Besser zuhören: Mit Listening neue Entscheidungen treffen
Hören, was der Kunde sagt: Mit Hilfe von Social Listening gewinnen Unternehmen wertvolle Einblicke in die Befindlichkeiten ihrer Zielgruppen.
In sozialen Netzwerken entsteht eine schier unendliche Menge an Aussagen, Meinungen und Daten, die Unternehmen dabei helfen können, ihre Produkte besser zu machen. Und, um zu erkennen, was der Kunde will und wogegen er etwas hat. Wir sprechen mit Marc Trömel, Geschäftsführer bei Vico Research & Consulting, der uns erklärt, wie Unternehmen diesen Datenschatz für sich nutzen können, warum Social Listening gerade in der Krisenkommunikation hilfreich sein kann und welche Rolle dabei künstliche Intelligenz spielt.
Was sagt Social Media Listening über Unternehmen aus? Welche Schlüsse lassen sich daraus ableiten?
Marc Trömel: Social Media Listening ist in der Lage, ein authentisches Bild zur Fremdwahrnehmung eines Unternehmens zu geben. Nutzer schreiben in den sozialen Medien in der Regel ohne einen externen Anreiz über Themen, Produkte, Unternehmen und Marken, die sie beschäftigen. Dadurch sind die Daten besonders glaubhaft, so dass sich daraus vielfältige Schlüsse ableiten lassen. Beispielsweise lässt sich die Reputation eines Unternehmens im Netz bestimmen, es erfolgt also ein Abgleich zwischen Selbst- und Fremdbild, auf dessen Basis eine Strategie entwickelt werden kann, um das Image des Unternehmens in die gewünschte Richtung zu lenken und zu steuern.
Außerdem sind Wettbewerbervergleiche sehr aufschlussreich: Damit kann man seine eigene Position im Markt bestimmen und verbessern, da sie eine Datengrundlage für strategische Entscheidungen bieten. Auch für die Qualitätssicherung kann Social Media Listening sinnvoll sein. Produkte können optimiert oder auf Grundlage von Feedback, Bedürfnissen und Trends auch neu entwickelt werden. Durch Social Media Listening lassen sich nicht zuletzt Zielgruppen besser bestimmen und beobachten.
Wenn ich als Unternehmen mich und meine Mitbewerber einer Branche analysieren will, wie gehe ich dann vor?
Marc Trömel: Der erste Schritt ist die Identifikation der relevanten Informationen und Beiträge – also was will ich überhaupt im Social Media Listening berücksichtigen? Denn nicht alles, was online geschrieben wird, ist auch für mich oder meine Wettbewerber interessant. Dafür ist es notwendig, die großen und unstrukturierten Datenmengen, wie sie in den sozialen Medien vorliegen, zu filtern. Dazu werden zu den zu analysierenden Unternehmen, Marken, Produkten oder Themen passende Suchwörter definiert und sprachwissenschaftlich angereichert. Für die zu analysierende Datengesamtheit und -qualität ist die Datenreduktion nämlich ein entscheidender Faktor. Anschließend steht man vor der Herausforderung, ein qualitatives Forschungsinstrument, nämlich die Inhaltsanalyse, auf diese Datenmenge anzuwenden – erst dann kommt die Analyse selbst.
Kann ich alle Daten, die ich über meine Company heranziehen kann, auch zu meinen Mitbewerbern bekommen oder ist die Datenlage limitiert? Wo sind da die Grenzen?
Marc Trömel: Social Media Monitoring-Anbieter dürfen nur auf öffentliche Daten des Social Web zugreifen. Das, was nur nach Nutzer-Login sichtbar ist, landet auch beim Listening nicht im Social Media Monitoring. Da es sich um öffentliche Daten handelt, kann man über Wettbewerber grundsätzlich genauso viel herausfinden wie über das eigene Unternehmen.
Einschränkungen gibt es beim Tracking von Kanaldaten meiner Wettbewerber. Das Abgreifen der Anzahl an Fans, von Kommentaren und Shares ist kein Problem, da sie öffentlich auf der Facebook-Seite sichtbar sind. Aber Informationen über Fans wie sie Facebook dem Seitenadministrator zur Verfügung stellt (Geschlecht, Herkunft et cetera.), können natürlich nicht erhoben werden. Außerdem ist auch nicht ersichtlich, wie viel Werbebudget der Wettbewerber ausgibt. Eine Aussage über organische versus bezahlte Reichweite ist dadurch nicht möglich.
Was kann Social Listening in der Krisenkommunikation bringen – eignet sich sowas als Art Warnmelder?
Marc Trömel: Das Erkennen von potenziellen Krisen und der Beobachtung von kritischer Nutzerkommunikation ist ein Haupteinsatzgebiet des Social Media Listening. Durch Datentracking in Echtzeit sieht man kritische Kommunikation sehr zeitnah. Geeignete KPIs sind dabei das Kommunikationsvolumen, also beispielsweise ein Anstieg der negativen Kommentare und die Nutzung bestimmter Keywords, und auch die Relevanz der Kritik, also ob es beispielsweise um Geschmackliches etwa bei einem Lebensmittel geht, oder ob ein Glassplitter gefunden wurde. Auch die Reichweite desjenigen der sich äußert (ist er ein Influencer mit hoher Reichweite?) und die Anzahl und Heftigkeit der Reaktionen können ein Anhaltspunkt sein, wenn man bewerten will, wie gefährlich das Thema für die Marke werden kann. All diese Faktoren können durch Personen bewertet werden oder durch einen Algorithmus.
Künstliche Intelligenz ist ein Schlagwort in der gesamten digitalen Wirtschaft. Aber wie kann KI oder Machine Learning Eure Dienstleistungen erweitern?
Marc Trömel: Machine Learning ist bei uns jetzt schon fest in unserer Software-Lösung verankert: wir haben eine automatische Sentimenterkennung entwickelt, die die Tonalität von Beiträgen erkennen kann. Diese kann auf bestimmte Marken, Branchen oder Themen angepasst werden und verbessert sich so kontinuierlich. Auch eine automatische Kategorisierung von Social-Media-Beiträgen nach deren Inhalt, etwa Preis, Qualität, Service, ist bereits möglich.
Wir sind dabei, KI- oder Machine Learning-Funktionen zu erforschen und weiterzuentwickeln. So untersuchen wir etwa in einem vom Bund und der EU geförderten Forschungsprojekt auch Hate Speech auf seine (Früh-)Erkennbarkeit. Darauf basierend sollen praktisch anwendbare, softwaregestützte Handlungsoptionen entwickelt werden. Künstliche Intelligenz und Machine Learning werden in Zukunft maßgeblich erfolgsbestimmend für Social Media Monitoring-Anbieter sein, gerade weil zeitintensive Arbeitsschritte bei der Datenanalyse durch automatisierte Funktionen ersetzt werden können.
Wenn ein Unternehmen sich auf einige wenige Signale und KPIs im Social Media Monitoring fokussieren will, welche sollten das sein?
Marc Trömel: Je nach Strategie und Zielsetzung sind natürlich andere KPIs sinnvoll. Bevor ich ein Social Media Listening-Projekt starte, sollte ich mir im Klaren darüber sein, welche Ziele ich damit erreichen, respektive welche Erkenntnisse ich daraus gewinnen will. „Nur mal so reinhören“ ohne ein definiertes Ziel funktioniert nur in den seltensten Fällen und erzeugt meist keinen Mehrwert für ein Unternehmen. Deswegen sollte ich KPIs immer fest an meine Ziele und Strategien knüpfen.