IT-Fachkräfte finden und binden

Kaum eine Berufsgruppe ist so gefragt wie Entwickler. Sean Bave von Stack Overflow erklärt, wie du für dein Start-up die passenden IT-Fachkräfte findest.

IT-Fachkräfte finden und binden

Der deutschen Wirtschaft geht es gut – zu gut, wenn man manche Human-Resources-Verantwortliche in Unternehmen fragt. Denn schon heute sind IT-Fachkräfte echte Mangelware und gerade in den Start-up-Städten wie Berlin und München kämpfen die Unternehmen um die gefragten Experten und Programmierer. Laut einer aktuellen Studie des Branchenverbands Bitkom sind 82.000 Stellen in deutschen IT-Abteilungen unbesetzt, nahezu 50 Prozent mehr als im Vorjahr.

Unternehmen müssen dabei und die knappen Ressourcen kämpfen – und Start-ups haben hier gegenüber Großunternehmen in puncto Jobsicherheit und Gehalt oft das Nachsehen. Wir haben mit Sean Bave, Managing Director EMEA des großen weltweiten IT-Netzwerks Stack Overflow darüber gesprochen, wie Start-ups bei IT-Fachkräften dennoch punkten können – und wie sie es am geschicktesten anstellen, um angesichts des Bewerbermarktes wahrgenommen zu werden.

 

DMEXCO: Deutschland ist neben den USA das beliebteste Land unter den IT-Experten. Was können Unternehmen tun, um Mitarbeiter langfristig zu binden? Geht es in erster Linie um ein hohes, attraktives Gehalt, oder ist das zu kurzsichtig gedacht?

Sean Bave: Unternehmen konkurrieren auf einem globalen Markt um die besten Tech-Talente. Es wäre nachlässig zu behaupten, dass Gehälter nicht wichtig sind. Aber auch wenn die Gehälter in den USA auf dem Papier viel höher sind, zieht die hohe Lebensqualität viele Entwickler nach Deutschland. Wir stellen fest, dass die Vergütung immer mehr als selbstverständlich angesehen wird. Talentierte Kandidaten fragen: Was hat ein Arbeitgeber außerdem zu bieten?Auf die Frage, was ihnen bei einem Job wichtig ist, bestätigten Entwickler auf der ganzen Welt in unserer jüngsten Umfrage, dass sie eine Arbeitsstelle haben wollen, die ihnen besonders interessante Herausforderungen bietet.

54 Prozent der Befragten legen besonderen Wert auf die Technologien, mit denen sie arbeiten würden. Jedes Unternehmen sollte daher einmal einen Blick auf die besonders beliebten Sprachen, Frameworks und anderen Tools werfen und ein Gefühl dafür entwickeln, wie attraktiv der eigene Tech Stack ist. Auch haben wir erfahren, dass es Kandidaten besonders wichtig ist, in welcher Entwicklerkultur sie arbeiten werden, und ob sie dort ihre Skills weiterentwickeln können. Dies ist etwas, das die Arbeitgeber so weit wie möglich unterstützen müssen, nicht nur durch Budgets für Konferenzen und neue Technologien, sondern auch durch eine Kultur des Lernens und Teilens.

 

DMEXCO: Wie können Arbeitgeber bei Programmiererinnen und Programmierern besonders punkten? Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach Flexibilität, Work-Life-Balance und die Möglichkeit der Remote-Arbeit für die jüngere Generation? Können sie potenzielle neue Mitarbeiter mit eher traditionellen Anreizen wie Firmenwagen, Altersvorsorge etc. überzeugen?

Sean Bave: Es scheint hier derzeit eine Verschiebung zu geben. Weltweit würden rund 30 Prozent der Entwickler gerne (in Vollzeit) von zu Hause aus arbeiten. Was läge also näher für Arbeitgeber, als ihnen das auch anzubieten? Außerdem ist in Deutschland die Zahl der in Teilzeit beschäftigten Entwicklerinnen und Entwickler deutlich höher. Weltweit waren flexible Arbeitszeitmodelle das drittwichtigste Kriterium für IT-Profis auf Jobsuche.

Arbeitnehmer in der IT-Branche sind nicht anders als in anderen Branchen und schätzen es, wenn Arbeitgeber ihre Wertschätzung auch über Investition in die Mitarbeiter zum Ausdruck bringt. Jedoch sehen wir, dass viele der Dinge, die Unternehmen hier gerne hervorheben – wie beispielsweise Kickertisch, Altersvorsorge oder Firmenwagen – mehr und mehr zu sogenannten Hygienefaktoren werden. Um einen Job jedoch wirklich attraktiv zu machen, sollte man im Zuge dieser Zusatzleistungen auch beweisen, dass man die Interessen und Wünsche von Entwicklern verstanden hat. Die besten Benefits sind nicht nur einfach ein Dankeschön an die Mitarbeiter, sondern ein Beweis der guten Entwicklungskultur. Eine bezahlte Reise zu einer internationalen Entwicklerkonferenz schlägt am Ende vielleicht genauso zu Buche, wie das Betriebssommerfest auf Mallorca – aber es ist für einen Entwickler oder eine Entwicklerin ein schlagendes Argument. Genauso freuen sich IT-Mitarbeiter zwar auch über die Club-Mate-Flatrate, aber noch mehr über einen erstklassigen neuen Bildschirm.

