Schools of Tomorrow: So schulen wir die Digital Leaders von morgen
So rapide, wie sich die Arbeitswelt wandelt, ändern sich die Anforderungen an die Lernenden von heute. Worauf kommt es also heute im Bildungswesen an, damit unsere Kinder auf dem Arbeitsmarkt in Zukunft gute Aussichten haben?
Schulen von heute: Schaffen sie den Sprung ins neue Zeitalter?
Das Arbeiten am Bildschirm wird für immer mehr Menschen zur Realität, was nicht zuletzt an der fortschreitenden Technologisierung von Alltag wie Arbeitswelt liegt. Doch digitales (Zusammen-)Arbeiten erfordert, wie es die meisten von uns im Home Office selbst erlebt haben, bestimmte Fähigkeiten, die über das rein Kognitive hinausgehen.
In der Zukunft wird digitale Bildung unerlässlich sein. Dazu zählen die sogenannten 4K der 21st Century Skills:
- Kommunikation,
- kritisches Denken,
- Kollaboration und
- Kreativität.
Immer wichtiger als die Ergebnisorientierung wird die Prozessorientierung. Das heißt, das Wie des Zusammenarbeitens gewinnt angesichts des allgegenwärtigen Einsatzes von Technologien einen immer höheren Stellenwert.
Schaut man sich die gegenwärtigen Lehrpläne an, findet sich nicht allzu viel Raum für Kreativität, Kollaboration, kritisches Denken und Kommunikation wieder – im Gegenteil: Der Hauptfokus liegt weiterhin auf dem Auswendiglernen von Unterrichtsstoff. Doch wie soll uns das in Zukunft weiterbringen, wenn wir Informationen ohnehin im Internet abrufen können, aber nicht in der Lage sind, sie uns sinnvoll zunutze zu machen?
Schools of Tomorrow: Ein Bottom-up-Ansatz mit Zukunftstauglichkeit?
Ein Projekt des Haus der Kulturen der Welt in Berlin (HKW) hat sich von 2017 bis 2019 mit der Frage beschäftigt, wie die Schule der Zukunft aussehen müsste. Streng genommen müssten wir jedoch von der „Schule von heute“ sprechen, schließlich werden jetzt die Arbeitskräfte von morgen in den Schulen ausgebildet. Gleichwohl ist uns allen klar, dass die aktuelle Situation bei Weitem noch nicht an das Wünschenswerte heranreicht. Bleiben wir also beim Begriff „Schule der Zukunft“ – oder „Schools of Tomorrow.“
Am gleichnamigen Projekt des HKW nahmen Lernende, Pädagogen und Künstler aus verschiedenen Ländern teil. Gemeinsam entwickelten sie unter der kuratorischen Leitung von Silvia Fehrmann in 21 Schulprojekten und einem Ideenwettbewerb Zukunftsvisionen und Handlungsempfehlungen für Lehrer und Kulturvermittler. Darunter finden sich neben den bereits erwähnten 4K weitere Aspekte, die maßgeblich zur Vorbereitung auf die Arbeitswelt beitragen:
- Haltungen „lehrnender“ Akteure: Wie im Geschäft gilt es auch für die jungen Lernenden, beispielsweise mit Scheitern umgehen zu lernen.
- Etablierung einer Lerngemeinschaft: Ähnlich der Teamarbeit zählen die Kompetenzen aller. Hier kommt der Punkt des schülerzentrierten Lernens und Lehrens ins Spiel.
- Partizipation und Verantwortung: In Projekten üben sich die jungen Lernenden im Umsetzen eigener Ideen und gewinnen so mehr Selbstbewusstsein.
- Nachhaltigkeit und Innovation: Bei diesen beiden Punkten geht es unter anderem um individuell bestimmte Zeiträume zum Lernen, klassenübergreifendes Lernen und Lernorte an der frischen Luft.
- Bedürfnisgerechte Raumgestaltung: Ob Akustik, Licht, On- und Off-Zonen für Lautstärke – das Lernen braucht gemütliche, angenehme Umgebungen.
- Alltag und Rhythmus: Ganz wie im Büro sind auch in der „Schule von morgen“ gesunde Ernährung, biologische und soziale Rhythmen sowie Ruheplätze wichtige Themen.
- Freiheit, Emanzipation und Struktur: Diskutiert wurden hier unter anderem eine Gleitzeit für Lernende, die in der ersten oder letzten Phase des Schulalltags als frei verfügbare Lernzeit genutzt werden könnte.
- Digitalität und Real Life: Virtual Reality, Social Media, freies WLAN und der Einsatz von Smartphones im Unterricht – für viele ist das schon heute in der Arbeitswelt selbstverständlich.
- Die Umgebung der Schule: Schule sollte stärker als Teil der Öffentlichkeit verstanden werden. So wundert es nicht, dass sich Lernende zum Beispiel in der Stadtgestaltung einbringen möchten.
- Ressourcen: Wie in Unternehmen ist der Einsatz von Open Source und der Umnutzung verfügbarer Räume sowie die Akquise von Fördergeldern eine der Empfehlungen.
Mit diesen Empfehlungen an der Hand dürfte es wesentlich besser gelingen, die Jugend von heute auf ihre Herausforderungen am Arbeitsplatz vorzubereiten. Doch dafür muss es eine Kehrtwende im Bildungswesen geben – vielleicht hat die Pandemie den Weg dafür bereitet?
