Speed of Innovation im Mittelstand: Agil wie Amazon

“Einfach machen” ist die Devise.

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Die Zahl muss man sich in Ziffern vorstellen: 24.400.000.000 Euro hatte Amazon allein im vergangenen Jahr für die Entwicklung von Innovationen zur Verfügung. Das sind nicht nur 27 Prozent mehr als im Vorjahr – mit dieser Summe toppt Amazon auch jeden anderen Konzern auf dem Planeten, meldet die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Zum Vergleich: Volkswagen, auf dem Papier das ausgabefreudigste Unternehmen Deutschlands (immerhin die größte Volkswirtschaft Europas), steckte 12,1 Milliarden Euro in Innovationen. Nicht einmal die Hälfte also.

"Sie haben nur eine Chance: Machen."

“Die Digitalisierung hat einen Investitionsboom ausgelöst, der stetig an Dynamik gewinnt”, sagte EY-Experte Alexander Kron in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Es werde “immer klarer, dass die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zunehmend von ihrer technologischen Leistungsfähigkeit und Innovationskraft bestimmt wird.”

Das klingt nach keiner guten Nachricht für Mittelständler. Wie sollen sie bei der Digitalisierung noch mitkommen, wenn die Konkurrenz mit zweistelligen Milliardensummen spielt? Sie haben nur eine Chance: Machen. Möglichst schnell und möglichst schlau. Es ist die bessere Alternative als in Meetings darüber zu lamentieren, warum die anderen mehr Budget, den besseren Chief Digital Officer oder die größere IT-Abteilung haben. Oder auf Podien über die digitale Transformation zu fantasieren und im eigenen Unternehmen nur Oberflächliches zu ändern.

“Digitalisierung made in Germany ist ein geradezu biblisches Paradies: Kaum einer muss mehr arbeiten, die Menschen sind nett zueinander, es geht allen gut und irgendwer backt immer einen leckeren Kuchen im Home Office. Diesen Eindruck zumindest gewinnt man, wenn man auf Twitter, Instagram und Co. den einschlägigen Meinungsführern zuhört”, lästerte gerade Panos Meyer, Geschäftsführer der Digitalagentur Cellular in Hamburg im “manager magazin“. Um anschließend klarzustellen: Die digitale Transformation ist keine Party, sondern harte Arbeit, auch wenn “Feel-Good-Dampfplauderer und Positivity Spreader” auf den Kongressbühnen dieser Welt oder als Consultant im eigenen Haus so tun, als wäre “Digitalisierung in erster Linie ein Kommunikationsthema.”

In Wahrheit geht es vor allem um zwei Bereiche: IT-Infrastruktur und Unternehmensorganisation

Die Währung der neuen Welt sind Daten, aber viele alte IT-Systeme halten diese Daten so sicher verschlossen wie die Bundesbank ihre Goldreserven oder Coca-Cola die eigene Rezeptur. Unternehmen kämpfen oft Jahre damit, diese Datenquellen über neue Schnittstellen anzapfen und weiterverarbeiten zu können. In dieser Zeit hat Amazon seine Marktanteile nochmal gesteigert und Lieferadressen auf dem Mond ausfindig gemacht. Unternehmen brauchen also modulare Systeme, die schnell erweitert und an aktuelle Entwicklungen angepasst werden können.

Der Umzug auf neue Systeme ist nie einfach und manchmal gefährlich. Ein aktuelles Beispiel ist der in mehr als 120 Ländern aktive schwäbische Mineralölspezialist Liqui Moly, der durch die Einführung einer neuen Unternehmenssoftware eigentlich die internen Abläufe beschleunigen wollte. Tatsächlich verlor er ein Drittel seines Gewinns und Firmenchef Ernst Prost musste sich eigenen Aussagen zufolge “im ganzen Berufsleben noch nie so oft bei seinen Kunden entschuldigen wie in den vergangenen sechs Monaten.” Die Geschichte des tobenden Firmenchefs ging durch alle Wirtschafts- und Fachmedien.

