Investmenttrends 2019: Folge dem Geld
E-Commerce und Advertising bleiben spannende Geschäfte für Investoren, daneben gewinnen Fin- und Legal-Techs an Bedeutung: die lukrativen Invest-Trends für die Digitalbranche.
Geld ist billig und sitzt zurzeit locker: Laut Beratung- und Prüfungsunternehmen EY konnten Gründer in Deutschland 2018 bei Investoren so viel Geld einsammeln wie nie, rund 1,6 Milliarden Euro. Und schon kündigt sich an, dass Unternehmen, Beteiligungs-Gesellschaften und Risikokapitalgeber 2019 noch mehr Geld in Start-ups und Geschäftsideen stecken: Gerade bietet die Beteiligungsgesellschaften Hellmann & Friedman mit Blackstone rund 4,5 Milliarden Euro für die Scout24-Gruppe mit ihren Anzeigenbörsen Immobilien-, Auto- und Jobscout. Seit einigen Jahren stehen zudem gut gehende Online-Shops auf der Liste internationaler Einkäufer – jetzt vor allem bei denen aus Asien: Japans Telekommunikationskonzern Softbank hat sich schon mit 460 Millionen Euro beim Berliner Online-Gebrauchtwagenmarkt Wirkaufendeinauto.de oder Auto1 eingekauft. Jetzt wirft Alibaba sein Auge auf Modehändler Zalando, für eine Übernahme wird der Handelskonzern aus China einige Hundert Millionen Euro mehr springen lassen müssen.
Digitalagenturen – Kaufobjekt für Berater
Für Zukäufe machen sich auch Digital-Agenturen interessant. Werbenetzwerke und Beratungen stärken damit ihre digitale Kompetenz, einem Kernbereich für die digitale Transformation. Immer öfter konkurrieren Beratungen mit Digital-Spezialisten aus Agenturen, wenn sie um Aufträge pitchen. Warum also nicht gleich übernehmen und die leistungen ergänzen? „Die Konsolidierungswelle hält weiter an“, beobachtet Julian Riedlbauer, Partner der britischen Beteiligungsgesellschaft GP Bullhound. „Im Agenturbereich mit Schwerpunkt Digital Transformation, Software- und Web-Development und auch im Segment Innovation Consulting gibt es noch immer diverse Übernahmekandidaten und Interesse von Käufern.“ Ende 2018 wurden Kolle Rebbe, Namics und Elbkind von Accenture, Dentsu Aegis und Reply geschluckt, weitere Digital-Agenturen verhandeln bereits Übernahmen oder Fusionen.
Integrationsfähige Analyse- und Content-Tools
Aus den Abschlüssen von Venture-Capital-Gesellschaften lassen sich auch technische Trends ablesen, die relevant für den Online-Handel und -Marketing werden: „E-Commerce und AdTech stehen nicht mehr so stark im Fokus wie vor einigen Jahren“, berichtet Tanja Emmerling, Principal beim Hightech-Gründerfonds und Leiterin des Berliner Büros. „Dafür achten Investoren heute eher auf die technische Unterstützung zur weiteren Automatisierung sowie Personalisierung. Sie suchen nach Workflow-Integration und KI-gesteuerter Performance im Ad Management und der Datenverwaltung.“ Gesucht sind ausgefeiltere Tools für die automatisierte Platzierung von Online- und Mobile-Kampagnen, zur Analyse von Kauf- und Verhaltensdaten, zur Personalisierung von Angeboten sowie zur Steuerung von Content über Social Media. Bei der Entwicklung von Apps oder Plattformen werden sich Gründer künftig noch stärker vernetzen und austauschen müssen. Händler wie Marketeers wünschen sich mehr Integration der neuen Funktionen in bekannte Tools und Schnittstellen zu Unternehmenssoftware: „Zwischen Anbietern wird es mehr Konsolidierung geben, einzelne Teilfunktionen werden stärker synchronisiert“, prognostiziert Emmerling. „Auch die Integrationsfähigkeit der Tools in CRM- und ERP-Systeme wird zur besseren Vermarktung und der Optimierung von Kosten beitragen.“
Werkzeuge für Werbung auf Amazon
Nach Google und Facebook etabliert sich der nächste Werbemagnet: Studien zufolge beginnen heute 50 Prozent der Verbraucher die Suche nach einer Ware bei Amazon, der US-Händler läuft Google bei der Produktsuche den Rang ab. Amazon hat 2018 weltweit knapp fünf Milliarden US-Dollar für Anzeigen eingenommen, davon in Deutschland nach Schätzungen von GP Bullhound umgerechnet rund 795 Millionen Dollar. In den USA ist der Marktplatz bereits drittgrößte Werbeplattform. „Es sieht so aus als würden Facebook und Google den Kampf um ihr Duopolstellung bei den Werbe-Spendings gegen Amazon verlieren“, schließt Riedlbauer daraus, und: „Bis 2020 wird Amazon seinen Anteil an den weltweiten Werbeausgaben von heute vier auf bis zu sieben Prozent ausweiten können. Alle Ideen und Werkzeuge, die das Marketing auf der Plattform und anderen Marktplätzen vereinfachen, sind daher heiße Themen.“ Für Investoren wie auch für Kunden und Auftraggeber.
