Mit Zukunftstechnologien zu neuen Geschäftsfeldern

Smart Data, KI, AR und IoT sind nicht nur disruptiv, sie ermöglichen auch neue Businessmodelle.

Mit Zukunftstechnologien zu neuen Geschäftsfeldern
Foto: Vorwerk

Wenn wir über die Auswirkungen der digitalen Transformation reden, hat man vor allem in Deutschland schnell den Eindruck, es würde mehr vernichtet als geschaffen. Als Zalando beispielsweise im Frühjahr 2018 die Neustrukturierung seiner Marketingabteilung ankündigte, wurde die Nachricht auf die Streichung von 250 Stellen reduziert. Dass gleichzeitig neue Stellen für Entwickler geschaffen werden, ging dagegen fast komplett unter. Doch genau das ist ein wesentliches Merkmal von revolutionären Veränderungen: Etwas Altes wird durch etwas Fortschrittlicheres ersetzt. Unternehmen, die nicht mitziehen, laufen Gefahr vom Fortschritt verdrängt zu werden. Dabei geht es nicht ausschließlich um die technologische Weiterentwicklung. Vielmehr ebnen diese Technologien den Weg zu veränderten oder ganz neuen Businessmodelle.

So versuchen auch Handelsplattformen wie Zalando aus den sich ihnen bietenden Möglichkeiten mittels moderner Technologien neue Geschäftsfelder zu erschließen. Große Chancen liegen hier unter anderem in den Daten der Nutzer. Um diese sinnvoll auszuwerten, werden intelligente Algorithmen eingesetzt, für die Zalando Programmierer benötigt und eben keine Marketing-Mitarbeiter. So schmerzhaft der Stellenabbau bei Zalando auf der einen Seite sein mag, so sinnvoll ist der Aufbau neuer Geschäftsfelder auf der anderen Seite.

Voraussetzungen für neue Businessmodelle

Um zu verstehen, welche neuen Möglichkeiten und Geschäftsfelder sich durch die Digitalisierung ergeben, müssen wir uns zuerst die Grundlagen ansehen. Zunächst sind da viele Daten aus immer mehr Datenquellen. Prozesse, Kommunikation und Arbeitsabläufe werden weiter digitalisiert und lassen Big-Data-Ströme entstehen. Dazu kommt die steigende Konnektivität. Immer mehr Geräte haben eine Verbindung zum Internet: vom Auto bis zur Zahnbürste mit Bluetooth-Anbindung. Dadurch entstehen weitere Daten, die bereits Verbindungen mitbringen. Um diese Datenberge (Big Data) sinnvoll nutzen zu können, müssen sie über intelligente Verarbeitungsprozesse (KI) in Wissen umgewandelt werden (Smart Data). Erst jetzt lassen sich über das gewonnene Wissen neue Geschäftsmodelle ableiten.

Die wohl wichtigste Voraussetzung für das Erkennen und Erschließen neuer Geschäftsfelder ist aber nicht der Einsatz von Technologien, sondern das eigene Mindset. Die Bereitschaft, auch bisher sehr erfolgreiche Standbeine infrage zu stellen, ist ein schwieriger aber grundlegender Schritt im Prozess der digitalen Transformation. Wer dagegen zu lange an etablierten Geschäftsmodellen festhält, läuft Gefahr, von anderen überholt zu werden. Das gilt für jedes Unternehmen, egal ob Old Economy, Mittelstand, Startup oder Disruptor.

So erklärte der Mitgründer und ehemalige Uber-CEO Travis Kalanick im Juni 2016, dass der Fahrdienst nicht die Taxi-Branche angreife, sondern zum „Amazon für Mobilität“ werden wolle. Es geht Uber also um eine Vision einer digitalen Plattform, über die jegliche Art von Mobilität abgewickelt werden kann. Bestellte Autofahrten sind dabei nur ein kleiner Teil, es geht zukünftig beispielsweise auch um den Transport von Waren oder andere Transportmittel wie Flugtaxis.

Zum Digital-Mindset gehört aber auch noch eine gute Portion gesunder Menschenverstand. Nicht alles, was sich aus den Daten ableiten lässt, sollte zu einem neuen Geschäft werden. Schon heute, also noch ganz am Anfang der digitalen Transformation, sind viele Menschen besorgt um ihre Privatsphäre und den Schutz ihrer persönlichen Daten. Daher sollten neue digitale Geschäftsmodelle immer auf den Nutzwert für den Menschen ausgelegt werden. Sollen digitale Angebote dagegen nur Daten generieren, die beispielsweise für werbebasierte Geschäftsmodelle eingesetzt werden, dürfte es mit der Akzeptanz schwierig werden. Die Digitalisierung sollte dem Menschen dienen und nicht umgekehrt.