Die allergrößte Herausforderung der digitalen Transformation ist trotzdem nicht die IT, sondern die Organisation. Führungskräfte und Mitarbeiter müssen gewohnte Pfade verlassen, Eigeninitiative entwickeln und Widerspruch aushalten – so wie bei Amazon.

Dort hat jede Innovation immer denselben Anfang: Ein Mitarbeiter hat eine Idee und formuliert sie in Form einer einseitigen Pressemitteilung. Auf diese Weise starteten Amazons smarter Bestellbutton Dash, die Same-Day-Lieferung Prime Now oder der Marktplatz für Handgemachtes, Handmade. Wer immer eine innovative Idee für ein neues Produkt bei Amazon hat, muss zuerst eine einseitige Mitteilung dazu verfassen, die erklärt, was das Produkt kann und warum es auf den Markt kommt.

Wenn die Idee verstanden und für gut befunden wurde, versammelt sich ein Team aus Experten, um das Potenzial abzuklopfen. Ist auch diese Runde positiv abgeschlossen, startet Stufe Zwei: Der Ideengeber muss sein Projekt in einer FAQ-Verhör verteidigen. Zugelassen sind ausschließlich negative Einwände à la “Das braucht doch kein Mensch” oder “Das gibt es doch schon hundert Mal”. Erst wenn dieses Fegefeuer überstanden ist, kann die Umsetzung starten. Dann beginnen die Teams, zu scribbeln, Mockups zu entwickeln oder auf andere Weise zu visualisieren, wie ein Kunde das Produkt eigentlich erlebt.

Ähnlich arbeiten inzwischen auch Unternehmen wie Zalando oder MediaMarkt-Saturn. Kleine, interdisziplinäre Teams sind für die Lösung einer spezifischen Aufgabe zuständig und präsentieren in regelmäßigen Abständen ihre Ergebnisse. Der Prozess verläuft also weder chaotisch noch unkontrolliert. Aber innerhalb der so genannten Sprints haben die Teams größere Freiheiten als bisher.

Fehler gehören immer dazu,

auch bei Amazon. Unternehmen müssten zwar ein klares Ziel haben, heißt es bei Jeff Bezos. Doch der Weg dahin könne nicht immer nur geradlinig sein.

Fehler kosten zwar Geld, aber in agilen Systemen ist der Verlust meist überschaubar. Es gibt nämlich keine starren Drei-Jahres-Pläne und keine Großprojekte mehr, bei denen abgeschlossene Teams ohne Feedback und im Tunnelblick-Modus serienreife Dinge entwickeln, die am Ende niemand braucht. Stattdessen geht es um so genannte „MVPs“ (Minimal Viable Products), minimal funktionsfähige erste Produktversionen, mit denen sich die Kundenakzeptanz und Marktfähigkeit erst einmal antesten lässt, bevor man sie in großem Stil ausrollt.

Außerdem muss nicht jedes Unternehmen das Rad neu erfinden. Plattformen wie das internationale Start-up-Netzwerk Plug & Play bringen etablierte Unternehmen mit jungen Firmen zusammen, die für die eigenen Bedürfnisse vielleicht schon eine passende Lösung entwickelt haben.

Natürlich braucht man dafür auch Budgets. Aber nicht 24,4 Milliarden Euro wie Amazon.

Fazit

Viele Mittelständler haben weder das Geld noch die Arbeitgebermarke, um teuer eingekaufte und üppig ausgestattete Innovationsteams neue Produkte entwickeln zu lassen. Aber sie können sich auf etwas anderes verlassen: Ihre Agilität. Mittelständler sind seit jeher darauf getrimmt, schneller und flexibler zu arbeiten als die Konzern-Konkurrenz. Mit agilen Methoden können sie ihre alten Stärken noch besser ausspielen.

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