VAT E-Commerce Package: Das bedeutet die Umsatzsteuerreform für Online-Händler

Wer EU-weit Onlinehandel betreibt, sollte die Neuregelungen kennen, die sich ab Juli durch das VAT E-Commerce Package ergeben. Erfahre hier, worauf sich Online-Händler ab dem Sommer einstellen müssen.

Das bedeutet das VAT E-Commerce Package für den Onlinehandel.
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Umsatzsteuerreform im E-Commerce: Das Wichtigste in Kürze

In wenigen Monaten ist es soweit: Zum ersten Juli 2021 werden die Spielregeln für Brands, die EU-weit Online-Handel betreiben, deutlich geändert. Der Grund: das sogenannten VAT E-Commerce Package. Im Dezember 2017 verpflichteten sich die EU-Mitgliedstaaten, die EU-Umsatzsteuer-Regelungen zu reformieren. Das Ziel: eine Vereinfachung steuerlicher Faktoren im digitalen Binnenmarkt. Bisher legen unterschiedliche nationale Lieferschwellen fest, ab welchem Grenzwert sich Umsatzsteuerpflichten im Zielland der Ware ergeben. Diese werden durch eine einzige EU-weite Lieferschwelle ersetzt. Welche Chancen und Risiken birgt das für Brands im Onlinehandel? Und wie bereiten sich Onlinehändler am besten auf das Inkrafttreten der Reform vor? Wir haben mit Dr. Moritz Lukas, Vice President Sales bei der Taxdoo GmbH, gesprochen und ihn um eine Einschätzung gebeten.

Für wen ist die Reform relevant?

Dr. Moritz Lukas: Die Reform verändert einiges für alle Handeltreibenden, die ihre Produkte EU-weit grenzüberschreitend verkaufen. Der entscheidende Grund liegt darin, dass sich ab Juli die Werte der Lieferschwellen verändern. Lieferschwelle heißt, dass bis zu einem bestimmten Betrag grenzüberschreitende Lieferungen beim heimischen Finanzamt versteuert werden können. Erst darüber muss die Umsatzsteuer im Bestimmungsland abgeführt werden. Diese Schwelle sinkt in Deutschland künftig von derzeit 100.000 Euro auf EU-weit einheitlich 10.000 Euro. Damit wird die Reform auch für diejenigen, für die Umsatzsteuer im EU-Ausland bislang kein Thema war, relevant. Unter bestimmten Voraussetzungen kann es bei Überschreiten der neuen EU-Lieferschwelle jedoch Erleichterungen geben.

Was ist der Hintergrund der Reform – warum war sie überhaupt notwendig?

Dr. Moritz Lukas: Das bisherige Umsatzsteuerrecht ist de facto noch auf dem Stand des Jahres 1993 – der Geburtsstunde des europäischen Binnenmarktes. In fast 30 Jahren ist beim internationalen Handel eine Menge passiert. Digitaler Handel in seiner heutigen Form war damals nicht in Ansätzen denkbar, nur wenige große Versandhändler dominierten den Markt. Alles, was Abwicklung und Logistik heute angeht, wird durch das bisherige Gesetz so gut wie gar nicht abgebildet. Dadurch wird Handel erschwert. Wer grenzüberschreitend handelt, muss sich beispielsweise bislang in sämtlichen Bestimmungsländern steuerlich registrieren lassen, es gelten unterschiedliche Steuersätze, in jedem Land ist der Rechtsrahmen anders. EU-Harmonisierung ist beim Onlinehandel bislang Fehlanzeige.

Wie sind die Tragweite und die Folgen der Reform einzuschätzen? Was bedeutet sie konkret für Onlinehändler?

Dr. Moritz Lukas: Leider bringt die Reform nicht für alle die gewünschte Erleichterung. Um steuerliche Abwicklung per se zu vereinfachen, wird der sogenannte One-Stop-Shop (OSS) eingeführt. Onlinehändler können über den OSS die Umsatzsteuer für sämtliche EU-Länder zentral abführen, wenn sie oberhalb der Lieferschwelle von 10.000 Euro liegen. Allerdings gilt das nur für Lieferungen aus einem heimischen Zentrallager heraus und an Privatkunden. Ein Großteil des internationalen Handels entfällt jedoch auf B2B, zudem nutzen viele Händler Logistikstrukturen von großen Marktplätzen, die Ware je nach Nachfrage automatisch umlagern. Für diese Händler bleibt alles beim Alten.

„Gerade kleinere und mittelgroße Onlinehändler werden daher nach wie vor einem kaum zu durchdringenden Dschungel an Steuersätzen gegenüberstehen. Das Datenmanagement wird noch komplexer. Viele ERP-Systeme sind heute schon davon überfordert.“

Dr. Moritz Lukas, Vice President Sales, Taxdoo GmbH

Welche steuerrechtlichen Stolperfallen könnten jetzt für Onlinehändler lauern?

Dr. Moritz Lukas: Ein wesentliches Risiko ist das der Doppelbesteuerung. Denn es gibt auf der einen Seite das konsequentere Bestimmungslandprinzip, indem die Ware bereits ab der EU-weiten Lieferschwelle von 10.000 Euro im Land des Empfängers versteuert werden muss. Auf der anderen Seite gibt es ERP- und Rechnungssysteme, die womöglich die Umsatzsteuer des Ursprungslandes ausweisen. Genau das kann zu einer Doppelbesteuerung führen. Kaum ein Händler könnte das durch seine Marge auffangen. Zudem erhöhen sich Aufwand und Fehlerpotenzial dadurch, dass viele Händler zweigleisig fahren müssen: Einen Teil der Transaktionen können sie über den OSS abwickeln, einen anderen Teil eben nicht.

Im DMEXCO Interview: Dr. Moritz Lukas
Dr. Moritz Lukas ist Vice President Sales und Prokurist der Taxdoo GmbH. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Steuern, Wirtschaftsprüfung und Finanzen arbeitete Moritz für mehrere Jahre als Strategieberater in der Financial Institutions Group einer führenden Unternehmensberatung. Im Anschluss promovierte er im Bereich Finanzen. Seit 2017 verantwortet Moritz bei Taxdoo den Bereich Sales und steht in dieser Rolle tagtäglich mit Onlinehändlern und deren Steuerberatern im Austausch, um die umsatzsteuerlichen Herausforderungen des grenzüberschreitenden Onlinehandels sowie passende Lösungen hierfür zu diskutieren.

Was das VAT E-Commerce Package für Onlinehändler bedeutet, erklärt Dr. Moritz Lukas von Taxdoo.
Dr. Moritz Lukas, Vice President Sales bei Taxdoo (© Taxdoo).

Welche Tipps gibt es für Onlinehändlern, die ihr Geschäft international ausweiten möchten?

Dr. Moritz Lukas: Onlinehändler sollten zunächst eine Bestandsanalyse machen. Die wesentliche Frage lautet: Welche Steuerpflichten löse ich aktuell und ab dem 1.7.2021 aus? Selbst für versierte Steuerberater stellt die Klärung der künftigen Steuerpflichten eine Herausforderung dar. Ich kann nur empfehlen, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftigen, um von den Neuerungen nicht kalt erwischt zu werden. Die weiterführende Frage lautet: Wie kann ich diese Prozesse sicher automatisieren? Dahinter steht das Thema Kosten und Nutzen: Möchte ich mich selbst mit der Materie beschäftigen oder besser auslagern, um mehr Zeit für das Wesentliche zu haben? Gerade dort, wo es komplex wird, bietet Technologie einige Möglichkeiten, Prozesse zu vereinfachen und zu automatisieren.

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