Ad Fraud: Können KI und Blockchain helfen?
Programmatic Advertising löst bekannte Probleme, ist gleichzeitig aber selbst nicht problemfrei.
Mit zunehmender Dynamik der digitalen Medien und Content-Plattformen stiegen im Laufe der Jahre auch die Anforderungen an den Handel digitaler Werbeplätze. Alles musste schneller, direkter, effizienter funktionieren. Das war mit der klassischen „Insertion Order“ nicht mehr zu leisten. Mit dem Programmatic Advertising entstand daher vereinfacht gesagt eine Technologie zum vollautomatisierten Handel von Werbung. Damit lassen sich zwar die aktuellen Anforderungen erfüllen, es treten gleichzeitig aber auch andere Probleme auf, die nicht vernachlässigt werden sollten.
Blackbox ermöglicht Ad Fraud und gefährdet die Brand Safety
Die Wertschöpfungskette beim Programmatic Advertising ist nicht so linear und klar strukturiert, wie sie es beim klassischen Handel war. Allein für den Prozess der Datenanreicherung für das Targeting ist die Zahl der Marktteilnehmer in den letzten Jahren geradezu explodiert. Das ist auch kein Wunder, denn es geht um viel Geld: Nach anfänglichem Zögern ist das Programmatic Ad Spending in Deutschland inzwischen im Aufwind. Nach Daten von eMarketer werden 2018 bereits zwei Drittel der Display Ads mit einem Volumen von 1,44 Milliarden Euro programmatisch gehandelt. Für 2019 steigen die Zahlen auf 74 Prozent und 1,66 Milliarden Euro. In den USA sind es bereits in diesem Jahr 82,5 Prozent bei einem Volumen von 46 Milliarden US-Dollar.
Ein Teil der Wertschöpfungskette zu sein, kann sich also durchaus lohnen. Neben vielen seriösen Ad-Tech-Anbietern gibt es aber auch einige schwarze Schafe in der großen Herde. Sie machen es sich zu Nutze, dass die Programmatic-Advertising-Supply-Chain in weiten Teilen intransparent ist und von außen wie eine Blackbox wirkt. Dadurch gibt es zahlreiche Möglichkeiten für den Anzeigenbetrug:
- Domain-Spoofing: Fake-Adressen erwecken den Eindruck zu einem wertvollen Publisher zu gehören
- Bot-Traffic: Aufrufe werden von Bots generiert, die enthaltenen Anzeigen bekommt aber kein Mensch zu sehen
- Bot-Netze: Automatische Schadprogramme agieren ohne Wissen der Nutzer und sorgen für Fake-Traffic.
- Zero Ads: Hier liegt die Sichtbarkeit der Ads bei null, weil Anzeigen übereinandergelegt eingeblendet werden oder die Größe auf einen Pixel reduziert wird.
- Ghost Sites: Extra angelegte Webseiten, die für das Ad-Ökosystem perfekt aussehen, aber keine organischen Interaktionen erzielen.
Die Aufzählung ließe sich an dieser Stelle noch deutlich ausbauen und wäre dennoch nie komplett. Denn die Klickbetrüger denken sich laufend neue Verfahren aus, mit denen sie nicht nur die Ad-Technologien täuschen, sondern auch die Ad-Fraud-Detection-Systeme. Daher ist die aktuelle Lage beim Ad Fraud auch nur sehr schwer zu analysieren, wie zwei unterschiedliche Zahlen zeigen: Während die Association of National Advertisers (ANA) für 2017 einen Klickbetrug in einer Höhe von 6,5 Milliarden US-Dollar vorhersagte, kam der amerikanische Advertising-Experte Bob Hoffman auf einen etwa 10-fach höheren Wert.
Und was hat das mit der Brand Safety zu tun? Bob Hoffman bringt es perfekt auf den Punkt:
„Wer nicht komatös ist, weiß, dass in der bizarren Welt der Werbetechnik und des programmatischen Einkaufs Werbung überall auftauchen kann. Unabhängig von den leeren Versprechungen von Agenturen und Verlagen können Werbetreibende nicht kontrollieren, wo ihre Werbung erscheint.”
Auch hier fehlen also Transparenz und Kontrolle. Noch.
Können aktuelle Technologien helfen?
KI und Machine Learning werden bereits massiv eingesetzt, um Ad Fraud aufzuspüren. Das funktioniert aber nur bedingt, denn sobald eine Fraud-Methode bekannt wird und in die Präventionsmaßnahmen aufgenommen wird, entstehen an einer anderen Stelle neue Methoden.
Auch die Blockchain-Technologie wird immer wieder als Lösung für Ad Fraud angesehen. Das scheint zunächst sinnvoll zu sein, verspricht die Blockchain doch genau die Dinge, die beim Programmatic Advertising noch fehlen, wie beispielsweise Transparenz und Sicherheit vor Manipulationen. In einem Blockchain-Advertising könnte jeder Teilnehmer die komplette Reise jeder einzelnen Werbebuchung nachvollziehen und auf Ad Fraud untersuchen. Andererseits müssten dafür auch alle beteiligten Instanzen lückenlos an der Blockchain partizipieren. Ob das gelingt, erscheint angesichts der zumindest in Teilen intransparenten Wertschöpfungskette zumindest zweifelhaft.
Um die Glaubwürdigkeit wieder herzustellen, verstärkt der seriöse Teil der Verwertungskette mit verschiedenen Ansätzen den Kampf gegen Ad Fraud. So bietet der Programmatic-Plattform-Anbieter AppNexus seinen Kunden eine Rückerstattung an, sollten Anzeigen nachweislich im nicht legitimen Umfeld ausgespielt werden. Andere DMEXCO-Aussteller wie beispielsweise Meetrics wollen Ad Fraud präventiv angehen.
Fazit:
Ad Fraud und die als Resultat fehlende Brand Safety, ist beileibe kein neues Problem und wird uns sicher noch einige Zeit beschäftigen. Es gibt zwar immer mehr Bestrebungen, den Klickbetrug einzudämmen, aber angesichts der vielen Profiteure ähnelt das einem Kampf gegen Windmühlen. Daran werden in absehbarer Zeit auch technologische Hoffnungsträger wie KI und Blockchain kaum etwas ändern. Einzig die Abkehr von leicht zu manipulierenden KPI wie der Klickrate hin zu Kennzahlen, die auf echten Interaktionen basieren, könnte das Advertising langfristig wieder auf den richtigen Weg bringen. Dazu müssten aber alle Beteiligten radikal umdenken. Ein Vorbild könnte der ähnlich gelagerte Kampf gegen Affiliate Fraud sein.