Künstliche Intelligenz: Menschen müssen das Bewusstsein des Systems sein
Um Maschinen-Intelligenz sinnvoll einzusetzen, müssen Unternehmen vom Kunden aus denken, sagt Melanie Cook.
Künstliche Intelligenz ist das große Thema – auch auf der DMEXCO. Sind die Unternehmen auf das Szenario gut vorbereitet?
Der Blick auf die digitale Transformation ist schon bekannt, daher möchte ich das Thema KI gerne durch die menschliche Brille betrachten. Dazu gibt es eine interessante Studie von Deloitte: Danach fühlen sich leider nur 17 Prozent der HR-Verantwortlichen auf die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz und Automatisierung vorbereitet. Demgegenüber steht, dass schon 75 Prozent der Unternehmen beides in irgendeiner Form implementiert haben. Für mich zeigt das, wie schwer es ist, sich auf etwas vorzubereiten, wenn man keine Ahnung hat, auf was man sich vorbereiten soll – ganz zu schweigen davon, wie man dort hinkommen soll.
Was sollten die Unternehmen tun, um die Auswirkungen von KI zu begreifen?
Von einer menschlichen Perspektive aus betrachtet, sollte jede Investitionsentscheidung mit dem Kunden anfangen. Unternehmen wollen zu oft einen Chatbot wie ihn der Wettbewerber X hat. Dabei sollten sie vielmehr hinterfragen, welche Bedürfnisse ihre Kunden haben und wie sich diese mit welcher Technologie unterstützen lassen. Es hilft auch, den Blick auf die Mitarbeiter zu richten: Diese sitzen vielleicht stundenlang am Schreibtisch und untersuchen Daten. Welche Technologie könnte sie dabei unterstützen?
Maschinen machen Menschen also produktiver?
Studien haben belegt, dass Menschen, die mit Maschinen arbeiten, effizienter sind als ein Mensch oder eine Maschine für sich allein. KI funktioniert nicht ohne den Menschen oder andere Technologien. Daher müssen Unternehmen Prognosen treffen, um auch rechtlich gesehen unbeabsichtigte Konsequenzen auszuschließen. Sie müssen ihren Mitarbeitern beibringen, wissensdurstig zu bleiben und ständig weiter zu lernen. Wenn dann ein unerwarteter Fall eintritt, können sich Mitarbeiter und Unternehmen darauf einstellen. Ich denke nicht, dass KI es für Unternehmen künftig obsolet macht, gute Talente auszubilden und zu halten.
Dreht es sich vor allem um die Frage, wie sie den Menschen mit der Maschine vertraut machen?
Unternehmen müssen den Willen haben, alles neu zu erfinden, angefangen von ihren Produkten bis hin zum Business Model. Sie müssen zu Plattformen von zugänglichen Micro Services werden, wie zum Beispiel IBM Watson. Indem sie ihre Technologie jungen unternehmerischen Talenten öffnen, werden sie weiterwachsen.
Wie gelingt ein verantwortungsvoller Umgang mit KI? Welche neuen Skills und Experten werden dafür im Unternehmen benötigt?
Der schwedische Philosoph Nick Bostrom, der am Future of Life Institut an der Oxford Universität lehrt, hält KI für ein existenzielles Risiko. Das basiert auf einem Kontrollproblem. Eine AI ist dafür gebaut, um eine objektive Funktion auszuüben oder auch ein Ziel zu erreichen. Die Maschine wird sich selbst optimieren und alles dafür tun, um diesen gesetzten Soll-Zustand zu erzielen. Sogar indem sie ihren eigenen Aus-Knopf ausschaltet. Der Mensch dagegen setzt auf dem Weg zu einem Ziel sein Bewusstsein und den sozialen Code dazu ein, um seine getroffenen Entscheidungen zu überprüfen. Wir wissen aber nicht, wie man eine Maschine mit einem Bewusstsein versehen können. Im Endeffekt laufen wir Gefahr, mit einer nicht aufhaltbaren Maschine, die sich einen Dreck um die Menschheit schert, um natürliche Ressourcen oder um Jobs zu kämpfen.
Wie können wir das verhindern?
Unternehmen benötigen Designer, die Menschen und Maschinen als ein System denken und schaffen. Dadurch können Menschen dann das Bewusstsein des Systems sein. Wir brauchen dazu einen Chief Transparency Officer, der weiß, was Maschinen mit unseren Daten machen, warum und was die Folgen daraus sind. Das kürzliche Fiasko von Facebook und Cambridge Analytica liefert dazu den Ansatzpunkt. Außerdem benötigen wir CEOs und ein Aufsichtsgremium, die eine taktische Vereinbarung unterzeichnen, die Forschung und Entwicklung hinsichtlich dieses Risikos begrenzt.
Roboter und Menschen, die Hand in Hand arbeiten: Wie kann das in der Praxis beispielhaft aussehen?
In der nahen Zukunft ist es nicht vorstellbar, dass Maschinen nicht mit Menschen zusammenarbeiten – schließlich bauen wir die Roboter gerade erst. Es gibt zurzeit mehr Beispiele von Menschen, die mit Maschinen arbeiten, als solche, die es nicht tun. Dein Smartphone, dein Computer, das Internet, sogar die voll automatisierten Fabriken haben Menschen im Mittelpunkt ihres Systems.
Was können Roboter von uns Menschen lernen – und was können wir von ihnen lernen?
Im Moment lernen Roboter alles von uns, denn wir designen sie ja auch. Das ist wie bei einer Eltern-Kind-Beziehung, über die sie lernen, wie man sich als Mensch verhält. Zum Beispiel werden klassische Geschichten und Volkstum, mit denen wir aufgewachsen sind, dazu genutzt, das Verhalten der KI zu prägen. Von uns lernt sie Fähigkeiten wie Sprache, Kommunikation, Geschicklichkeit, Sachverstand oder Kooperation. Von Robotern lernen wir unsere Grenzen kennen und gleichzeitig, was für unglaubliche Wesen wir sind.
Was meinst du damit?
Ich kann nicht wie ein Taschenrechner rechnen, wie Google in Hochgeschwindigkeit das Internet durchforsten oder in einem Meer an Daten Muster herausfiltern. Das zeigt mir meine Grenzen auf. Andererseits lernt meine kleine Tochter verständlicher als eine Maschine: Sie hat eine überlegene Fähigkeit, Dinge zu erkennen und ausgeprägtere motorische Fähigkeiten. Sie ist geschickter als jede Maschine und manipuliert die Menschen um sich herum, um das zu bekommen, was sie will. Seitdem ich mich mit Maschinen befasse, habe ich erst begriffen, wie unglaublich wir Menschen sind.
Fazit
Nur wenn Mensch und Maschine schon heute schon eng zusammenarbeiten und zusammen als eine Einheit funktionieren, können Menschen auch in Zukunft die Kontrolle behalten. Dazu müssen sie von Designern zusammen als ein System gedacht und erschaffen werden. Wichtig ist, dass der Mensch der Kern und das Bewusstsein der Entität Mensch-Maschine ist.