Die Customer Journey im B2B
Durch die Digitalisierung werden B2B-Firmen sichtbarer - und lernen die Entscheidungswege ihrer Kunden kennen
Elring Klinger, Endress + Hauser oder Klöckner: Kaum einer kennt diese Firmen. Dabei gehören sie zu den größten Unternehmen der DACH-Region – im Bereich Business to Business. Dort läuft vieles anders, von den Strukturen bis hin zum Marketing. Da müssen die Kunden anders als beim B2C angesprochen und abgeholt werden. Messen, Events und das telefonische Verkaufsgespräch, das waren zuvor die ausschlaggebenden Kanäle für solide Kundenbeziehungen und Käufe. Heute treten immer stärker die digitalen Kanäle in den Fokus. Mit Folgen für die Customer Journey der Einkäufer: einiges muss neu gedacht werden, einiges bleibt.
Was bleibt: Das ist die Beschaffenheit der Zielgruppe. “Häufig geht es um ganz andere Produkt- oder Dienstleistungswerte, und der Käufer zahlt den Kaufpreis nicht von seinem eigenen, privaten Budget”, sagt Janos Moldvay, Gründer und CEO beim Online-Marketing-Dienstleister Adtriba. Stärker als bei B2C, wo ein Unternehmen eine heterogene Konsumentengruppe ansprechen muss, handelt es sich bei B2B um eine Zielgruppe mit relativ klar definierten Bedürfnissen. Daher spielt Sales in der Regel eine größere Rolle als reine Marketing-Aktivitäten. Letztere treten jedoch immer stärker in den Fokus. Der Grund sind die wachsende Anzahl an jüngeren Entscheidungsträgern.
Die Customer Journey digitalisiert sich weiter
Eine vielzitierte Studie von Google und Roland Berger bestätigt die steigende Wichtigkeit der digitalen Customer Journey. Danach zählen 50 Prozent der B2B-Einkäufer in den USA und in Deutschland heute zu den Digital Natives. Tendenz steigend. Das Internet spielt für die jungen Manager eine zentrale Rolle: Sie sind es gewohnt Konsumgüter online einzukaufen. Diese Gewohnheit übertragen sie auf den Beruf: Bei größeren anstehenden Investitionen für ihr Unternehmen recherchieren sie vorwiegend Online-Content. Dort gucken sie gerne im Internet nach Bewertungen und informieren sich in Fachforen nach Alternativangeboten – und das quasi rund um die Uhr. Wenn Einkäufer zum ersten Mal Kontakt zum Verkäufer aufnehmen, dann sind schon 57 Prozent des Entscheidungsprozesses absolviert .
Die Folge: Immer weniger stabile langjährig gepflegte Geschäftsbeziehungen – immer mehr Wankelmütigkeit. Das Web hält zu viele neue Angebote bereit. Die bedingungslose Loyalität gibt es nicht mehr. Für Unternehmen bedeutet das unter anderem: Sie müssen mehr Content erstellen, der über ein Content Management System ausgespielt wird und weiter geteilt werden kann. Damit unterstützen sie etwa Bestandskunden in ihrem erneuten Kaufentscheidungsprozess. Dasselbe gilt auch für Erstkunden: Entscheidend – neben gutem Content, der die Zielgruppe interessiert – ist auch die Suchmaschinen-Optimierung. Doch auch hier gilt: Je besser der Content, der den Lesern gefällt, desto höher rückt der Eintrag im Suchmaschinenranking von Google.
Attribution macht die richtigen Touchpoints ausfindig
Um den Kundenweg zu verfolgen, stehen Attributionsmodelle zur Verfügung. Wichtig ist, dass sie auch Offline-Kampagnen inkludieren. Bei der Auswahl des Modells sollten Unternehmen auch darauf achten, dass die Erkenntnisse möglichst einfach dargestellt werden. “Dem Anwender muss verständlich sein, wie das Attributionsmodell funktioniert und welcher Algorithmus verwendet wird”, sagt Moldvay. Nur so entsteht Vertrauen in die Lösung und die Ergebnisse können direkt umzusetzen.
Grundvoraussetzung für eine reibungslose Attribution sind Daten. An der Qualität hapert es noch häufig. “Das Erfassen von Offline-Touchpoints, beispielsweise auf Messen, setzt häufig manuelle Eingaben voraus, was per se recht fehleranfällig ist”, sagt Moldvay. Online steht dabei das Sales-CRM zur Verfügung, das akribisch gepflegt werden muss. Nur so können Touchpoints ausfindig gemacht werden, die das Verfolgen der Customer Journey ermöglichen. Algorithmische Modelle sind im B2B zumeist außen vor – der Grund liegt in zu geringen Datenpunkten.
Und noch einen großen Unterschied zu B2C-Kampagnen gibt es. Dort können Ableitungen aus der Customer Journey- Analyse und der Marketing Attribution deutlich direkter und einfacher in Maßnahmen umgesetzt werden. Wenn beispielsweise erkannt wird, dass eine bestimmte Kampagne oder ein Kanal besonders gut funktionieren, kann ein Marketer dort mit der Erhöhung des Budgets oder mit der Anpassung der Gebote – etwa für Adwords-Kampagnen – schnell reagieren.
Offline bleibt weiter wichtig – und muss integriert werden
Im B2B-Kontext dagegen ist der Prozess meistens indirekter und langwieriger. “Wenn sich herausstellt, dass eine bestimmte Messe, die jährlich stattfindet, sehr gut funktioniert hat, kann dieser Touchpoint ja nicht beliebig durch Erhöhung des Budgets skaliert werden”, beschreibt Moldvay. “Im Zweifelsfall muss fast ein Jahr gewartet werden, ehe es zu weiteren Touchpoints kommen kann.”
Um Offline und Online zusammenzuführen, werden Kontakte aus dem CRM-Tool verwendet und mit den Touchpoints kombiniert, die über digitales Tracking gewonnen werden. “Die Verbindung dieser Daten mit der anschließenden Customer Journey-Analyse über das Attribution Modeling liefert spannende Erkenntnisse”, verspricht Moldvay. So kann beispielsweise der Zusammenhang zwischen Telemarketing, Fax-Kampagnen und Retargeting-Kampagnen verstanden werden. Dadurch lässt sich identifizieren, welche Kanal-Kombinationen und Journeys besonders profitabel sind, um die Budget-Allokation entsprechend anzupassen. Wie bei der B2C Customer Journey auch.
Fazit:
Es gilt, einer veränderten Einkäufer-Klientel gerecht zu werden. Daher nähert sich die B2B Customer Journey der B2C-Kundenreise immer weiter an. Digitale Touchpoints treten in den Fokus – und verschieben die Sales- hin zu einer Marketing-Taktik. Dennoch bleiben die Parameter der Zielgruppe sowie der hohen Bedeutung der Offline-Maßnahmen gleich. Sales- und Marketing-Manager müssen also Hand in Hand zusammenarbeiten, um Potenziale zu entdecken – und über eine ausgeklügelte Attribution der Kanäle stärker als bisher für sich zu nutzen.