Conversational Commerce: Wenn Maschinen verkaufen
Messenger und Chatbots übernehmen die Rolle des Verkäufers. Das hat gleichermaßen Vor- und Nachteile.
Beim Conversational Commerce sollen die Konsumenten über Gespräche zum Kauf geführt werden. Der Clou dabei: Die Gespräche werden auf Unternehmensseite nicht von Menschen geführt, sondern von Maschinen. Sie übernehmen die Rolle des Verkäufers und versorgen die Interessenten mit den nötigen Informationen. „Mit Konversation zu mehr Konversionen“, so könnte man die neue Zauberformel auf den Punkt bringen.
Der Begriff „Conversational Commerce“ wurde erstmals 2016 von Chris Messina beschrieben:
„Conversational commerce (as I see it) largely pertains to utilizing chat, messaging, or other natural language interfaces (i.e. voice) to interact with people, brands, or services and bots that heretofore have had no real place in the bidirectional, asynchronous messaging context.“
Es geht also um Interaktionen von Menschen mit Marken, die von Chats, Messengern oder anderen Schnittstellen, die natürliche Sprache benutzen, geführt werden, und für die es zuvor noch keinen Platz im asynchronen Nachrichtenaustausch gab. Was also bisher nur zwischen Menschen stattgefunden hat, bekommt mit den Chatbots eine neue Dimension. Plötzlich können Maschinen mit den Kunden kommunizieren. Das kann entweder per Tastatur- oder Spracheingabe geschehen und ist nicht auf ein Gerät festgelegt. Der Trend zum Mobile-Shopping legt allerdings nahe, dass das Smartphone hier eine besondere Rolle einnimmt.
Die Vorteile von Conversational Commerce
Für die Konsumenten hat diese Form der Kommunikation mit Kaufabsicht vor allem praktische Vorteile. Sie können den Bot jederzeit und von überall erreichen und müssen nicht auf Geschäftszeiten achten. Gerade bei einfachen Kaufvorgängen kann ein Bot den potentiellen Kunden oft schneller helfen, als ein menschlicher Kundenberater. Der Bot hat im Idealfall in Echtzeit Zugang zum Warenwirtschaftssystem und kann schnell Lieferauskünfte geben. Außerdem steht der Chat-Bot sofort zur Verfügung, lange Wartezeiten wie bei einer Telefon-Hotline gibt es bei ihm nicht. Wenn der Chatbot auf den Facebook-Messenger oder auf WhatsApp aufsetzt, agiert der Kunde zudem quasi in seinem Kommunikationswohnzimmer: Hier kennt er sich aus, hier fühlt er sich wohl und hier muss er keine neue Benutzung erlernen. Der Kunde spart also vor allem Zeit und hat es bequem dabei.
Für die Unternehmen liegen die Vorteile dagegen in einer Kostenersparnis. Menschliche Kommunikation ist immer noch ein großer Kostenfaktor und lässt sich nur schwer exakt planen. Lange Wartezeiten, aber auch eine personelle Überbesetzung im Kundencenter können die Folge sein und Kosten verursachen. Chatbots bieten eine bestens skalierbare Alternative. Sie arbeiten 24/7, werden nie krank, bekommen keinen Urlaub und sind in keiner Gewerkschaft. Verändert sich die Zahl der Kundenanfragen, müssen lediglich die technischen Ressourcen angepasst werden. Ein weiterer großer Vorteil: Statt den Kunden zum Point-of-Sale (PoS) locken zu müssen, kommt beim Conversational Commerce der PoS ganz einfach zum Kunden.
Die Nachteile von Conversational Commerce
Bei etwas schwierigeren Kundenanliegen kommen die Chatbots schnell an ihre Grenzen. Wird eine Frage zum Beispiel nicht verstanden, liegt das meist nicht an der Fragestellung, sondern an der fehlenden Programmierung. Die meisten Chatbots arbeiten nach dem Wenn-dann-Prinzip und sind daher auf eine Datenbank mit entsprechenden „Wenns“ und „Danns“ angewiesen. Fehlt ein „Wenn“, kann folglich kein „Dann“ ausgegeben werden. Problematisch können auch Fälle sein, bei denen verschiedene Optionen abgefragt werden und der Kunde sich plötzlich dazu entscheidet eine bereits abgefragte Option wieder zu ändern. Oft kann der Chatbot dann nur wieder in die Nullstellung zurückgehen und der Kunde muss den gesamten Vorgang erneut durchlaufen.
Diese fehlende Flexibilität kann das Kundenerlebnis erheblich stören und den Gesamteindruck nachhaltig trüben. Conversational Commerce ist daher momentan noch eine Option, bei der ein menschlicher Operator einspringen sollte, wenn der Bot an seine Grenzen stößt. Zudem ist zu beachten, dass nicht jeder Konsument gerne mit Maschinen kommuniziert. Hier sollte man der Versuchung widerstehen, den Einsatz von Bots zu verschweigen. Das würde nur das Vertrauen aufs Spiel setzen. Transparenz dagegen schafft Vertrauen und eventuell auch eine gewisse Toleranz für die Schwächen der Bots.
Zum Game-Changer fehlt noch einiges!
„Dem Conversational Commerce gehört die Zukunft“ hört man immer wieder, muss jetzt also jeder Sales Manager sofort reagieren und Maschinen das Verkaufen überlassen? Nein, soweit sind wir noch nicht. In der Zukunft kann das aber irgendwann tatsächlich passieren, doch in der Gegenwart und der unmittelbaren Zukunft sind die Bots dafür noch zu limitiert in ihren Möglichkeiten. Erst wenn sie in der Lage sind, den Konsumenten schnell und flexibel zu helfen und damit besser sind, als menschliche Agents, können sie zum Game-Changer werden.