernpfade geben, wo selbstlernende Systeme den Lernenden gegenüberstehen.

Vielen Dank für das Gespräch!