Voice Commerce – nur ein Hype oder das nächste große Ding?

In immer mehr Wohnzimmern finden sich Siri, Alexa und der Google Assistant. Doch in den seltensten Fällen nutzen die Deutschen den Smart Speaker zum Einkaufen – noch.

Voice Commerce - nur ein Hype oder das nächste große Ding?

Es gibt kaum ein Thema auf E-Commerce-Konferenzen, das die Händler und Dienstleister mit so großen Hoffnungen verknüpfen wie Conversational Commerce oder Voice Commerce. Egal ob mit Siri, Alexa oder dem Google Assistant – das Bestellen von Waren per Sprache gilt als das nächste große Ding. Doch bis es soweit ist, dass wir unsere Lebensmittel oder die Pizza wie selbstverständlich bei Alexa oder Siri bestellen, dürfte noch einige Zeit vergehen.

Immerhin 36 Prozent der Deutschen nutzen laut einer Studie von Capgemini Sprachassistenten bereits im Alltag, 84 Prozent davon über das Smartphone, doch der Anteil der Nutzer von Smartspeakern, den Dialoggeräten von Amazon Echo bis Google Home, wird in den nächsten Monaten rapide ansteigen. Denn rund 100 Millionen solcher Geräte sollen laut den Marktforschern von Canalys in den Haushalten weltweit stehen, in Deutschland waren es immerhin 11 Millionen, die bis Ende 2018 verkauft wurden. „Sprachassistenten können in diesem Jahr endlich mit der menschlichen Spracherkennung mithalten, jetzt wird es für den Nutzer bequem und damit für Unternehmen spannend“, prophezeit Martin Arnoldy, Leiter Konsumgüter, Handel und Transport bei Capgemini in Deutschland.

 

Nur wenige probieren es (bisher) überhaupt aus

Doch noch ist es mit dem Einkauf auf Zuruf nicht weit her. Ihre Besitzer hören zwar deutlich mehr Musik als der Durchschnittsnutzer, fragen nach Nachrichten oder der Wettervorhersage, steuern die ihre Smarthome-Geräte oder lassen sich Filme auf dem Fernseher streamen. Einkaufen? – Bisher Fehlanzeige, auch wenn sich laut dem Consumer Barometer von KPMG und dem Institut für Handelsforschung (IFH Köln) immerhin 39 Prozent dafür interessieren. Denn gerade einmal zwei Prozent der Besitzer eines Amazon Echo sollen mit Alexa überhaupt einmal auf Einkaufstour gewesen sein. 90 Prozent gaben danach an, nach dem einmaligen Kauf die Möglichkeit kein weiteres Mal wahrgenommen zu haben.

Warum das so ist? Voice Commerce ist zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht massentauglich. Es erfordert einige Vorarbeit, bis einen das Gerät ohne große Nachfragen durch den Kaufprozess führt. „Alexa, bestelle eine Kiste Bier und drei Tüten Erdnüsse“ setzt voraus, dass das Gerät weiß, welche Marke der Kunde bevorzugt, welches der bevorzugte Händler ist und welches Gebinde er wünscht. Ein Blick in die USA lässt vermuten, dass vor allem Amazon und Google auf dem besten Weg sind, Strategien zu entwickeln, mit denen der Kunde mit wenigen Nachfragen die Dinge des täglichen Lebens bestellen kann. Strategien, die dank KI aus dem Kaufverhalten der Vergangenheit treffsicher schlussfolgert, welches mein bevorzugter Asia-Imbiss ist und woher ich mein Toilettenpapier oder das Katzenfutter beziehen will.

 

Voice Commerce: Erste Gehversuche im deutschen Handel

Spricht man mit Onlinehändlern, wird schnell deutlich, dass man zumindest in Deutschland noch kaum über den Versuchsbetrieb hinaus ist. Bis zu massentauglichen Business Cases ist es noch ein weiter Weg, berichtet ein Vertreter eines Branchenverbandes. Handelsketten und Lieferdienste, von denen man über einen Probebetrieb liest, sind bisher alles andere als euphorisch, das Interesse halte sich in engen Grenzen und Stammkunden seien selten, heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Immerhin: Bei der Pizza-Lieferkette Domino’s kann man seit Herbst seine Pizza auch per Alexa bestellen, nachdem man sich vorher über die Website registriert hat. Bei verschiedenen Lebensmittellieferdiensten lassen sich zumindest per Zuruf Waren auf die Einkaufsliste setzen, auch wenn man diese danach noch spezifizieren muss, also beispielsweise angeben, welche Variante oder Packungsgröße des Waschmittels man benötigt. Noch weniger elegant sind die ersten Gehversuche bei Real, wo der Kunde sich die Sonderangebote vorlesen lassen kann. Doch spätestens, wenn man Details abfragt, wird das Ganze ermüdend.

 

Fazit: Es wird auf den Mehrwert und die Kommunikation ankommen

Anders in den USA: Dort ist Amazon schon auf dem besten Weg, dem Kunden mit einem Minimum an Nachfragen die gewünschten Produkte des täglichen Lebens ins Haus zu liefern. Insbesondere die „Buy it again“-Funktion in Kombination mit Lieferstatus-Nachrichten zeigt auf, wie einfach Einkäufe sein können. Dass so etwas in den nächsten Jahren auch in Deutschland populär wird, halten Handelsexperten für wahrscheinlich. „Die große Herausforderung liegt jetzt darin, die Verbraucher an die intelligenten Sprachassistenten heranzuführen“, sagt Dr. Andreas Gentner, Partner und Leiter Technology, Media & Telecommunications EMEA bei Deloitte. „Dabei ist wichtig, dass der Mehrwert für den Nutzer im Mittelpunkt bei der Entwicklung sprachbasierter Anwendungen steht und dieser dann auch entsprechend kommuniziert wird.“