Beispiele für digitale Businessmodelle

Die Vernetzung gehört sicher zu den spannendsten Komponenten der Digitalisierung. Das Internet of Things (IoT) bringt Geräte in die digitale Welt, die zuvor ein abgeschottetes Analogleben führten. Daraus ergeben sich zahlreichen Business-Chancen. Unternehmen, die zuvor nur über den Verkauf ihrer Produkte Einnahmen erzielt haben, können mit dem Einsatz von Sensorik und der Verbindung zur digitalen Welt zum Serviceanbieter werden. Sie können beispielsweise Wartungen genau zum richtigen Zeitpunkt anbieten, noch bevor eine Reparatur fällig wird. Gleiches gilt für den Vertrieb von Verbrauchsmitteln und Zubehör. Über Augmented Reality (AR) können Techniker sogar ohne spezifisches Wissen aus der Ferne angeleitet werden. Wollen sie das nicht selbst anbieten, können sie sich als Plattform positionieren und Wartungen und andere Dienstleistungen als Provisionsgeschäft vergeben.

Die Vernetzung lässt sich aber auch noch anders denken. Ein schönes Beispiel liefert dafür der Direktvertriebler Vorwerk. Die Digitalisierung der Küchenmaschine „Thermomix“ ist auch deshalb eine Erfolgsgeschichte, weil der Nutzen der Konsumenten im Vordergrund steht. Sie bekommen nicht nur einen Helfer für die Zubereitung von Mahlzeiten, sondern ein komplettes Ökosystem zum Thema Ernährung. Per App können sich Familien untereinander abstimmen, was gekocht werden soll. Dazu gibt es eine große Rezeptdatenbank, die speziell auf den Thermomix abgestimmt ist. Die nächste Stufe sieht dann die Lieferung der benötigten Zutaten direkt über die App vor. Hierzu hat sich Vorwerk mit Rewe Digital vernetzt, dessen Lieferservice die Bestellungen dann vor die Tür bringt. Vernetzung bedeutet also auch, dass sich Unternehmen aus verschiedenen Branchen für Kooperationen vernetzen, um zusammen die gestiegenen Kundenanforderungen bedienen zu können.

Viele neue Geschäftsfelder öffnen sich auch im Bereich Mobilität. Ähnlich wie Uber denkt unter anderem auch die Deutsche Bahn. Sie konzentriert sich nicht nur auf das Schienennetz, sondern will zum führenden Mobilitätsanbieter in Deutschland werden. Viele Projekte befinden sich derzeit noch in der Pilotphase oder sind noch in der Planung. Mit dem „ioki“ soll zum Beispiel die Wertschöpfungskette auf die erste und die letzte Meile ausgedehnt werden: Die On-Demand-Plattform bietet den Kunden einen Shuttledienst an, der bequem per App gebucht werden kann und genau dann fährt, wenn der Kunde es wünscht. Der Pilotbetrieb findet zudem gerade nicht in einer Metropole statt, sondern im ländlichen Raum im Rheinland-Pfälzischen Wittlich. Und der Preis? Bahnreisende mit einer Zeitkarte oder einem Einzelfahrschein zahlen für den Shuttleservice einen Euro Aufschlag. Bei einer alternativen Taxifahrt hat man direkt nach dem Einsteigen schon deutlich mehr Kosten auf der Uhr.

Fazit: Mut zur Self-Disruption

Wir alle kennen die Schlagzeilen, nach denen die Digitalisierung Jobs vernichtet und ganze Branchen um ihr Überleben kämpfen müssen. Das ist aber kein Kennzeichen der Digitalisierung, sondern ein Zeichen dafür, dass wir die nächste Evolutionsstufe der Wirtschaft und Gesellschaft erreicht haben. Auch der Buchdruck, die Dampfmaschine oder der Computer haben zunächst für große Umwälzungen gesorgt. Alte Jobs und Unternehmen werden obsolet, aber dafür entstehen neue Arbeits- und Unternehmensfelder. Wer hier als Unternehmen den Wandel aktiv begleitet und auch seine eigenen Geschäftsmodelle kritisch überprüft, kann zum Gewinner der Digitalisierung werden. Wer dagegen das Gestern verteidigt, könnte schon morgen zu den Verlierern gehören.