Marketing der Zukunft: zwischen Automatisierung und emotionaler Kundenbeziehung
Marketingspezialisten bewegen sich heute in einem Spannungsfeld: Sie müssen Prozesse automatisieren und gleichzeitig eine starke emotionale Bindung zu den Verbrauchern aufbauen. Wie sich das scheinbar Unvereinbare in Einklang bringen lässt.
Der Kunde ist König: Verbraucher wollen heute jederzeit Zugang zu Informationen und erwarten von Marken personalisierte, digitale Erlebnisse, ohne dabei ihre Privatsphäre in Mitleidenschaft ziehen zu lassen. Gleichzeitig wünschen sich potenzielle Kunden menschliche und emotionale Momente mit einer Marke. In diesem komplexen Spannungsfeld befinden sich Marken, die Technologien wie Chatbots und Künstliche Intelligenz mit den Anforderungen der Konsumenten in Einklang bringen müssen.
Bleiben die Emotionen auf der Strecke?
Automatisierungstechnologien wie Chatbots, die die grundlegenden Fragen eines Kunden beantworten, bieten den eigenen Kunden in vielen Fällen ein besseres Kundenerlebnis und sparen dazu noch Personalkosten. Die drohende Gefahr bei einer zu starken Fokussierung auf derartige Technologien lautet Entfremdung. Les Binet und Peter Field, zwei der führenden britischen Experten für Werbung und Marketing, haben in einer Studie belegt, dass Verbraucher sowohl emotionale als auch rationale Überlegungen anstellen, wenn sie einen Kauf tätigen oder sich mit einer Marke beschäftigen. “Die emotionale Komponente ist für den langfristigen Markenaufbau entscheidend und beinhaltet die Schaffung von Gedächtnisstrukturen, die den Konsumenten die Wahl der Marke erleichtern”, so Binet und Field.
Eine aktuelle Umfrage von Deloitte über die Interaktion von Unternehmen mit ihren Kunden zeigt beispielsweise, dass die Art und Weise, wie Verbraucher Technologien in ihrem Privatleben nutzen, auch die Erwartungshaltung an Marken beeinflussen. Das hat Unternehmen ermutigt, Technologien sowie Chatbots, Voicebots und sogar Biometrie einzuführen, um Kunden zu identifizieren, Antworten auf spezifische Fragen und Probleme zu liefern und ihnen damit einen Mehrwert im Bereich des Kundenservices zu bieten. Mit der Voice Analyse können Unternehmen Anrufer per Stimm- und Spracherkennung kategorisieren und sie direkt mit dem richtigen Ansprechpartner verbinden, die dann schon wissen, welches Problem gelöst werden muss. Die Umfrage ergab zudem, dass der Hauptgrund für die Einführung einer solchen Technologie darin besteht, das Kundenerlebnis zu verbessern und nicht, um Geld zu sparen.
Kundenakzeptanz ist ein großes Hindernis
Die Kundenakzeptanz ist laut Deloitte eines der größten Hindernisse für die Einführung von Automatisierungstechnologien: 48 Prozent der befragten Experten warnen davor, dass die Zurückhaltung der Verbraucher die Einführung von KI-Tools erschwert. Dennoch hat sich das Kundenerlebnis in den letzten Jahren bereits rasant verändert.
Der europäische Pay-TV-Sender Sky teilte seinen Investoren 2017 mit, dass damals bereits mehr als 50 Prozent aller Kundeninteraktionen digital abgelaufen sind, was zu einer höheren Kundenzufriedenheit bei gleichzeitiger Kostensenkung geführt habe. Sky setzt zunehmend Bots ein, um die Kundenansprache zu automatisieren und damit den eigenen Servicemitarbeitern Raum für andere, komplexere Tätigkeiten zu schaffen.
Digitale Strukturen müssen Kunden überzeugen
Kunden sind oftmals bereit dann online zu gehen, wenn ihnen so mehr Kontrolle und ein personalisiertes Erlebnis ermöglicht wird. Im Bereich Banking und Privatkundengeschäft, bei dem die Kunden einen sofortigen Zugang zu Finanzinformationen in einer sicheren Umgebung wünschen, bringt die Digitalisierung und Automatisierung bereits deutliche Vorteile mit sich. Die größte Bank Großbritanniens, die Lloyds Banking Group, teilte 2018 mit, dass das Handy erstmals der wichtigste Kanal war, die einfachen Bedürfnissen ihrer Kunden zu erfüllen. “Das Kundenverhalten ändert sich ständig, mit zunehmendem Fokus auf personalisierte Kundenerlebnisse und bequeme, sofort verfügbare Dienstleistungen, die es den Kunden ermöglichen, eine größere Kontrolle über ihre Finanzen auszuüben als je zuvor”, so ein Vertreter der Bank.
Ein anderes Beispiel liefert die Billigfluggesellschaft easyJet. Die Airline verbessert die Kundenzufriedenheit, indem sie Self-Boarding-Gates einführt, um die Boarding-Zeiten zu verkürzen. Der Sinn dahinter: Mit dem automatisierten „Self-Boarding“ soll der Prozess beschleunigt und menschliche Fehler verhindert werden. Den Check-in erledigt der Passagier online, um dann am Flughafen sein Gepäck an einem Automaten aufzugeben und selbstständig auf ein Förderband zu geben. Anschließend erhält der Kunde eine Bestätigung mit allen Informationen: Dabei setzt die Fluggesellschaft Push-Benachrichtigungen in ihrer App ein, um sicherzustellen, dass die Passagiere bei Problemen wie Flugverspätungen besser informiert sind. Dieser Case ist ein Beweis dafür, dass weniger menschliche Interaktion mit einer Marke und mehr Automatisierung und digitale Interaktion durchaus zu einer höheren Kundenzufriedenheit führen können.
Fazit: Potenziale nutzen – mit Bedacht
Sprachunterstützungen wie Apples Siri und Amazon’s Alexa sind zwar noch relativ unreif, es ist aber absehbar und spürbar, dass sie sich kontinuierlich verbessern und das Potenzial haben, die Kundenzufriedenheit zu optimieren. Vodafone hat bereits in elf Ländern einen Chatbot namens Tobi eingeführt. Zukünftig soll Tobi auch Bilder von Rechnungen oder Screenshots erkennen und verarbeiten. All diese neuen Technologien stellen CMOs vor große Herausforderungen. Sie müssen stets abwägen, in welchem Umfang sie Automatisierungstechnologien einsetzen und wie Mensch und Maschine sich optimal ergänzen. Marken müssen die vielen Vorteile der Digitalisierung und Automatisierung nutzen und gleichzeitig sicherstellen, dass sie eine starke menschliche und emotionale Verbindung zu den Verbrauchern aufrechterhalten.
Dieser Beitrag ist in englischer Sprache im The Future CMO Report 2019, einer Beilage der Times und Sunday Times, erschienen.