Schlüsselfaktoren für die Schule in der Zukunft: Darauf kommt es an
Wie sieht das jemand, der sich außerhalb einer Schule tagtäglich mit der digitalen Transformation im Bildungswesen beschäftigt? Wir haben mit Jakob Huber, Education Marketing Lead bei Microsoft Deutschland, einen ausgewiesenen Bildungsexperten gefragt, wie die Bildungslandschaft von morgen aussehen müsste:
Jakob Huber, welche Kompetenzen sollten in der Schule von morgen unbedingt vermittelt werden?
Jakob Huber: Wir sollten uns vor Augen führen, was wir mit und in Schule eigentlich als Gesellschaft erreichen wollen. Wenn wir unsere Welt anschauen – sei das im Arbeitsumfeld, globale Herausforderungen wie die Klimakrise, rasante Weiterentwicklung von Technologien oder unsere demokratische Gesellschaft – dann fällt einem schnell auf: Mit auswendig gelerntem Wissen kommen wir – und unsere Kinder – nicht weit. Stattdessen sollten wir gemeinsam daran arbeiten, unsere Kinder zu befähigen mit Ambiguität, Information Overload und Komplexität zurecht zu kommen. Das Kompetenzprinzip der sogenannten 4K – Kollaboration, Kreativität, Kritisches Denken, Kommunikation – gibt dafür einen starken Rahmen. Persönlich halte ich die 4K für einen guten Ausgangspunkt, etwas zu kurz kommen vielleicht Aspekte wie Empathie, Neugier und Offenheit.
In jedem Fall kann man festhalten: Wissen veraltet, Kompetenzen bleiben. Wenn sich die Welt alle paar Jahre vollständig verändert, dann sind wir darauf angewiesen, dass wir damit nicht andauernd überfordert werden, sondern immer wieder neue Lösungen entwickeln & anwenden können.
Welche sind die Schlüsselfaktoren für guten Unterricht in der Gegenwart und in der Zukunft, um junge Menschen auf den Arbeitsmarkt von morgen vorzubereiten?
Jakob Huber: Das ist eine Frage, die wir ehrlicherweise den Expert*innen auf diesem Feld, also unseren Lehrer*innen überlassen sollten. „Guter Unterricht“ ist vielfältig und kann in zahlreichen Formen auftreten. Ganz grundsätzlich wäre meine Vorstellung von gutem Unterricht, egal wie er stattfindet, dass wir Schüler*innen die Verantwortung für ihren eigenen Lernprozess (zurück-)geben. Im englischen spricht man von Student Agency oder Student-Centered Learning, bei uns üblicherweise von selbstgesteuertem Lernen oder schüler*innenzentriertem Lernen. Letzten Endes heißt das, stark vereinfacht, nichts anderes als: Schüler*innen haben die Kontrolle und Verantwortung über und für ihr eigenes Lernen. Ich glaube jeder Unterricht, der sich an diesem Prinzip orientiert, kann gar nicht anders als gut sein.
Wie werden sich die Rollen von Lehrenden und Schüler:innen in den nächsten Jahren wandeln?
Jakob Huber: Eine Prognose abzugeben ist immer schwierig, vor allem wenn man sich die sehr verschiedenen Bildungssysteme weltweit anschaut.
Meine Hoffnung wäre, dass sich Lehrkräfte weniger als Dirigent*innen des Unterrichts und Kontrolleur*innen des Lernens verstehen (müssen) – in diese Rolle werden sie durch die Strukturen auch gedrängt – und mehr als Lern-Expert*innen, als Berater*innen und Unterstützer*innen. Folgerichtig würden Schüler*innen sich damit als „Lernende“ im aktiven Sinne verstehen: Sie werden nicht mehr „beschult“, sondern stellen sich neuen Erfahrungen und Herausforderungen mit dem persönlichen Anspruch, sich weiterzuentwickeln.
Letzten Endes hängt das aber natürlich stark davon ab, wie wir als Gesellschaft die Strukturen unseres Bildungssystems gestalten. Und leider setzen wir derzeit sehr auf Kontrolle, Selektion und Druck – unter diesen Bedingungen können Lehrkräfte und Schüler*innen ihre Rolle nur sehr schwer verändern oder weiterentwickeln.
Die Schule von morgen: Komplexer und besser denn je?
Um das Lernen schülerzentriert und freier zu gestalten, wird es eines tiefgreifenden Wandels bedürfen. Technologisierung allein reicht nicht aus, um das Ruder herumzureißen, kann aber zum Beispiel hilfreiche Tools bereitstellen, um die Kollaboration und Kommunikation mit und unter den Schülern zu verbessern. Die erweiterten Möglichkeiten, die sich mit Laptop-Stift, Screens und anderen Eingabemöglichkeiten ergeben, sind ebenfalls ein Vorstoß in die richtige Richtung, nämlich hin zu mehr Kreativität.
Eine weitere wichtige Rolle wird gewiss der kritischen Auseinandersetzung mit Darstellungen von Wissen zuteilwerden. In Finnland lernen Kinder schon in der Grundschule, sich kritisch mit Informationen auseinanderzusetzen und Fakten zu prüfen – mit dieser Kompetenz rangieren finnische Kinder an erster Stelle weltweit.
Es bleibt in jedem Fall spannend, wie sich die Schule in der Zukunft präsentieren wird, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann die überaus agilen Schüler von heute uns als Digital Leaders überholen.
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