Wie autonome Lieferroboter den Handel umkrempeln sollen
Selbstfahrende Autos sind Zukunftsmusik, aber die Technik könnte den Handel vor Ort und im Netz revolutionieren.
Wer sich unter einem autonomen Fahrzeug so etwas wie K.I.T.T. aus der TV-Serie Knight Rider vorstellt, denkt nicht kreativ genug – und wird auch noch lange warten müssen. Die Technik selbst wird aber viele andere Bereiche verändern. Einer davon entwickelt in den letzten Monaten besonders viel Dynamik: automatisierte Zustellung von Paketen oder auch Lebensmitteln. Und das könnte radikal verändern, wie, wann und wo wir einkaufen.
Die Idee dahinter
Die Idee nimmt auch deshalb mehr Fahrt auf, weil sich mehr und mehr zeigt, dass 100 Prozent fahrerlose Autos schwieriger umzusetzen sind als zunächst gedacht. Sie müssen schließlich mit allen Straßen und Verkehrssituationen mindestens so zurechtkommen wie ein menschlicher Fahrer. Zugleich müssen sie sowohl die Passagiere als auch die anderen Verkehrsteilnehmer beschützen. Und sie sollen ganz natürlich im normalen Straßenverkehr mitschwimmen – ob nun im Wohngebiet oder auf der Autobahn. Alle diese Punkte haben viele Herausforderungen.
Anders sieht die Situation für Lieferroboter aus. Sie bewegen sich in einem klar umgrenzten Gebiet und da sie nur Waren und keine Menschen befördern, lassen sie sich simpler konstruieren. Zugleich können sie die Sicherheit der Menschen um sie herum priorisieren.
Von fahrender Kühltasche bis rollender Kiosk
So manches Lieferroboter-Startup weicht dabei gleich von der Straße auf den Gehweg aus. Ihre Modelle ähneln eher einer fahrenden Kühltasche. Amazons „Scout“ ist ein Beispiel dafür und es gibt zahlreiche weitere: Das Startup Starship liefert in einem Test Snacks an hungrige Studenten an der George Mason University in Virgina. Pepsi ist an einem ähnlichen Versuch an der University of the Pacific in Kalifornien beteiligt.
Am anderen Ende der Skala finden sich rollende Kioske wie Robomart. Die liefern also nicht, sondern bringen einen kleinen Supermarkt vor die Haustür.
Einen Mittelweg wiederum beschreitet das Startup Nuro: Deren autonome Lieferfahrzeuge bewegen sich zwar im Straßenverkehr, sind aber viel kleiner als ein normales Auto und fahren derzeit nicht schneller als 40 km/h.
Was macht das so interessant für den Handel?
Warum aber ist das interessant für den Handel? Dazu muss man bedenken: Obwohl Amazon als Gigant erscheint, hat das Unternehmen weiterhin nur einen vergleichsweise kleinen Marktanteil an allen Einkäufen. In der Regel steigen die Kunden noch immmer ins eigene Auto, suchen die Waren persönlich aus und transportieren sie nach Hause. Nur in Ausnahmefällen, wie beispielsweise bei Lieferdiensten für Pizza & Co., bestellt man von zu Hause und nimmt die Ware kurze Zeit später an der Tür entgegen.
Das könnte sich radikal ändern, wenn sich Lieferroboter als schnelle, zuverlässige und preisgünstige Alternative herausstellen. Lokale Händler könnten ebenso wie heute Amazon auf Abruf liefern und das sogar innerhalb von Minuten. Und Internethändler könnten weitere und schnellere Zustelloptionen bereitstellen und Retouren ebenfalls deutlich bequemer machen.
Weitere Vorteile für die Kunden: Sie können den Lieferzeitpunkt freier bestimmen, denn autonome Fahrzeuge haben schließlich keine Arbeitszeiten. Und via App wird man wie bei Uber & Co heute schon sehen, wo das Fahrzeug gerade ist und wann es ankommen wird.
Sicherlich werden die kleinen Lieferroboter keine direkte Konkurrenz zu DHL & Co. sein. Für die sind eher Ideen wie Renaults „EZ Pro“ interessant, bei denen ein menschlicher Paketzusteller und eine Flotte autonomer Fahrzeuge zusammenarbeiten. Und nicht für jede Branche und jede Produktgruppe werden sich die Zustellbots anbieten. Es wird aber eine Zeit kommen, an der die Kunden die Bequemlichkeit, Flexibilität und Schnelligkeit einer automatisierten Zustellung erwarten.
Fazit
Wie zuverlässig und hilfreich diese Zustellroboter wirklich sind, wird sich natürlich erst noch in der Praxis beweisen müssen. Sie können nicht wie der Fahrer eines Paketdienstes mal eben in den fünften Stock laufen oder auch nur eine Gartentür öffnen. Und so mancher befürchtet, dass sie auf Gehwegen und auf der Straße für Chaos sorgen könnten. Die Startups selbst argumentieren damit, dass ihre Fahrzeuge für weniger Individualverkehr sorgen und sich das ausgleichen würde.
Wir werden bald mehr über all diese Fragen herausfinden: Nuro unternimmt bereits einen größeren Test in Phoenix, Arizona. In diesem Jahr soll das Experiment auf das gesamte Stadtgebiet ausgedehnt werden. Geld genug ist da: Der SoftBank Vision Fund investierte kürzlich fast 1 Milliarde US-Dollar in das Unternehmen.
Und auch viele andere testen ihre Roboter bereits auf Gehwegen und Straßen. Die Schweizer Post beispielsweise zeigte sich von ihren Experimenten durchaus angetan.