Mehr Effizienz im Digitalmarketing: KI statt Agentur?

Sie essen nicht und gehen nie aufs Klo: Wie Hella und Cosabella ihr Marketing neu aufgestellt haben. Eine Zwischenbilanz.

Mehr Effizienz im Digitalmarketing: KI statt Agentur?

Hella ist ein führender Automobilzulieferer, seine Lichtsysteme und Fahrzeugelektronik gehen in die ganze Welt. Doch das weiß kaum jemand. Denn das Unternehmen aus dem nordrheinwestfälischen Lippstadt, das jährlich einen Umsatz von sieben Milliarden Euro einfährt, ist vor allem unter Automotive-Herstellern bekannt. Um seine Bekanntheit zu erhöhen und auch die Verkäufe mit Endkunden anzukurbeln verkauft Hella jetzt auf Amazon. Die Produkte bewirbt er mit Amazon Ads – neuerdings mit der geballten Kraft der Künstlichen Intelligenz.

Die richtige Zielgruppe zu erreichen und das Budget optimal einzusetzen, das war bisher recht umständlich. Rückspiegel und Schweinwerfer zu verkaufen, erfordert Kleinstarbeit, die normalerweise Mediagenturen erledigen. Trotzdem sind die Streuverluste hoch. “Seitdem Hella angefangen hat mit Amazon Ads zu arbeiten, war es schwierig die effizienteste Strategie zu finden”, sagt Marcel Pirlich, Gründer und CEO beim Bidmanagement-Dienstleister Adspert. Die mathematisch statistische Software funktioniert wie ein Autopilot für die Mediaplanung: Unter Einsatz von Algorithmen, welche auch im Börsenhandel verwendet werden, analysiert Adspert in Echtzeit Daten und identifiziert die Effizienz von Werbungen, Keywords und Placements in Abhängigkeit von Marktgegebenheiten und Saisonalitäten.

 

Höhere Conversions durch KI

Eine flaue Saison hatte auch Hella – im August herrscht meist Sommerflaute. Die beste Zeit für Experimente: Um den Umsatz gegen den Trend zu steigern, hat Adspert jedes Keyword zum passenden Gebot optimiert. Statt jede Kampagne und jedes einzelne Keyword manuell zu managen, hat Adspert das mit seinem Bidmanagement übernommen. Jedes Keyword wurde optimiert und mit dem passenden Gebot gematcht. Vollautomatisch. Und Vollspeed.

Das Resultat kann sich sehen lassen: Die Anzahl der Conversions erhöhten sich um 153 Prozent, der Umsatz kletterte um 119 Prozent – und die Kosten sanken auf minus 13 Prozent. Der Einsatz von B2C-Marketing wird gerade bei einstigen B2B-Marketern immer beliebter. Das Modell wird als “mehrstufiger Vertrieb” bezeichnet: Dabei ist zwischen dem Hersteller und Endverbraucher ein Absatzmittler wie zum Beispiel ein Großhändler oder ein Online-Shop geschaltet. Ein Umweg, den sich B2B-Firmen zunehmend sparen möchten.

 

Künstliche Intelligenz löst Agentur ab – aber nur kurz

Doch auch beim klassischen Endkonsumenten-Geschäft hält die KI Einzug ins Marketing. Manche ersetzen ihre Agentur dabei sogar komplett: wie Cosabella. Der italienische Wäschehändler hat seine Agentur, die seine digitale Budgets gemanagt hat, im Sommer 2017 durch eine KI namens Albert ersetzt – und verkündet, dass er niemals mehr mit Menschen zusammenarbeiten wird. Albert ist eine Artificial Intelligence Marketing Plattform, die Marketing-Kampagnen für Brands und Agenturen vollautomatisiert umsetzt.

