Präziser auf den Schirm: Addressable TV

Umdenken gefragt: Massenkompatible Werbung für das klassische Fernsehen wird zum Auslaufmodell

Präziser auf den Schirm: Addressable TV

Das klassische, lineare Fernsehen ist nach wie vor der umsatzstärkste Werbekanal, doch damit das auch so bleibt, müssen sich die TV-Sender jetzt bewegen. Das belegen aktuelle Zahlen aus dem Zenith-Report „Advertising Expenditure Forecast“, nach denen das Wachstum der TV-Werbegeldausgaben in den nächsten beiden Jahren mit 2,2 Prozent deutlich geringer ausfällt als bei anderen Mediengattungen. Die großen Gewinner sind derzeit Search- und Social-Media-Ads, die bis 2020 rund zwei Drittel des gesamten Wachstums für sich verbuchen können.

Die Gründe dafür sind einfach erklärt: Bei Suchmaschinen- und Social-Media-Werbung können die Advertiser vermehrt intelligente Technologien einsetzen und damit Targeting und Conversion verbessern. Grundsätzlich entwickeln sich die digitalen Plattformen dynamisch weiter und bieten den Werbetreibenden immer neue Möglichkeiten. Das lineare Fernsehen ist dagegen deutlich statischer und weniger innovativ. Der optimale Werbeblock für eine Kampagne wird oft noch händisch bestimmt und benötigt einen Vorlauf von mehreren Tagen. Exaktes, datenbasiertes Targeting oder gar Personalisierung sind bei solchen Mechanismen unmöglich. Im digitalen Advertising geht das dagegen automatisiert und in Echtzeit.

Und dann ist da auch noch das generell veränderte Konsumentenverhalten. Die omnipräsente Verfügbarkeit von Bewegtbild auf allen Geräten und vor allem Streaming-Dienste wie Netflix, mit all ihren Vorteilen für die Nutzer, sorgen für Reichweitenverluste und Zuschauerschwund beim klassischen TV. Besonders die Konsumenten aus den umworbenen jüngeren Zielgruppen wollen heute selbst bestimmen, was sie wann auf welchen Geräten und an welchem Ort sehen.

Wer dem linearen TV dennoch treu bleibt, hat aber mit hoher Wahrscheinlichkeit sein Smartphone in Reichweite, wie eine Facebook-Studie zum Phänomen „Second Screen“ zeigt. Relevant ist diese Entwicklung auch für die Advertiser, denn in den Werbeblöcken greifen die Zuschauer nur zu gerne zum Mobile Device ihrer Wahl. Nicht personalisierte Werbung dürfte dieses Verhalten noch verstärken.

Addressable TV: Programmatic fürs Wohnzimmer

Der Druck auf die klassischen TV-Sender wird weiter steigen, so viel scheint klar. Wollen sie auch weiterhin die erste Adresse für die Budgets der Werbungtreibenden bleiben, müssen sie sich weiterentwickeln. Neben inhaltlichen Aspekten geht es dabei vor allem um den Transfer moderner AdTech, wie es beim Programmatic Advertising zum Einsatz kommt.

Die ersten Schritte sind bereits gemacht, aber der Weg ist noch lang. Zwar lassen sich im linearen Fernsehen bereits TV-Spots automatisch buchen, doch für echtes Programmatic Advertising fehlt bei dieser einfachen Verbindung von Sell Side Platform (SSP) und Demand Side Platform (DSP) noch eine entscheidende Zutat: Daten.

Zur Verfügung stehen hier momentan einzig die Daten der Arbeitsgemeinschaft Videoforschung (AGF), die aber allenfalls ein grobes Clustern ermöglichen. Die Anreicherung mit First-, Second- und Third-Party-Daten, die die datenbasierte Vermarktung erst richtig interessant macht, ist dagegen auf breiter Basis noch nicht möglich. Diese Hürde wird wohl noch eine ganze Zeit im Weg stehen, denn lineares Fernsehen auf klassischen TV-Geräten ist technisch limitiert. Sie bieten weder die Möglichkeit zur datenbasierten Personalisierung, noch lassen sie eine Messung per Rückkanal zu.

Warten auf die Smart-TV

Speziell auf einzelne Personen zugeschnittene TV-Werbung gibt es aber dennoch, allerdings bisher nur auf speziellen Geräten, den sogenannten Smart-TV. Über diese neue Geräte-Generation, die direkt mit dem Internet interagieren kann, werden in Deutschland zurzeit erste Testkampagnen gefahren. So haben SevenOne Media und Pilot bereits erste Addressable-TV-Spots für Marken wie Hochland, Schwartau und Vamos Schuhe ausgespielt. Technisch basiert die Lösung auf dem Smart-TV-Standard Hybrid Broadcast Broadband TV(HbbTV). Im Unterschied zum IPTV werden bei HbbTV lediglich Online-Inhalte über die Internetverbindung geladen, nicht aber die Fernsehinhalte selbst.

In Deutschland soll bereits jeder dritte Haushalt über einen internetfähigen Fernseher verfügen. Allerdings gibt es neben HbbTV noch konkurrierende Technologien. Zudem ist der HbbTV-Standard selbst noch in der Weiterentwicklung. Aktuell kommen in Deutschland erste Geräte mit der HbbTV-Version 2.0 auf dem Markt. Diese erlauben u.a. UHD-Streaming, Grafikanimationen und zeitsynchrone Applikationen auf Tablets und Smartphones. Gerade die Apps machen aus dem einst isolierten TV-Empfang ein interaktives Mitmach-Erlebnis. Das wiederum ist nicht nur für die Sender und Zuschauer interessant, sondern bringt gleichzeitig einen neuen Datenstrom für das Addressable TV.

Fazit:

Die massenkompatible Werbung für das klassische TV wird zum Auslaufmodell. Und das Addressable TV wird kommen. Daher müssen sich Werbungtreibende unmittelbar Gedanken über die neue Form von TV-Spots machen. Hochgradig personalisierte Werbung ist am Ende nur dann eine große Chance, wenn sie den Anforderungen der Zielpersonen entspricht. Daher ist jetzt Umdenken gefragt.