Loyalty: Was Kundenbindung wirklich heißt
Von der Rabattmarke zum Loyalty-Programm hat es einige Jahrzehnte gebraucht. Wer mehr daraus machen will, muss heute kreativ werden.
“Sammeln Sie Herzen?” – Diese Frage an der Tengelmann-Kasse galt in der Bonusprogramm-Branche jahrelang als der Gipfel der Kreativität. Ansonsten lief noch alles wie im Rabattmarkenzeitalter unter Konrad Adenauer. Kunden ließen sich Punkte gutschreiben und wurden irgendwann dafür belohnt. Die Digitalisierung der 90er Jahre machte das Geschäftsmodell effizienter, forderte es aber nicht heraus. Loyalty lief langweilig, aber verlässlich. So lange, bis neue Technologien und neue Player zeigten, was Kundenbindung wirklich heißt. Amazon und andere große Plattformen haben mit kompromissloser Customer Centricity Maßstäbe gesetzt.
Trend zur Loyalty-Nachhaltigkeit
Die Plattform-Ökonomie des 21. Jahrhundert lässt traditionelle Loyalty-Programme alt aussehen. Sie setzt nicht auf den kampagnengetriebenen Coupon, sondern auf langfristige Beziehungen und macht Kunden im Idealfall zu Mitgliedern. Marken müssen darauf reagieren, sagt Martin Grass, Chief Operating Officer des CRM-Experten Defacto. Der Trend gehe klar von der “Discount-Spirale zur nachhaltigen Loyalty”.
Mit der Datenmacht von Amazon oder Facebook können selbst große Brands nicht konkurrieren. Was ihnen an Algorithmen fehlt, müssen sie mit Kreativität und Service wettmachen. Europas größter Hotelkonzern Accor etwa ersetzt 2020 sein angestaubtes Bonusprogramm “Le Club” durch eine Loyalty-Plattform, die über das klassische Kerngeschäft hinausgeht: Stammgäste bekommen nicht nur ein Upgrade oder ein kostenloses Frühstück, sondern auch Tickets für internationale Events. Premium-Warenhäuser wie Breuninger in Stuttgart oder Oberpollinger in München locken mit kostenlosen Parkplätzen in der Innenstadt. Bei Oberpollinger ist die frühere Schnäppchenjäger-Karte schon zum Statussymbol für Luxus-Shopper geworden. Zur Top-Kategorie “Royal’” etwa (Jahresumsatz ab 10.000 Euro) gehört Gratis-Parken während der gesamten Geschäftszeit.
Belohnung mit Bonuspunkten
Das Vorzeigeunternehmen der neuen Loyalty-Bewegung ist aber keine Traditionsmarke, sondern ein Online-Shop: Keller Sports in München. Der Sportartikelversender hat eine Programm entwickelt, dass “brand eins” als “Mix aus Amazon Prime und Airline-Bonusprogramm” beschreibt. Premium-Kunden zahlen 10,00 Euro im Jahr und erhalten dafür eine Clubmitgliedschaft mit Vorteilsangeboten und Spezialkollektionen. Für knapp 30 Euro im Monat ist noch der Fitnessclub mit dabei.
Keller Sports hat auch den Trend zur Gamification frühzeitig erkannt: Eine App belohnt die aktivsten Sportler unter den Kunden mit Bonuspunkten und sammelt nebenbei Daten. Mitgründer Jakob Keller freut es: “Wenn wir wissen, dass jemand dreimal die Woche zum Fitness geht und noch nie joggen war, dann brauche ich ihm keine Laufsachen zu zeigen”, zitiert ihn “brand eins”. Sein Digital-Manager Benjamin Risom denkt schon an die nächste Evolutionsstufe: “Irgendwann gibt es vielleicht einen virtuellen Assistenten, der mich zu Pausen ermahnt oder mich nach soundso viel gelaufenen Kilometern daran erinnert, neue Schuhe zu kaufen.“
Fazit:
In der Amazon-Ära sind Bonusprogramme das beste Mittel, um die Hoheit über die Kundendaten zu behalten. Aber Marken müssen sich mehr anstrengen als früher. Statt simpler Discount-Strategien sind Service und Kreativität gefragt.