Daten, zu mir! – Wie Marken sich datentechnisch emanzipieren

Brands können es sich heute nicht mehr leisten, ihre wertvollen Kundendaten extern zu steuern. Wer selbst verwaltet, gelangt direkt zum Käufer!

adidas Runtastic App ©adidas
adidas Runtastic App ©adidas

Adidas ist der Renner. Mit seiner Fitnessanwendung Runtastic rangiert der Konzern regelmäßig in den Top Ten der Apps mit den meisten Downloads in Deutschland. Bereitwillig teilen die Fitness-Freunde ihre Daten mit dem Sportunternehmen, das seit 2015 Eigner der Anwendung und damit Herr über mehr als 100 Millionen Nutzerdaten ist. In diesem Sommer erst hat Adidas die Web-Version eingestellt und der verbleibenden App ein noch stärkeres Branding aufgedrückt – sie firmiert seit September als „Adidas Running by Runtastic“. Ein konsequenter Schritt, um die Fans noch näher an die eigene Marke zu binden.

Mehrwerte gegen Daten

Auch sonst bleibt Adidas seinen Kunden dicht auf den Fersen. Der Mehrwert der App macht User auskunftsfreudig: Für den besseren Trainingserfolg geben sie nicht nur die üblichen Stammdaten preis, sondern durchaus auch sensibleres Material wie Trainingszeiten, Körpergröße, Gewicht und Herzfrequenz. Eine Goldgrube für die Datenspezialisten aus Herzogenaurach, die die Freigebigkeit ihrer Community gut belohnt – mit exklusivem Zugang zu Sondereditionen, zu Events und mit früherem Einblick in Produktinnovationen.

Under Armour geht bei der Kundenbeobachtung sogar noch ein Stückchen weiter: Die App Under Armour Record trackt neben Sport- und Fitnessaktivitäten auch Schlafzeiten und Ernährung. So aggregiert die Marke intime Daten, um sie für maßgeschneiderte Angebote, für Werbung oder Kundenbindungsaktionen zu nutzen.

Adidas-Konkurrent Nike hält sowieso schon mit seinen Kunden Schritt: In der Nike Run Club App können die Nutzer ihre Freunde über die aktuellen Fitnessziele informieren, ihre Schuhe taggen und hinterlegen, wie viele Kilometer sie jeweils damit gerannt sind. Digitale Konkurrenzbeobachtung ist es auch, denn auch die Schuhe der Wettbewerber können über diese Funktion getaggt und deren Lebensdauer genau protokolliert werden.

Datenhoheit lautet die Devise

Der Wettbewerb der Sportmarken ist so digital wie noch nie. Die Brands tun, was Marktforscher Forrester ihnen in der Studie „The Future of CX“ mit auf den Weg gegeben hat: „Marken, die ihre Daten selbst besitzen, werden diejenigen ausstechen, die ihre Daten bloß von Dritten mieten.“ Die Schlussfolgerung: Eine in Zukunft erfolgreiche Marke muss sich von den großen Datennetzwerken Google, Facebook und Amazon unabhängig machen, ihr Kundenwissen autonom managen. Dabei gelte es, bis tief hinein in die Wurzeln eines Kundenverhaltens vorzudringen. Je kleinteiliger die Markenhersteller ihr Publikum adressieren, desto treuere Kunden werden sie auf lange Sicht haben, so Forrester.

Der Einzelhandel entdeckt die Empathie via Daten

In Deutschland hat nach den E-Commerce-Anbietern auch der stationäre Einzelhandel erkannt, wie wichtig datengestützte Empathie für den eigenen Geschäftserfolg ist. Der Discounter Lidl wagte gerade einen Vorstoß und launchte eine digitale Kundenkarte via App – um mit den Daten noch zielgenauer Werbung und Angebote ausspielen zu können. Das Kaufverhalten wird detailliert erfasst, so beispielsweise Art und Menge der Produkte, eingelöste Coupons, Zeit der Zahlung, Zahlungsmittel und die bevorzugte Stammfiliale für den jeweiligen Karteninhaber. Zum Dank erhalten die Kunden speziell zugeschnittene Sonderangebote.

Auch Douglas und H&M haben elektronische Kundenkarten mit Bonuspunkten und exklusiven Incentives in Umlauf gebracht. Schon früh habe man in die Douglas Card investiert, sagte CEO Tina Müller kürzlich in einem Interview mit dem Blog Kassenzone und nannte Beispiele: „Eine Filialleiterin kann in der Filiale am Rechner eine Event-Vorlage benutzen, bevor sie über die Karte eine Segmentierung vornimmt und gezielt einlädt. Wir können auch durch diese Daten online Empfehlungen viel gezielter ausspielen.“

Einen Schritt weiter geht die Otto-Gruppe mit ihrer 2015 gegründeten Tochter Otto Group Media, die ihre Kundenkenntnis auch für Dritte nutzt. Man verfüge über ein geballtes Wissen von 25 Millionen CRM-Daten in 150 Segmenten, wirbt der Vermarkter. Genügend Detailmaterial, um maßgeschneiderte Kampagnen auch für angebundene Markenhersteller ausspielen zu können.

Fazit:

Das Material ist da: App-Anwender zeigen sich freigebig mit ihren Daten, sobald sie einen entsprechenden individuellen Nutzen erhalten. Wer allerdings als Markenhersteller im harten Wettbewerb der Kundenbindung bestehen will, muss seine CRM-Daten selbst aggregieren, verwalten und smart analysieren. Und er sollte mit offenen Karten spielen. Schon bei Lidls neuer elektronischer Kundenkarte haben die Datenschützer genauestens hingesehen – Transparenz hat auch bei der Kundenbindung oberste Priorität.