Was Virtual Reality für den Durchbruch fehlt
VR hat zwar einen Boom erlebt, ist aber noch ein Nischenprodukt. Für den Massenmarkt muss sich einiges tun.
Gerade fürs Marketing ist Virtual Reality ein spannendes Thema: Kein anderes Medium lässt die Nutzer so sehr die Welt um sie herum vergessen wie dieses. Geschichten lassen sich damit erzählen, Emotionen auslösen, Produkte plastisch darstellen. Alles das kann interaktiv und personalisiert sein. Die Möglichkeiten scheinen endlos – sofern es denn von einer breiten Masse intensiv genutzt wird. Hier allerdings hakt es derzeit noch.
Schwäche 1: Die Hardware ist noch nicht, wo sie sein müsste
Das Startup Oculus hatte 2012 das Thema Virtual Reality mit einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne aus dem Dornröschenschlaf geholt. Als Facebook den Headset-Hersteller zwei Jahre später für 2 Milliarden US-Dollar übernahm, war die neue Begeisterungswelle für VR auf ihrem Höhepunkt angelangt. Oculus blieb nicht lange allein im wiederbelebten Markt. Der strauchelnde Smartphone-Hersteller HTC positionierte sich erfolgreich mit seinem „Vive“-Headset und bekam von Testern viel Lob. Sony hat ein Headset für die PlayStation herausgebracht. Und sowohl Microsoft als auch Google wollen gemeinsam mit ihren Hardware-Partnern den noch jungen Markt erobern.
Aus Konsumentensicht sind die heute erhältlichen Headsets allerdings trotz aller Fortschritte entweder zu teuer oder nicht gut genug. Der ideale Schnittpunkt aus Funktionalität, Qualität und Preis wurde noch nicht erreicht. High-End-Headsets wie die Oculus Rift benötigen einen entsprechend leistungsfähigen PC. Günstige Geräte wie Samsungs Gear VR sind dagegen nur Halterungen für ein Smartphone, das in diesem Fall die Schwerarbeit übernimmt.
Eine neue Gerätekategorie kommt derzeit dazu und ist besonders vielversprechend: Standalone-Geräte wie die Oculus Go und das kommende Oculus-Headset mit dem Codenamen „Santa Cruz“. Die versprechen eine gute Leistung zu einem vergleichsweise günstigen Preis und vor allem ein möglichst simples Nutzungserlebnis.
Die Oculus Go hätte dabei mit einem Einstiegspreis von 199 US-Dollar das Zeug zu einem Hit. Allerdings lässt die Qualität des Headsets doch noch zu wünschen übrig. Das Display beispielsweise müsste deutlich besser sein, um ein überzeugendes Erlebnis zu bieten. Das Gerät selbst ist zudem nicht lange bequem. Und die verbaute Technik entspricht letztlich einem zwei Jahre alten Android-Smartphone. Im Vergleich zu anderen Angeboten im Markt ist die Oculus Go sicherlich ein gutes Gerät. Es erscheint allerdings zweifelhaft, dass diese erste Generation bereits zum Hit wird.
Schwäche 2: Es fehlen die überzeugenden Nutzungsszenarien
Das hat auch mit dem zweiten Faktor zu tun, der noch schwerer wiegt: Die überzeugenden VR-Erlebnisse und -Angebote – außerhalb der Spiele-Szene – sind weiter vergleichsweise rar. Es gibt somit kaum einen Grund, das Headset über längere Zeit zu nutzen.
Was hier noch im größeren Stil fehlt, nennt man im Technologiebereich gern die „Killer-App“ oder den „System Seller“: das eine Angebot, die eine App, das eine Spiel, das die gesamte Plattform nach vorne katapultiert.
Ausblick: Exponentielles Wachstum vorhergesagt
Während der Markt für Virtual Reality heute entsprechend noch klein und unscheinbar ist, könnte sich das schon bald deutlich ändern. Marktforscher sehen einen Boom voraus: Von derzeit rund 5,4 Milliarden US-Dollar soll der Gesamtmarkt bis Ende 2023 auf 60,9 Milliarden US-Dollar anwachsen, ist zum Beispiel bei Research and Markets zu lesen. Eine Untersuchung von Grand View Research geht davon aus, dass die Umsätze mit VR-Software ab 2025 diejenigen mit der Hardware übersteigen werden. Und das lässt sich als Zeichen eines Marktes werten, der erwachsener geworden ist.
Der Optimismus ist berechtigt mit Blick auf die kommenden technischen Fortschritte. Die Endgeräte werden schließlich laufend leistungsfähiger, kompakter, bedienerfreundlicher und zugleich preisgünstiger. Nicht zuletzt stehen Schwergewichte der Techszene wie Google, Facebook oder Sony hinter der Entwicklung und investieren eigenes Geld in passende Inhalte und Angebote.
Für vorausschauende Unternehmen ist heute deshalb der perfekte Zeitpunkt, um sich mit den Möglichkeiten und Besonderheiten der VR auseinander zu setzen. Noch ist der Markt an vielen Stellen unbesetzt. Noch haben viele Wettbewerber das Thema nicht auf dem Zettel. Hier kann sich die Chance ergeben, beim nächsten Boom einmal von Anfang an dabei zu sein.