Messenger in der Unternehmenskommunikation: mehr als Mailings mit Emoji
Selten ist ein digitaler Trend so abrupt abgewürgt worden wie der Hype um die Messenger-Newsletter. In wenigen Monaten nimmt WhatsApp sie aus dem Sortiment. Oliver Diepes von Plan.Net Neo erklärt, warum die große Zeit der Messenger-Kommunikation trotzdem gerade erst begonnen hat.
In wenigen Monaten macht WhatsApp den Messenger-Newslettern den Garaus. Ab dem 7. Dezember 2019 haben Unternehmen keine Möglichkeit mehr ihre Pushnachrichten über den Messenger zu verbreiten.
Noch vor einem Jahr galten Messenger-Newsletter als das ganz große Ding und jedes Medium musste einen haben. Auch viele Unternehmen. Was war der Reiz daran?
Viele Unternehmen haben Messenger genutzt, weil sie so die Möglichkeit haben, Nutzer in einem sehr privaten Umfeld mit ganz unterschiedlichen Botschaften zu erreichen. In Messenger-Diensten kommunizieren wir ja fast ausschließlich mit unseren privaten Kontakten, schicken Bilder und Videos, verabreden uns usw. Hier haben Unternehmen die Chance gesehen, Produktwerbung in einem empfänglichen Umfeld zu platzieren. Zudem gibt der Nutzer durch die aktive Anmeldung, indem er seine Nummer in den WhatsApp-Kontakten speichert, bereitwillig die Zustimmung, vom Unternehmen kontaktiert zu werden. Nutzer, die das tun, sind eine potenziell interessierte Zielgruppe für Marken und Unternehmen, können sich mit dem Produkt des Absenders grundsätzlich identifizieren, was auf eine höhere Kaufbereitschaft deutet.
"Unternehmen haben eine Push-Kommunikation verfolgt. Das Prinzip von Messenger-Diensten ist aber der gegenseitige Austausch."
Jetzt will Whatsapp die Newsletter-Funktion abschaffen. Was ist schief gelaufen?
Das Problem liegt einerseits darin, dass Unternehmen durch die Newsletter-Funktion ausschließlich eine Push-Kommunikation verfolgt haben, User also nicht in ein Gespräch mit einer Marken treten konnten. Das Prinzip von Messenger-Diensten ist aber der gegenseitige Austausch, eine aktive Interaktion zwischen zwei oder mehreren Menschen. Das funktioniert in diesem Fall nicht. Zudem betont WhatsApp, dass sie mit dem Verbot des Massenversands von Nachrichten gegen Spam und Fake vorgehen wollen, die Funktion wurde laut dem Netzwerk bereits mehrfach z.B. in Wahlkämpfen weltweit missbraucht, um die Meinung von den Usern, die die Nachrichten bekommen, aktiv zu beeinflussen.
Wie WhatsApp für den kurzfristigen Erfolg geopfert wurde
Wie kam das Produkt überhaupt an? Hat sich der Aufwand der Publisher und Marken bisher gelohnt?
Vor einem Jahr war der Newsletter für Unternehmen tatsächlich sehr gefragt, viele haben sich die WhatsApp-Nummern von Unternehmen oder Publishern gespeichert, um über aktuelle Angebote oder News informiert zu werden. Dabei wurden die User oft auch incentiviert sich anzumelden, z.B. durch ein begleitendes Gewinnspiel. Das hilft in diesem Fall allerdings nur kurzfristig, die Aufmerksamkeit von Zielgruppen zu erreichen, da sie sich nur anmelden, um von der Aktion profitieren zu können. Für den WhatsApp-Newsletter haben die Marketingverantwortlichen oft den klassischen Newsletter als Ausgangslage genommen und die Tonalität beispielsweise durch das Hinzufügen von Emojis auf die Messenger-Kommunikation angepasst. Somit war der Aufwand an sich überschaubar. Das Credo der Marken war vornehmlich, mit diesen Newslettern zu experimentieren und zu schauen, wie diese Art der Kommunikation bei den Usern ankommt und ob User sich durch Newsletter in Messenger-Diensten dazu verleiten lassen, tatsächlich auf eine Website zu klicken oder sogar ein Angebot online direkt zu kaufen.
Chatbots als Antwort auf gestiegene Nutzererwartungen
Welche Alternativen bleiben jetzt?
