DMEXCO Kolumne: Die Zukunft von Datenschutz und Adressierbarkeit

Eine DMEXCO Kolumne von Evgeny Popov.

DMEXCO Kolumne: Evgeny Popov
DMEXCO Kolumne: Evgeny Popov

Zwischen Datenschutz und Adressierbarkeit: Stirbt Targeting im Open Web aus?

Digitales Marketing befindet sich an einem Wendepunkt. Angetrieben durch strengere Datenschutzbestimmungen und sich verändernde Geschäftsmodelle wird die Basis der Adressierbarkeit – also wie Werbetreibende Verbraucher:innen erreichen und ansprechen – grundlegend neu definiert. Während Identität, Datenzugang und die Verfügbarkeit des offenen Webs zunehmend eingeschränkt werden, dominieren geschlossene Plattformen wie Google und Meta den Markt und sichern sich einen wachsenden Anteil am globalen Werbeumsatz.

Bereits im Jahr 2022 wies ich in meinem Artikel „The Future of Addressability in the $100B Market“ auf große Herausforderungen hin. Damals kämpfte die Branche mit dem drohenden Ende der Third Party Cookies, verstärkten regulatorischen Anforderungen und fehlenden ID-Lösungen. Heute haben sich diese Probleme weiter verschärft, und Unternehmen müssen sich schnell anpassen, wenn sie weiter effektiv mit Verbraucher:innen interagieren möchten.

Ein kritischer Wendepunkt

Das digitale Marketing steht an einem entscheidenden Punkt: Wir haben heute mehr Daten zur Verfügung als jemals zuvor. Doch paradoxerweise sinkt der Zugang zu Verbraucher:inneninformationen aufgrund von Datenschutzbedenken und regulatorischen Veränderungen. Cookies und mobile IDs, einst die „gemeinsame Währung“ für Identität im Web, haben ihre universelle Funktion verloren. Dies erschwert es Marken, ein einheitliches Bild ihrer Zielgruppe zu zeichnen. Gleichzeitig schrumpft das offene Internet, während geschlossene Plattformen wie Google, Meta, Amazon und ByteDance ihre Macht ausbauen.

Prognosen von GroupM (2023) zeigen die wachsende Konzentration des Werbeumsatzes bei diesen großen Playern: Bis 2030 wird Google voraussichtlich 27,8 % des globalen Marktes einnehmen, gefolgt von Meta (18,7 %), Amazon (9,5 %) und ByteDance (6,4 %). Diese Entwicklungen zeigen, dass der Raum für Werbetreibende außerhalb dieser Plattformen immer enger wird.

Eine lange Entwicklung

Dieser Wandel zeichnet sich seit Jahren ab, vorangetrieben durch Datenschutzrichtlinien wie die DSGVO, den CCPA oder Apples „Intelligent Tracking Prevention“ (ITP). Apples ITP – eingeführt im Jahr 2017 mit folgender Blockage der Third Party Cookies im Jahr 2021 – markierten Wendepunkte für die Branche. Google plante ebenfalls den Ausstieg aus den Third Party Cookies, hat diese Pläne jedoch mittlerweile auf Eis gelegt. Gleichzeitig setzen Gesetze wie der „California Privacy Rights Act“ (CPRA) und die europäische DSGVO neue Maßstäbe für den Datenschutz.

Aktuell sind nur noch 35 % des offenen Webs für Werbetreibende adressierbar – Expert:innen befürchten, dass diese Zahl auf nur noch 5 % sinkt. Für die Branche bedeutet das eine massive Einschränkung von Reichweite und Targeting. Marketer:innen müssen daher innovative, datenschutzfreundliche Strategien entwickeln, um weiterhin effektiv zu agieren.

Innovationen in datenschutzfreundlichen Strategien

Unternehmen reagieren auf diese Herausforderungen mit einer Reihe von alternativen Targeting-Lösungen. Hier sind fünf Schlüsselbereiche, die den Wandel vorantreiben:

#1 Kontextuelles Targeting: Fortschritte in der Echtzeit-Content-Analyse ermöglichen es, Werbung basierend auf dem Kontext der konsumierten Inhalte auszuspielen. Dies geht über klassisches Natural Language Processing (NLP) hinaus und nutzt fortgeschrittene Techniken der Natural Language Understanding (NLU).

#2 Audience Translation: Plattformen entwickeln immer präzisere Zielgruppenmodelle, die auf synthetischen Daten basieren. Diese Daten werden zunehmend auf der Angebotsseite (SSP) kuratiert, anstatt wie bisher auf der Nachfrageseite (DSP).

#3 Hyperlokales Targeting: Geodaten und kontextbezogene Intelligenz ermöglichen es Marken, Verbraucher:innen basierend auf ihrem Standort oder situativen Momenten anzusprechen – ideal für situatives Marketing.

#4 First-Party-Daten-Modelle: Federated Identity Management (FIM), für das mehrere Unternehmen oder Domains denselben Log-in nutzen, und andere Strategien zur Nutzung von First-Party-Daten gewinnen an Bedeutung. KI-Modelle, die auf diesen Daten basieren, liefern präzise Vorhersagen, ohne gegen Datenschutzvorgaben zu verstoßen.

#5 Data Clean Rooms: Plattformen wie InfoSum, Snowflake oder Habu bieten datenschutzkonforme Umgebungen, in denen Unternehmen ihre Daten mit Partner:innen kombinieren können, ohne persönliche Informationen preiszugeben.

Fazit

Die Zukunft des Datenschutzes, Adressierbarkeit und Targeting befinden sich an einem Scheideweg. Das Ausschleichen der Third Party Cookies, strengere Datenschutzgesetze und die wachsende Dominanz geschlossener Plattformen zwingen Marken, neue Wege zu finden, um Verbraucher:innen zu erreichen. Datenschutzfreundliche Strategien sind nicht länger eine Option, sondern eine Notwendigkeit.

Wenn Unternehmen schnell und innovativ handeln, können sie die nächste Ära des digitalen Marketings mitgestalten. Entscheidend wird sein, eine Balance darin zu finden, den Datenschutz der Verbraucher:innen zu respektieren und gleichzeitig sinnvolle Interaktionen zu ermöglichen. Wer dies schafft, wird die Führung im digitalen Marketing übernehmen – alle anderen riskieren, den Anschluss zu verlieren.

The key to success will be in finding balance — leveraging data in ways that respect consumer privacy while still driving meaningful engagement.

Evgeny Popov