Marketing nur nebenbei? Die Mercedes-Strategie wirkt fehlgeleitet

Verena Gründel kommentiert die aktuellen Entwicklungen beim deutschen Autobauer – und was sie über den Stellenwert von Marketing-Kompetenz bei Mercedes verraten.

Porträt von Verena Gründel
Bild: © Koelnmesse

Finanzen vor Marketing: Neue Führungskraft bei Mercedes

Unbestritten ist: Die deutsche Automobilindustrie steckt in der Krise. Technologischer Wandel, geopolitische Unsicherheiten und neue Wettbewerber aus China setzen die Hersteller massiv unter Druck.

Doch jenseits dieser strukturellen Faktoren gibt es einen oft unterschätzten Hebel: Wahrnehmung. Die Kraft der Marke. Und genau hier zeigen viele deutsche Autobauer Schwächen – allen voran Mercedes-Benz, wie die neueste strategische Veränderung im Marketing deutlich macht.

Die Marke mit dem Stern steht für Ingenieurskunst, Qualität und Zuverlässigkeit. Doch reicht das im Jahr 2025 noch aus? Im besten Fall wirkt das solide. Im schlechtesten: veraltet. Heute braucht es emotionale Resonanz, Storytelling, Empathie und Relevanz, um Menschen zu begeistern.

Und doch hat sich Mercedes gerade jetzt entschieden, seine renommierte Marketingstrategin Bettina Fetzer durch eine Finanzexpertin zu ersetzen. Zeitpunkt und Richtung wirken unglücklich – und irgendwie typisch deutsch. Nicht, weil Christina Schenck in ihrer eigentlichen Rolle unqualifiziert wäre. Sondern aus drei Gründen (und das ist keine persönliche Kritik):

  • Kein Marketing-Hintergrund.
  • Finanzielle Expertise bedeutet vermutlich: Kostenkontrolle vor kreativer Exzellenz.
  • Marketing wird neben ihrer aktuellen Rolle als Leiterin Investor Relations & Treasury mitgeführt.

Hinweis an Mercedes-Benz: Marketing ist mehr als eine Nebenfunktion

Kann Marketing als Ableger der Finanzlogik erfolgreich sein? Ich habe meine Zweifel. Wahrscheinlicher ist: Es wird zur Kostenstelle degradiert – optimiert auf Effizienz statt auf Wirkung. Und das wäre eine vertane Chance.

Gerade in unsicheren Zeiten kann Marketing ein Wachstumstreiber sein. Studien zeigen: Unternehmen, die in Krisen antizyklisch investieren – während andere sparen – gewinnen langfristig an Marktanteilen.

Die finanzielle Lage macht die Dringlichkeit deutlich: Seit 2019 sinken die Umsätze von Mercedes-Benz, mit nur geringen Schwankungen. 2024 erlitt das Unternehmen einen drastischen Gewinneinbruch: Das operative Ergebnis sank um fast ein Drittel. Im ersten Quartal 2025 wurde es noch schlimmer: Der Gewinn fiel um 43 Prozent.

Ja, ein Teil davon liegt an äußeren Faktoren: Schwäche in China, US-Importzölle und Wechselkursschwankungen. Doch diese Zahlen zeigen eine wirtschaftlich fragile Lage. Umso wichtiger ist nun strategische und selbstbewusste Marketing-Führung.

A Mercedes car is parked at the beach during sunset.
Bild: © ChatGPT / Verena Gründel

Kim Notz brachte es in ihrem Horizont-Kommentar auf den Punkt: „Wenn ein Automobilkonzern von der Größe und Strahlkraft von Mercedes-Benz die Nachfolge einer verdienten Marketingexpertin wie Bettina Fetzer mit einer Finanzmanagerin besetzt, die das Marketing zusätzlich zu ihrer bisherigen Funktion “miterledigen” soll, dann sendet das ein verheerendes Signal.“ Ein Signal, das suggeriert, Markenführung könne man nebenbei erledigen. Kreativität sei optional. Emotion zweitrangig.

Dabei zeigen Studien immer wieder die Kraft emotionaler Werbung. Werbeanzeigen, die Emotionen wecken, sorgen für:

  • 61 Prozent mehr zukünftige Markenpräferenz und
  • 50 Prozent mehr Engagement.

Trotzdem setzen deutsche Marken weiterhin auf rationale Botschaften, 20 Prozent häufiger als der europäische Durchschnitt.

Was Mercedes jetzt braucht, ist Mut. Mut, sich wieder mit der emotionalen Kraft der Marke zu verbinden. Mut, in die Zukunft zu investieren – nicht nur in Zahlen, sondern in Menschen, Geschichten und Leidenschaft. Die Marke könnte von mutigem Marketing nur profitieren.

Mercedes hat (fast) alles, was es braucht, um eine echte Love Brand zu sein. Es muss es nur wollen.

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