Albert hat dabei geholfen, den Traffic der Kampagne auf die Website zu leiten. Ascend, die KI-basierte Optimization Platform des Technologie-Providers Sentient, hat sich um die Kreation und das Website-Design gekümmert, um damit die Newsletter-Anmeldungen zu erhöhen. Die Aufgabe des Testens haben zuvor menschliche Mitarbeiter ausgeführt. Doch die KI kann um vieles schneller und akkurater feststellen, welche Kombination an Ideen zu den besten Ergebnissen führt. Das Resultat verkündete Cosabella kurz darauf: Der ROI wurde verdreifacht und der Kundenstamm um 30 Prozent erhöht.

Ende gut, alles gut? Nicht ganz: Cosabella arbeitet mittlerweile wieder mit Agenturen – Albert ist abgestellt. So sagt es CEO Guido Campello gegenüber DMEXCO. Nach einer Weile fiel die Umsatzkurve auch unter dem Kommando der KI ab. “Albert hat uns wunderbar dabei geholfen, neue Märkte zu entdecken und zu erschließen, aber wenn das einmal erledigt ist, ist die KI nicht in der Lage weitere Daten zusammenzufügen und daraus Rückschlüsse zu ziehen.” Zudem seien die Kosten zu hoch gewesen, sagt Campello, ohne genaue Zahlen nennen zu wollen. Seine Bilanz: “Die KI hat bestimmte Opportunitäten, wie etwa weitere neue Zielgruppen anzusprechen, nicht beim Schopf gepackt.”

 

Zusammenarbeit mit Agenturen wird kurzfristiger

Auch für die nahe Zukunft geht der Cosabella-Chef nicht davon aus, dass Maschinen die Marketing-Arbeit komplett übernehmen. Eine KI kann dann und wann hinzugenommen werden – zum Beispiel auch, um neue Märkte in einem anderen Land zu erschließen – aber ganz ohne menschliche Supervision mit Blick aufs große Ganze geht es nicht. Mit Agenturen arbeitet er jetzt anders zusammen als zuvor: Verträge werden nurmehr auf drei Monate begrenzt. So will Campello sicher stellen, dass die Agentur sich weiterhin mit dem Unternehmen “aktiv weiterentwickelt”, wie er sagt.

Ganz ohne Marketing-Intelligenz und deren Optimierungskünste will er aber auch künftig nicht auskommen: Um Kampagnen auf Facebook oder Google zu managen, greift er auf jeweils unterschiedliche Tools zurück. Immerhin haben KI-Tools einen großen Vorteil: Sie müssen nie schlafen und nie aufs Klo. Und während die Kollegen ihr Mittagessen genießen, arbeitet der Roboterfreund weiter. Seine geleistete Arbeit lässt sich im Nachhinein genau einsehen. “Im Änderungsprotokoll können Unternehmen zudem ganz genau verfolgen, welche Schritte die KI bei der Kampagnen-Optimierung gegangen ist”, sagt Marcel Pirlich von Adspert. “Eine solche Transparenz können Agenturen meist nicht leisten.”

Und noch etwas vermag die KI: Sie räumt mit dem auf, was Pirlich “Schwammigkeit” bezeichnet. Etwa, wenn eine Kampagne nicht performt. Was Prä-KI das Bauchgefühl entschieden hat – misst heute die intelligente Marketingmaschine anhand von akkuraten Daten. Für Pirlich liegt der Vorteil von KI daher auf der Hand: “Unternehmen können die digitalen Marketing-Aktivitäten wieder enger an sich binden, indem sie Teams inhouse aufbauen und somit Transparenz schaffen.”

 

Fazit:

Keine Frage: Die Agenturen müssen nicht länger Ads planen und platzieren – das können Maschinen schneller, effizienter und transparenter. Doch können sie niemals losgelöst vom Menschen agieren, die Ziele definieren und in einen strategischen Gesamtzusammenhang stellen. Denn letztlich ist und bleibt auch vieles Bauchgefühl im Marketing – das sollte man nicht als Willkür deuten, sondern als die Essenz von Erfahrungswerten. Vereint man die Kompetenz des menschlichen Bauchgefühls mit der unermüdlichen Optimierungsarbeit einer KI, kann sich das Marketing auf neue Höhen aufschwingen. Die Arbeitsteilung sieht dann so aus: Der Mensch kreiert, die KI exekutiert.