 

DMEXCO: Stichwort Club-Mate, hast Du das schon mal probiert?

Sean Bave: Ja, ich habe es probiert. Sagen wir mal so: Ich würde dafür allein nicht zu einem Arbeitgeber nach Deutschland wechseln.

 

DMEXCO: Aus Deiner Sicht, was bevorzugen Entwickler an Start-ups gegenüber großen, etablierten Unternehmen? Die Arbeit für ein Start-up bringt oft lange Arbeitszeiten und weniger Beschäftigungssicherheit mit sich. Was kann macht sie denn so attraktiv?

Sean Bave: Die Umfrage zeigt, dass Entwickler in Unternehmen jeder Größe arbeiten. Wobei der hektische Alltag in einem Start-up nicht für jeden das Richtige sein muss. Eine Zahl die hierzu sehr spannend sein kann, sind die 80 Prozent der Umfrageteilnehmer, die angaben, auch in ihrer Freizeit noch Code zu schreiben. Und zwar außerhalb der Arbeit. Die Herausforderung für Unternehmen, egal welcher Größe, ist es nun, diese Begeisterung als Arbeitgeber zu nutzen. Entwicklerinnen und Entwickler wünschen sich nichts mehr, als die Früchte ihrer Arbeit zu ernten. Sie wollen sehen, was ihr Code bewirkt, direktes Feedback von Kollegen und Mentoren-Persönlichkeiten erhalten und die Freiräume haben, neue Dinge auszuprobieren. Startups zeichnen sich gegenüber anderen Unternehmen oft dadurch aus, dass Führungskräfte einen technischen Hintergrund haben, dass Entwicklerteams Einfluss auf die Wahl der genutzten Technologien und größeres Gewicht in Bezug auf unternehmerische Entscheidungen haben.

 

DMEXCO: Was ist der beste Weg, um heutzutage IT-Mitarbeiter zu finden? Die gute alte Stellenanzeige ist im Kandidatenmarkt wenig erfolgversprechend, oder? Sourcing durch Arbeitgeber?

Sean Bave: Ja, die Macht liegt beim Kandidaten, doch viele Unternehmen müssen diese Veränderung erst noch in all ihren Auswirkungen begreifen. Denn man spricht nicht nur mit einem Kandidaten oder einer Kandidatin, der oder die aus mehreren Arbeitgebern und Jobangeboten auswählen kann. Sondern sehr wahrscheinlich auch mit Kandidaten, die in ihrem derzeitigen Job gerade sehr glücklich sind. Es gilt also zunächst das eigene Unternehmen in der Szene bekannt zu machen. Ladet zu Meet-ups oder Hackathons bei Euch im Unternehmen ein. Schickt Eure Entwicklerinnen und Entwickler zu Events oder lasst sie auf einem Tech-Blog ihr Wissen teilen.

Davon abgesehen solltest Du Dich aktiv auf die Suche machen. Dazu gehört, Stellen gezielt bei der richtigen Zielgruppe zu bewerben, aber auch in die Direktansprache von Kandidatinnen und Kandidaten zu gehen. Dazu muss Dein Pitch sitzen – denn Du bewirbst auch Dich und Dein Unternehmen, so ungewöhnlich das klingt. Arbeite gemeinsam mit Deinen Personalverantwortlichen in der IT die Alleinstellungsmerkmale des Teams heraus. An welchen spannenden Aufgaben arbeitet das Unternehmen derzeit? Dabei solltest Du so konkret wie möglich werden. Entwickler schätzen es, wenn Sie konkret und auf Augenhöhe diskutieren – und wenn Unternehmen leere Marketingphrasen weglassen.

Warum ein Start-up dein nächster Arbeitgeber sein könnte

Sean Bave ist seit 2012 bei Stack Overflow und hat eine entscheidende Rolle beim Wachstum des Unternehmens gespielt. Seit 2017 ist er General Manager von Stack Overflow Talent and Advertising sowie Managing Director für Stack Overflow EMEA.
Als Mitglied des Executive Teams ist Sean verantwortlich für die Definition der Strategie für das Talent Business. Sein Hauptaugenmerk liegt auf der Verbindung von Entwicklern mit Unternehmen.