Automatisierte Kunden-Kommunikation
Daneben nutzen Verbraucher Sprach- und Bildsuchen auf der Jagd nach Informationen und vor allem Produkten. Umgekehrt automatisieren immer mehr Unternehmen die Kommunikation mit Interessenten: „Interessant sind daher auch die Technologien hinter Chatbots“, folgert Emmerling daraus. „In Asien sind Messenger-Dienste schon deutlich tiefer in mobile Shop-Konzepte integriert.“ Diese Entwicklung schwappt jetzt nach Europa und in die USA. Ein Grund, warum der Hightech-Gründerfonds vor Kurzem in das Unternehmen Messenger-People aus München investierte.
Komfortableres Bezahlen und Banking
Online-Händler sollten 2019 außerdem auf neue Bezahlverfahren achten: Noch immer gehen fast ein Drittel der Käufer verloren, weil die Bezahlung im Internet unkomfortabel ist oder Technik versagt. Start-ups wie Sofort-Pay, Paymill, Sumup arbeiten an besseren Lösungen, doch nun breiten sich mit Apple-, Google- und Alipay auch noch die mobilen Zahlmöglichkeiten aus und erweitern im Multichannel-Handel die Range an bargeldlosen Zahlverfahren. „Händler suchen nach neuen Technologien, die Zahlungsprozesse vereinfachen, Reibungsverluste im Check-Out-Prozess und Abbruchraten senken, aber auch für mehr Sicherheit gegen Betrug bei Online-Transaktionen bieten“, folgert Emmerling.
Sowieso bleiben FinTechs gesuchte Kaufkandidaten für Investoren, Beteiligungs-Gesellschaften oder für Zukäufe von Unternehmen, meint auch Julian Riedlbauer: „Durch zunehmende Investitionen, bessere Regulierung und mehr Innovationen werden die Digitalbanken den etablierten Geldinstituten im Privatkundengeschäft gefährlich. Das schnelle Wachstum der Start-ups wird durch massive Investments angetrieben.“ 91 Prozent der Millennials sehen bereits mehr Nutzen in einer Mobile-Banking-App als im Besuch einer Bankfiliale. Abzusehen ist, dass auch 2019 wieder Millionen in die neuen, mobilen Banken fließen wird: Nachdem N26 im letzten Jahr schon rund 130 Millionen Euro Kapital einwarb, sicherte sich das Berliner Start-up zum Jahresanfang stramme 260 Millionen Euro fürs internationale Wachstum.
Datenschutz und -Sicherheit
Auch die neue Datenschutz-Grundverordnung und die gewachsene Sensibilität der Verbraucher und Unternehmen gegenüber der Sicherheit von Daten beschäftigt Gründer und damit Investoren: LegalTechs bieten neuerdings lukrative Anlagemöglichkeiten, sie arbeiten an neuen, höchst gefragten Technologien, um die Online- und Mobile-Kommunikation mit Nutzern rechtskonform aufzubauen und die Arbeit mit Kunden- und Nutzerdaten einfacher dokumentieren zu können.
Fazit
Zwei Übernahmen im Milliardenbereich geplant: Auch 2019 fließen Rekordsummen in junge Unternehmen. Vor allem von internationalen Konzernen, deutsche Unternehmen bieten leider höchstens mit. Nachholbedarf besteht in Europa außerdem an Start-ups, die sich mit „skalierbarem, automatisierten Digital Marketing, Programmatic Advertising und Analytics beschäftigen“, so Investor Riedlbauer.
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