WhatsApp hat sich grundsätzlich dazu entschlossen, große Unternehmen von der kommerziellen Nutzung auszuschließen und richtet den WhatsApp Business-Dienst vor allem auf Eigentümer von kleinen und mittelständischen Unternehmen aus, um mit Kunden in Kontakt zu treten und in den Dialog zu gehen. Eine klassische Newsletterfunktion wird es also auf diesem Dienst nicht mehr geben. Chatbots oder Kundenkommunikation über den Facebook-Messenger bzw. Chat-Funktionen, die technisch auf Websites integriert werden, können und sollten weiterhin genutzt werden und haben eine hohe Bedeutung, vor allem für serviceorientierte Unternehmen, die Fragen oder Beschwerden von Usern zum Unternehmen oder Produkten beantworten wollen und auch müssen. User erwarten heutzutage aufgrund der 24/7 zur Verfügung stehenden Chat-Möglichkeiten eine extrem schnelle Reaktion seitens der Unternehmen. Dafür sind Chatbots gut geeignet.
Im Messenger Marketing gibt es zwei Strömungen. Die eine will Mobile Communities aufbauen, die andere setzt auf klassischen 1:1 Dialog. Was wird wichtiger?
“Die Tonalität in Messengern sollte sich erheblich von anderen Kommunikationsmitteln differenzieren.”
Für Marken wird es immer wichtiger in Zeiten von geringen Aufmerksamkeitsspannen mit Hilfe von einfachen Tools wie einem Messenger mit dem User in Kontakt zu treten. Der 1:1 Dialog wird folglich immer relevanter. Hier können Marken den Unterschied zu Konkurrenten deutlich machen: Wenn sie sich über diesen Dialog mit den Konsumenten in Echtzeit bzw. zu definierten Servicezeiten über den Messenger austauschen können. Zahlreiche Unternehmen nutzen vorgelagert einen Chatbot, um allgemein das Anliegen zu identifizieren, müssen dann aber auf individuelle Fragen oder Problemfälle händisch antworten, um einen seriösen 1:1 Dialog garantieren zu können. Das ist mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden. Zudem müssen geschulte Service-Agents eingesetzt werden, die genau wissen, wie man mit Kunden im Messenger kommuniziert, damit sich nicht durch anschließende Veröffentlichung von Dialogen ein Shitstorm unter den Usern entwickelt. Die Kommunikation über Messenger ist ganz anders als die Beantwortung von E-Mails oder die Annahme von Anrufen via Service-Hotline; schon die Tonalität sollte sich erheblich von anderen Kommunikationsmitteln differenzieren.
"Wir schätzen, dass ca. 30-50 Prozent aller Nutzerfragen über einen Chatbot abgewickelt werden können"
Wie hoch ist der Anteil der Kundenanfragen, die automatisiert abgewickelt werden können?
Bis zu einem bestimmten Grad an Nachfragen und einer Kundenkommunikation kann ein Chatbot sehr effizient Abhilfe leisten. Je individueller die Nachfragen werden und je spezifischer das Kundenanliegen ist, desto schwieriger ist es jedoch, dieses via einem automatisierten Chatbot abzuwickeln, der tatsächlich zufriedenstellende Antworten gibt. Deswegen müssen ab einem bestimmten Punkt – sollte der Chatbot nicht geholfen haben – Menschen einsteigen und bei der Problemlösung helfen. Wir schätzen, dass ca. 30-50 Prozent aller Nutzerfragen über einen Chatbot abgewickelt werden können; das kommt aber immer sehr auf die Branche bzw. das konkrete Anliegen an, deswegen ist hier eine pauschale Antwort sehr schwierig. Aber die Weiterentwicklung von Chatbot-Funktionen ist auf dem Vormarsch: In den nächsten Jahren wird sich durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz noch einiges tun, so dass Bots immer schlauer werden und einen immer größeren Teil der Kommunikation übernehmen können.
Und wie hoch ist der Anteil der Unternehmen, die sich intensiv genug damit auseinandersetzen?
Wir merken, dass sich Unternehmen sehr intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, da sie genau um die Vorteile des Messenger-Marketings wissen. Jedoch ist ihnen auch bewusst, dass sie dafür einige finanzielle Ressourcen einsetzen müssen, damit es auch wirklich Erfolg hat. Das schreckt oft noch ab.
Welche Headline zum Thema Messenger Marketing möchtest du auf der DMEXCO 2020 lesen?
Messenger Marketing Next Level: Warum man ab sofort als Unternehmen an der 1:1 Kommunikation nicht mehr vorbeikommt!