Warum „Initiative Q“ ins Marketing-Lehrbuch gehört
Man nehme einen Hype und würze ihn mit einer Prise Growth-Hacking – fertig ist das Marketing-Lehrstück.
In der Welt des digitalen Marketings haben wir uns längst an immer neue Trends und eine enorme Agilität gewöhnt, aber aktuell erleben wir gerade eine neue Ausbaustufe der Hype-Maschinerie: Initiative Q. Offiziell handelt es sich dabei um eine neue Variante einer digitalen Währung, also um eine Alternative von Bitcoin, Ethereum & Co. Eigentlich herrscht daran kein Mangel, denn laut Wikipedia gibt es bereits 100 dieser Digitalwährungen. Warum sorgt dann aber die Nummer 101 für so viel Buzz?
Marketing-Coup oder Marketing-Gag?
Um den aktuellen Rummel rund um die Initiative Q verstehen zu können, schauen wir uns mal kurz an, was es damit überhaupt auf sich hat:
Seit Oktober kursieren vermehrt Einladungen für die neue Währung, die nach eigenen Angaben den internationalen Zahlungsverkehr komplett auf links drehen will. Wie genau das funktionieren soll, verraten die Macher der Initiative Q nicht. Erklärt wird lediglich, warum wir eine Währung wie Q benötigen und warum man sich jetzt unbedingt dazu einladen lassen sollte – eine direkte Registrierung funktioniert nicht. Das Problem liegt aber ganz woanders: Es gibt noch kein Produkt und noch nicht mal eine Demo von Q. Alles basiert bisher auf einer Vision und selbst die ist äußerst vage. Laut Roadmap soll mit der eigentlichen Entwicklung erst Mitte 2019 begonnen werden und ein Start des vorgesehenen Payment-Networks ist für Ende 2021 oder später geplant.
Aber warum erzeugt ein noch nichtexistierendes Produkt, das zudem nur eins von vielen sein wird, so viel Aufmerksamkeit? Die Antwort ist einfach:
„Initiative Q is reserving this Q currency for people who join today — the earlier you join the more Q you can reserve!“
Das bedeutet also, dass registrierte Nutzer Qs bekommen, wenn die Währung an den Start geht (eine Garantie gibt es dafür übrigens nicht). Je eher sie sich registrieren und je mehr Leute sie erfolgreich einladen, um so größer ist der Anteil später. Gleich nach der Registrierung bekommt man stolze 13.000 Qs. Ein Q soll dann später so viel wert sein wie ein US-Dollar. Und das alles für den Gegenwert einer E-Mail-Adresse! Aus Marketing-Sicht hat das Team rund um den Israeli Saar Wilf also alles richtig gemacht. Vorläufige Bilanz: 4 Millionen Registrierungen (Stand 8.11.2018).
Wir können zwar noch nicht absehen, ob es sich letztlich um einen Marketing-Gag oder gar um einen Betrug handelt, aber es ist auf jeden Fall schon jetzt ein Paradebeispiel für einen Growth-Hack.
Was wir von Initiative Q lernen können
Wenn die eigentliche Entwicklung und das Go-to-Market letztlich ähnlich gut funktionieren wie das Marketing, dann könnte die Initiative Q tatsächlich erfolgreich sein. Denn es gibt einige Dinge, von denen wir lernen können:
Nutze einen aktuellen Hype! Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum gelten besonders in der Digitalbranche als zukunftsweisend, und manch digitaler Pionier ärgert sich heute über seine frühere Zurückhaltung und Skepsis. Denn bevor der Bitcoin-Hype 2017 so richtig in Fahrt kam, war der einzelne Bitcoin für wenige Cents zu haben – heute kostet er knapp 4.000 Euro. Wobei der Kurs sehr starken Schwankungen ausgesetzt ist, wodurch der Einstieg zu diesem Zeitpunkt eher riskant ist. Da kommt eine neue Währung genau richtig: Wer noch keine Bitcoins im virtuellen Portemonnaie liegen hat, ist anfälliger für das Q-Marketing.
Sei mystisch! Spannung erzeugt Aufmerksamkeit. Das erleben wir beispielsweise alljährlich im Vorfeld der Apple-Keynotes: Was wird Apple wohl vorstellen und auf was könnte das Visual der Einladung hinweisen? Auch die Initiative Q nutzt diesen Effekt. Es gibt kaum Informationen, dafür aber umso mehr Fantasien.
Künstliche Verknappung! Es ist ein alter Growth-Hacking-Trick: Wenn man den Menschen das Gefühl gibt, sie könnten Mitglied in einem exklusiven und lukrativen Club werden, fühlen sie sich erst dann gut, wenn sie tatsächlich dabei sind.
Viralität erzeugen! Die Invites haben aber noch einen Effekt: Sie schüren die Viralität. Jeder, der dem exklusiven Club bereits beigetreten ist, kann wiederum neue Nutzer einladen. Das tut er natürlich gerne, weil er damit zeigen kann, dass er Early Adopter ist. Bei der Initiative Q wird dieser Effekt extrinsisch verstärkt, da angeworbene Nutzer nochmals Qs auf das eigene Konto spülen.
Gib dein Geld erst aus, wenn es sich lohnt! Das ist eigentlich der besondere Clou, denn statt in finanzielle Vorleistung zu gehen und ein unternehmerisches Risiko auf sich zu nehmen, warten die Q-Macher erstmal ab, ob sie auch die kritische Masse erreichen.
Fazit:
Es gibt reichlich Gründe, die gegen eine digitale Weltwährung mit dem Namen Q sprechen. Nicht wenige Skeptiker sprechen sogar von einem Schneeball- oder Pyramidensystem und unterstellen den Machern keine guten Absichten. Da man aber kein Geld einzahlen muss, ist diese Motivation eher unwahrscheinlich. Sollen die E-Mail-Adressen zu Geld gemacht werden? Ist das wirklich den Aufwand wert? Möglicherweise soll uns Q auch nur vor Augen führen, wie gut Marketing funktioniert, wenn man es clever einsetzt…