Warum an Plattformen kaum ein Weg vorbeiführt
Eigener Webshop oder Plattform? Das ist eine Frage, die viele Onlinehändler bewegt. Die Wahrheit ist, dass beide Elemente zu einer vernünftigen E-Commerce-Strategie gehören.
Der eigene Onlineshop ist in Sachen Flexibilität kaum zu überbieten und aus vielen Gründen alternativlos – so haben wir es jahrelang im Onlinehandel gelernt. Doch inzwischen stammt ein immer größerer Anteil des Handelsvolumens in Deutschland und weltweit von Plattformen wie Ebay, Amazon Marketplace und Co. und es gibt nicht nur am Anfang der Geschäftstätigkeit durchaus Situationen, in denen der eigene Webshop nur die zweitbeste Alternative ist.
Laut dem Online Monitor des Handelverbands Deutschland sind Onlineplattformen inzwischen für rund jeden dritten umgesetzten Euro im Onlinehandel verantwortlich – und der Amazon Marketplace verbucht als Platzhirsch der Branche alleine bereits 27 Prozent des Handelsvolumens in Deutschland. Dabei realisierte das Unternehmen laut Bundeskartellamt zuletzt ein Netto-Handelsvolumen von mehr als 20 Milliarden Euro insgesamt. Sowohl für die rund 300.000 Händler als auch für das Bezos-Imperium selbst war und ist das ein lukratives Geschäft. Einige Umsatzzahlen, die kürzlich durchsickerten und die Amazon nicht bestätigen wollte, wirken angesichts dessen realistisch. Gut 10 Milliarden Euro – das ist rund ein Siebtel des gesamten deutschen Onlinehandelsumsatzes, den der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (BEVH) für 2019 prognostiziert.
Plattformen bringen zusätzliches Handelsvolumen und schaffen Reichweite
Doch welche Rolle sollten für dich als Händler Portale wie Ebay oder Amazon spielen? Klar ist zum einen, dass du nur im eigenen Webshop die volle Souveränität über deine Geschäfte hast. Das mussten in der Vergangenheit immer wieder Händler erkennen, die aus irgendeinem Grund (oft ging es um den Vorwurf, minderwertige oder gefälschte Ware vertrieben zu haben oder beim Service geschlampt zu haben) von Amazon gesperrt wurden – und von heute auf morgen auf ihrer Ware sitzen blieben.
Der Rat kann daher nur lauten, das zusätzliche Handelsvolumen, das Plattformen wie Amazon Marketplace, Ebay oder eventuell auch Stylight und Rakuten eröffnen, zwar mitzunehmen, sich aber nicht allzu sehr darauf zu verlassen. Denn die Plattform gibt die Regeln vor und kann sie weitgehend eigenständig ändern – und das schlimmstenfalls über Nacht. Höhere Gebühren, eine geänderte Sortierung bei der Reihenfolge und Darstellung der Händlerangebote oder auch eine veränderte Darstellung der empfohlenen Produkte – all das kann schnell dazu führen, dass Händler deutlich weniger Umsatz generieren als zuvor. Auch wenn die EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager Amazon in Zukunft gegenüber seinen Marketplace-Händlern fairere Regeln abtrotzen will, bleiben die Marktplatzbetreiber stets diejenigen, die den Takt vorgeben, nach dem die Musik gespielt wird.
Angenehm ist eine solche Marktplatzpräsenz dagegen vor allem in der Anfangszeit des Geschäftsbetriebs – um Erfahrungen zu sammeln und um nicht gleich hohe Anfangsinvestitionen tragen zu müssen, die ein eigener Onlineshop naturgemäß mit sich bringt. Gebühren und Verkaufsprovisionen bleiben dabei planbar und überschaubar und fallen teilweise nur für erfolgreiche Verkäufe an. Auch um die Technik und um die Erstellung von Produktbeschreibungen musst du dich als Plattform-Händler nicht kümmern, allenfalls dafür sorgen, dass du regelkonform deine Angebote veröffentlichst.
Im Laufe der Zeit solltest du darauf achten, dein Geschäft auf möglichst vielen Standbeinen zu entwickeln – und von keinem Partner zu sehr abhängig zu sein. Dabei bleibt der eigene Shop schon aufgrund der möglichen Markenbildung entscheidend – einem Kunden, der über eine Handelsplattform kommt, ist es nämlich meist egal, bei welchem Händler er kauft und er wird in den seltensten Fällen wiederkommen, wenn ein anderer Händler nur geringfügig billiger ist und über ein ähnlich gutes Rating verfügt. Und noch schlimmer: Vielen weniger erfahrenen Kunden ist es gerade beim branding-starken Amazon auch heute noch kaum bewusst, dass sie bei einem Dritten ihr Produkt erwerben. Schwächen beim Service oder Widerworte bei der Abwicklung eines Umtauschwunsches kannst du dir dennoch nicht leisten – sowohl Amazon als auch Ebay halten hier in nahezu allen Fällen eher zum Kunden als zum Händler.
Plattformen eignen sich, um neue Märkte und Produkte zu testen
Ein Shop gilt insbesondere in der Anfangszeit als unberechenbar hohes Kostenrisiko. Doch die Kosten und die aus dem Verkauf entstehende Marge zu berechnen, ist gar nicht einfach. Denn der Verkauf über eine Plattform ist immer auch eine Marketing-Investition. Du zahlst also Provisionen und Gebühren, bekommt im Gegenzug aber über eine Plattform immer auch Bekanntheit und Kunden, die dich möglicherweise bei Amazon Marketplace oder Ebay entdecken und dann doch auf deinem Webshop landen. Verlässt du dich rein auf deinen Webshop, benötigst du umso mehr eine umfangreiche Marketingstrategie, musst Werbung auf Online- und Social-Kanälen buchen oder anderweitig für Bekanntheit sorgen.
Und noch in anderer Hinsicht kann sich die Nutzung eines Marktplatzes für dich rechnen: Dann nämlich, wenn du das Potenzial in einen neuen Ländermarkt antesten willst oder wenn du mit neuen Warengruppen oder Produkten experimentierst, die möglicherweise nicht zu deinem bestehenden Portfolio passen. Schon um nicht als „Kramladen“ für alles Mögliche zu gelten und deine mühsam aufgebaute Händlermarke möglicherweise dabei zu beschädigen, solltest du solche Verkäufe zunächst über Ebay oder Amazon austesten.
Fazit: Das Beste aus beiden Welten
Sowohl der eigene Webshop als auch die Nutzung von Handelsplattformen haben ihre Berechtigung. Onlinehändler sollten Marktplätze wie Ebay und den Amazon Marketplace als Erweiterung ihres Territoriums verstehen und hierüber zusätzlichen Umsatz generieren. Zudem eignen sich diese als Spielweise fürs Experimentieren mit neuen Märkten und Zielgruppen. Klar sollte aber auch sein, dass der eigene Webshop mit dem eigenen Grundstück vergleichbar ist – nur bestimmst du die Regeln und Konditionen.