Brauchen wir noch Marken?
Qualität, Nachhaltigkeit, Transparenz: Kundenbedürfnisse verändern sich. Müssen sich Unternehmen dann noch mit Brand-Building befassen?
Seit vielen Jahren helfen uns Marken dabei, Entscheidungen zu treffen und vermitteln uns ein Gefühl der Zugehörigkeit. Die Macht einer Marke, die mit Qualität und Hochwertigkeit in Verbindung gebracht wird, ist zeitlos und eindeutig. Viele Konsumenten zahlen nach wie vor gerne einen Aufschlag für ansprechende Verpackungen, Design und Werbung. Lange wurde die bloße Präsenz eines Produktes im Einzelhandelsregal durch die “Marke” rechtfertigt.
Der Aufstieg der Social Media und eine explosionsartige Vermehrung der Direct-to-Consumer-Marken lassen das heute in einem anderen Licht erscheinen. Betrachtet man ganz nüchtern den Online-Handel, so dominieren hier vor allem braune Kartons und unmarkierte Verpackungen. Von Produktmarken ist auf den ersten Blick wenig bis gar nichts zu sehen. Das US-Unternehmen Brandless, das unmarkierte Konsumgüter direkt verkauft, wurde sogar mit 500 Millionen Dollar bewertet. Digitalisierung beeinflusst den Handel, keine Frage. “Die Grundsätze des Konsumverhaltens ändern sich”, bringt es Joe Stubbs, Vice President of Global Brand bei der Interbrand Group, auf den Punkt.
Branding wird immateriell
Unternehmen, die ihr Kerngeschäft digital führen, setzen weniger auf teure TV-Spots und verkaufsfördernde “Buy-Me-Verpackungen”. Sie investieren ihr Marketingbudget zunehmend in den direkten Austausch mit ihren Kunden. Social Media Kampagnen und Influencer Marketing lösen vermeintlich konservative Werbeformate ab.
Branding wird zunehmend immateriell. Die Assets sind die Social Media Feeds, die Online-Gespräche und die Erschaffung Instagram-tauglicher Kundenerlebnisse. Dabei ist es nicht so, dass Marken wirklich “markenlos” werden. Eher verändert sich die Art und Weise der Markenbildung. Sie ist weniger auf das Produkt, als vielmehr auf das gesamte Unternehmen, ihren Service und die gesamte Wertschöpfungskette bezogen.
“Clevere Marken nutzen das, indem sie sich aktiv einbringen und Teil der Gespräche werden”, sagt Fergus Hay, Chief Executive bei Leagas Delaney. Unternehmen stehen jetzt vor der Herausforderung, das Vertrauen der Konsumenten für sich zu gewinnen. Die Eintrittsbarrieren für den Handel werden immer niedriger, die Konkurrenz immer größer.
“Heutzutage sind die Werkzeuge, die Sie benötigen, um eine erfolgreiche Marke aufzubauen, leicht verfügbar, super intuitiv und ebenso erschwinglich.
Theoretisch kann jeder mit einem Adobe-Abonnement eine professionell aussehende Markenidentität aufbauen, einen Shop mit Squarespace aufbauen und Bestellungen und Bestände über Shopify verwalten”, sagt Interbrand-Mitarbeiter Stubbs.
“Markenerfahrung ist der Schlüssel zur Differenzierung”
Verbraucher werden, nicht zuletzt aufgrund der Masse an Angeboten, wählerischer und skeptischer. “Heute ist eine vertrauenswürdige Stimme das wertvollste Kapital einer Marke. Vertrauen ist gleichbedeutend mit Transparenz. Doch in einer Zeit, in der das Design immer homogener wird und Social Media-basierte Marken den Markt verdrängen, besteht die größte Herausforderung darin, sich abzuheben. Markenerfahrung ist der Schlüssel zur Differenzierung.”, sagt Siân Novakovic, Experience Strategy Director bei Household.
Auch die Aufrechterhaltung einer Marke ist schwieriger als in der Vergangenheit. Marken müssen über mehr Kanäle mit größerer Konsistenz verfügen. Jeder einzelne Touchpoint hat das Potenzial, eine Marke aufzubauen oder zu zerstören, angetrieben durch sofortiges Kundenfeedback. Konsumenten erwarten zunehmend hohe Qualität, guten Service aber auch Nachhaltigkeit und Transparenz.
Fazit
Markenbildung wird nicht überflüssig, die Art und Weise, wie sie entsteht, verändert sich bloß. Nicht “ob” wir noch Marken aufbauen sollten, sollte die Frage sein, sondern “wie” wir sie bilden können, sodass sie sich von der Konkurrenz abhebt. Jeder, der mit seiner Marke herausstechen will, sollte in erster Linie seinen Kunden in den Vordergrund stellen, ihn in Produktentwicklung und Marketingprozesse einbeziehen und ein Nutzererlebnis schaffen, das Vertrauen schafft und eine dauerhafte Beziehung aufbaut.
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