Digitalisierung der Baubranche: BIM & Co. weisen den Weg in die Zukunft
Der deutsche Bausektor ist im Vergleich zu anderen Branchen ein digitaler Nachzügler. Dabei bietet die Digitalisierung in der Baubranche großes Potenzial. Building Information Modeling und andere Verfahren können die Wende bringen.
Lieber 2D statt 3D? Im Bauwesen ist noch viel Luft nach oben
Die Baubranche ist hierzulande einer der wichtigsten Wirtschaftssektoren: Sie beschäftigt etwa zwei Millionen Menschen. Doch sie ist nach wie vor geprägt von den analogen Techniken, die über Jahrzehnte für diesen Erfolg gesorgt haben. Entsprechend hält die Digitalisierung nur langsam Einzug in die altbewährten Prozesse der Unternehmen. Vielerorts wird lieber an der 2D-Technologie festgehalten, statt auf 3D-Modelle zur Visualisierung umzusteigen. Oder es wird in Betrieben gewohnt analog geplant, statt auf digitale Lösungen zu setzen. Laut McKinsey belegt die Baubranche in puncto Digitalisierung den vorletzten Platz – dahinter kommen nur noch Jagd und Fischerei.
Warum hinkt die Baubranche in der Digitalisierung hinterher?
In einer Anfang 2020 veröffentlichten Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim wurden unter anderem die Gründe für den Rückstand im Bauwesen bei der Realisierung von Digitalisierungsprojekten untersucht:
Die Untersuchung des ZEW zeigte aber auch, dass die Branche durchaus enorme Chancen der Digitalisierung für die zukünftige Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Bausektors sieht. Aktuell machen sich bereits erste Erfolge bemerkbar. Einen großen Anschub der Digitalisierung im Bauwesen ist das Building Information Modeling (BIM).
Was ist Building Information Modeling?
Als BIM wird ein Verfahren bezeichnet, mit dem sich alle relevanten Daten aus dem gesamten Lebenszyklus des Gebäudes betrachten lassen. Diese Daten können dann sowohl erfasst als auch miteinander kombiniert und vernetzt werden. Basierend auf einem 3D-Modell bildet BIM alle Phasen ab: Vom Entwurf über die Planung, die Konstruktion, die Infrastruktur und die Verwaltung des Bauwerks bis hin zum Rück- oder Umbau. Neben BIM 3D existieren sogar BIM-5D- oder BIM-7D-Modelle.
Mit Building Information Modeling können schon in der Planungsphase digitale Simulationen entwickelt werden. Neben der visuellen Darstellung sämtlicher Gewerke stellt das Modell ebenso die Informationen zum zeitlichen Projektverlauf, zu den Kosten und zum Status quo des Projekts bereit. Diese Informationen werden nicht in Dokumenten oder Tabellen erfasst, sondern in das zentrale, dreidimensionale BIM-Modell integriert. So können zeitliche Fehlplanungen frühzeitig verhindert und mögliche Mehrkosten entdeckt werden.
Für die Digitalisierung der Baubranche ist Building Information Modeling ein wichtiger Impulsgeber, dessen Bekanntheit und Ansehen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sind. Das Modell kann in vielen Teilbereichen des Bauwesens Anwendung finden: Es wird etwa von Bauherren, Architekten, Ingenieuren oder Gebäudetechnikern genutzt.
Fliegende Multitalente: Drohnen im Bauwesen
Neben Building Information Modeling halten im Bausektor weitere digitale Anwendungen und Tools Einzug: Auf diversen Baustellen sind mittlerweile Drohnen zu sehen – sie sind ein wichtiger Bestandteil der Digitalisierung der Baubranche. In der Regel setzt man Multi-Rotor-Flugkörper ein, die gut manövrierbar sind, ein geringes Eigengewicht haben und sehr benutzerfreundlich in der Bedienung sind. Meist werden die Drohnen von Bauleitern, Projektmanagern sowie Vertretern der Bauaufsicht genutzt. Die Einsatzbereiche von Drohnen auf der Baustelle sind vielfältig: Die Geräte entdecken mögliche Baumängel, dokumentieren den Baufortschritt, inspizieren Sicherheitslücken, vermessen Bauabschnitte oder transportieren mitunter Werkzeuge.
Virtuelle Realität ermöglicht fiktiven Baustellenbesuch
Eine wahre Revolution in der Baubranche ist Virtual Reality (VR), die vor allem im Bereich der Baustellensicherheit eine tragende Rolle spielt: Die meisten Unfälle auf Baustellen geschehen durch Abstürze. Mit Virtual Reality können Mitarbeiter in Schulungen dank virtueller Visualisierung im Vorfeld auf ihren Einsatz auf der Baustelle bestens vorbereitet werden, indem sie die noch nicht real existente Baustelle mittels VR-Brille besuchen. Per Fernbedienung lässt sich die Umgebung verändern, während Kopfhörer für den authentischen Klang sorgen. Entsprechend können Gefahrensituationen simuliert und das korrekte Verhalten bei Bränden oder Gewitterstürmen einstudiert werden.
Erweiterte Realität erlaubt Blick hinter die Fassade
Mindestens ebenso revolutionär: Augmented Reality (AR). Bei dieser Technologie wird die Realität virtuell erweitert – im E-Commerce beispielsweise sorgt sie bereits seit Längerem für Shopping-Erlebnisse der besonderen Art. Als Bestandteil der Digitalisierung im Bausektor birgt AR ebenso viel Potenzial, etwa indem auf virtuellem Wege über ein Smartphone oder Tablet hinter eine bereits verputzte Gebäudewand geschaut wird.
Weil die digitalen Modelle oft durch Building Information Modeling bereits existieren, können diese Daten hervorragend für VR oder AR genutzt werden. Messungen werden automatisiert, Fehler in der Planung und Ausführung frühzeitig entdeckt und Gefahren identifiziert. Somit lassen sich mit digitalen Tools im Bausektor Prozesse effizienter gestalten, enorme Kosten einsparen und die Arbeitssicherheit signifikant erhöhen.
Digitalisierung in der Baubranche dringend notwendig
Mit einer gezielten Digitalisierung der Baubranche können nach Angaben von McKinsey rund 30 % an Planungskapazitäten eingespart werden. Darüber hinaus könnten mittels digitaler Tools die Sicherheitsstandards maßgeblich erhöht und so Unfälle verhindert werden, Bauvorhaben ließen sich viel effizienter realisieren. Angesichts dieses enormen Potenzials ist es fatal, dass der Bausektor einer der Wirtschaftszweige ist, die in puncto Digitalisierung am weitesten im Rückstand sind. Bedenken wir die unzähligen Menschen, die in die Städte strömen, ist es an der Zeit, dass die Baubranche sich digitale Technologien zunutze macht, um dem steigenden Bedarf an Wohnraum gerecht zu werden.
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