VR-Treatments für Mental Health? Das ist schon alles möglich

Angesichts des weltweiten Anstiegs psychischer Erkrankungen ist eine Verbesserung des Zugangs zu Behandlungen unerlässlich. Welche Potenziale VR im Bereich Mental Health bietet, das erfährst du in diesem Beitrag.

VR und Mental Health – so helfen virtuelle Realitäten Patient:innen
Bild: @minhphamdesign / unsplash.com

Mentale Gesundheit: Wer Hilfe braucht, muss lange warten

 

Nie zuvor waren psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft so verbreitet wie heute. Allein in Europa erleben 25 % der Bevölkerung in einem Jahr Depressions- oder Angstzustände1. Bis zu 50 % der längere Fehlzeiten im Job gehen auf diese beiden Krankheitsbilder zurück. Noch erschreckender ist:

Mehr als 50 % der schweren Depressionen bleiben unbehandelt.

Ähnlich hoch sind die Zahlen in den USA: Laut einer Studie der amerikanischen Kaiser Family Foundation (KFF) berichteten etwa 22 % der Erwachsenen in den USA im Zeitraum 2020 bis 2022 über Symptome einer depressiven Störung. Zahlreiche weitere Studien zeigen: In einem Großteil der Suizidfälle – in den USA wie auch in andren Teilen der Welt – litten die Betroffenen an schweren Depressionen.

 

Doch obwohl die Zahl der Betroffenen hoch ist, kommt Hilfe oft (zu) spät oder bleibt ganz aus. Ein wichtiger Grund: Der Zugang zu Therapieangeboten ist begrenzt – und wird in Anbetracht der rasant steigenden Zahl an Hilfesuchenden immer schwieriger. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und künftig mehr Menschen mit mentalen Problemen helfen zu können, gewinnen digitale Lösungen an Relevanz – großes Potenzial von der Virtual Reality (VR)-Therapien und die Kraft der Visualisierung. Hier sind drei Beispiele, wie virtuelle Realitäten die Behandlung psychischer Erkrankungen transformieren könnten.

 

#1 Ängste überwinden im eigenen Tempo

VR ist im Mental-Health-Bereich vor allem deshalb praktisch, weil Behandlungen im virtuellen Raum Flexibilität schenken. Zum einen ist es für viele Menschen einfacher, sich zunächst digital mit Ängsten auseinanderzusetzen, als diesen direkt in der realen Welt zu begegnen. Zum anderen haben virtuelle Szenarien den Vorteil, dass sie sich individualisieren und zudem in ihrer Schwierigkeit einstellen lassen. Das macht es Patient:innen möglich, in ihrem ganz eigenen Tempo zu lernen, mit Ängsten und Herausforderungen umzugehen. Ein weiterer Vorteil: Durch die Option zur Personalisierung lässt sich VR für unterschiedliche Krankheitsbilder nutzen. Die Technologie kann ebenso bei Depressionen oder Angststörungen wie auch bei Phobien oder PTSD verwendet werden.

#2 Verbesserter Zugang dank Automatisierung

VR-Szenarien sind computergenerierte, voll interaktive Umgebungen, in welchen sich Patient:innen bewegen, Aufgaben lösen und Herausforderungen meistern. Eine Begleitperson kann dabei am Laptop sitzen und in das Szenario eingreifen, sollte dies nötig sein. Nicht zwingend muss es sich dabei allerdings um vollständig ausgebildete Therapeut:innen handeln. Das Unternehmen gameChange zum Beispiel hat speziell zu diesem Zweck eine Anwendung entwickelt, die vollständig automatisiert ist. Patient:innen werden von einem virtuellen Coach durch die Szenarien begleitet, der ihnen mit therapeutischen Ratschlägen und hilfreichen Informationen zur Seite steht. Zur weiteren Unterstützung der Therapie können so auch angehende Therapeut:innen eingebunden werden, die sich noch in der Ausbildung befinden, um bei Bedarf in die Szenarien einzugreifen. Das wiederum macht es möglich, eine höhere Zahl an Hilfesuchenden zu behandeln.

#3 Mit Stresssituationen im geschützten Raum umgehen lernen

Nutzer:innen haben mit VR für Mental Health die Möglichkeit, zunächst in im virtuellen Raum an Triggern und Herausforderungen zu arbeiten, die ihren Alltag erschweren. Das bringt einen wichtigen Vorteil: Wir Menschen erinnern uns oft besser an bestimmte Informationen, wenn wir uns in einem ähnlichen Zustand befinden wie in jenem Moment, in dem wir die Informationen erhalten haben. Durch die Simulation von Alltagssituationen, die als stressig empfunden werden, erlernen Patient:innen Bewältigungs-Techniken für ihre Ängste direkt im Rahmen einer Stresssituation – etwa das Betreten eines vollen Busses oder schlicht das Verlassen des eigenen Zuhauses. Kommt es anschließend im realen Leben zu einer solchen Situation, sind die im virtuellen Raum erlernten Techniken abrufbar. So wird es den Patient:innen erleichtert, mit der Situation umzugehen.

 

VR für Mental Health – der nächste große Trend?

 

Mit VR können Therapeut:innen eine sichere, kontrollierte Umgebung in einer immersiven Umgebung schaffen, durch die sich die Patient:innen bewegen und dabei lernen, mit bestehenden Ängsten umzugehen. Insbesondere im Rahmen von Konfrontationstherapien ist das Potenzial groß. Inwieweit VR für Mental Health ein Gamechanger sein wird, bleibt abzuwarten. Werden VR-Treatments für einige Patient:innen eine vollständige Alternative zu herkömmlichen Therapien sein? Fest steht: Es bleibt spannend.

1 Quelle: www.euro.who.int